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CDU – Günther über Corona-Maßnahmen: "Fünf Wochen wären besser gewesen"


Ministerpräsident über Lockdown
"Ich glaube, solch eine Regelung verwirrt die Menschen"


26.11.2020Lesedauer: 6 Min.
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Daniel Günther (CDU): Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein rät dazu, Weihnachten zu Hause zu verbringen.Vergrößern des Bildes
Daniel Günther (CDU): Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein rät dazu, Weihnachten zu Hause zu verbringen. (Quelle: Axel Heimken/dpa)

Schleswig-Holstein will einige Corona-Maßnahmen nicht umsetzen. Im Interview erklärt der Ministerpräsident Daniel Günther seinen Plan für die nächsten Monate.

Am Mittwoch wurde die Verlängerung und Verschärfung des bisherigen Teil-Lockdowns beschlossen. Doch Daniel Günther (CDU) will dabei nur teilweise mitmachen. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein entscheidet sich für einen Sonderweg. Er begründet das mit den niedrigen Infektionszahlen im Bundesland: In den vergangenen sieben Tagen gab es nur rund 47 neue Fälle pro 100.000 Einwohner. Nur Mecklenburg-Vorpommern hat noch weniger Fälle. Im Interview mit t-online erklärt Günther den "schleswig-holsteinischen Weg" und wie es jetzt weitergehen soll.

t-online: Herr Günther, erneut wurden in der Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin nur Beschlüsse für die nächsten Wochen gefasst. Wieso gibt es keine langfristige Strategie zur Corona-Bekämpfung?

Daniel Günther: Wenn es irgendjemanden gäbe, der uns genau sagen könnte, wie sich die Infektionszahlen in den nächsten Monaten entwickeln, dann könnten wir dem zuhören und dessen Vorschläge anschließend auch umsetzen. Ich verstehe, dass die Menschen Planungssicherheit brauchen, aber wir müssen uns einfach das Infektionsgeschehen immer neu anschauen und es neu bewerten. Wir haben jetzt Planungssicherheit bis in den Januar hinein, das ist erst mal eine gute Sache und besser, als am 20. Dezember wieder neu zu entscheiden.

Das neu beschlossene Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass Maßnahmen immer für vier Wochen beschlossen werden sollen. Der Spielraum, länger zu planen, wurde also vom Bund eingeengt. Ist das ein Manko?

In der aktuellen Situation wären fünf Wochen als Planungshorizont tatsächlich besser gewesen. Aber das ist auch eine Sondersituation, weil Weihnachten und Neujahr in diesen Zeitraum fallen, und natürlich kann man Gesetze nicht für jede Einzelfallsituation definieren.

Künftig soll jeder, der zu einer gefährdeten Personengruppe gehört, 15 FFP2-Masken günstig erwerben können. Das wäre auf den Winter gerechnet etwa eine Maske, die pro Woche verbraucht werden darf – die ermöglicht dann also einen wöchentlichen Einkauf von Lebensmitteln und mehr nicht. Richtig?

Ich überlasse es Ihnen, wie Sie das interpretieren wollen. Ich finde aber, diesen Gruppen zum günstigen Preis Schutzmasken anzubieten, ist der absolut richtige Weg. Wir arbeiten im Moment ohnehin darauf hin, dass wir mit unseren Werten im Januar möglichst niedrig sind. Und dann werden wir Impfungen haben, um die Menschen besser zu schützen.

Mit den Impfungen wird es aber wahrscheinlich noch eine ganze Weile dauern. Im Beschluss steht, dass der Bund sich für ein europäisches Skiferien-Verbot bis zum 10. Januar einsetzen soll. Sind ab dem 11. Januar die Pisten dann wieder voll?

Bis zum 11. Januar sind fast überall in Europa die Schulferien – und da wären sonst die Pisten voll. Wir setzen uns dafür ein, dass dieses Jahr das Skifahren reduziert wird, ich finde diesen Weg richtig. Was nach dem 11. Januar dann kommt, müssen wir sehen – aber grundsätzlich kann ich nur dazu aufrufen, die Weihnachtsferien zu Hause zu verbringen.

Sie wollen einige der Maßnahmen nicht umsetzen und sprachen gestern von einem "besonderen schleswig-holsteinischen Weg". Ist Ihr Land abgekoppelt von Deutschland?

Mitnichten, wir gehören natürlich dazu! Und natürlich braucht es ein bundesweit einheitliches Regelwerk. Wir ergreifen die Maßnahmen sehr konsequent, haben in den vergangenen Monaten härtere gehabt. Ich stelle fest, dass wir bislang sehr gut durch die Krise kommen.

Sie erlauben in Schleswig-Holstein nun diverse Sonder-Lockerungen: Nagelstudios, Massagepraxen, Tierparks und Zoos dürfen wieder öffnen. Warum?

Das ist richtig, aber die Liste von Öffnungen endet hier auch schon. Meine Experten haben mir gesagt, dass sie keinen Grund sehen, dort die Einschränkungen zu verlängern. In den Zoos kann man Abstand halten, da bewegt man sich unter freiem Himmel, und auch bei der Körperpflege ist die Infektionsgefahr gering.

In den anderen Bundesländern dürfen sich künftig nur noch fünf Personen von zwei Haushalten treffen, bei Ihnen im Land sind es weiterhin zehn Menschen. Warum?

Ganz einfach: Weil das die ganze Zeit schon so gilt bei uns. Und bedenken Sie: In der 5-Personen-Regel werden Kinder bis 14 Jahre gar nicht einkalkuliert, die zählen sozusagen gar nicht dazu. Ich glaube, solch eine Regelung verwirrt die Menschen eher. Bei uns heißt es seit Wochen: Mit zehn Personen ist die Grenze erreicht.

Die zehn-Personen-Grenze ist also an Weihnachten bei Ihnen nichts Neues mehr. Befürchten Sie, dass die Menschen über die Feiertage sorgloser werden?

Das glaube ich nicht. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es dann besonders nach oben geht. Die Menschen im Land haben Verlässlichkeit, es geht nicht mal hoch und mal runter mit der Zahl, die erlaubt ist – eine solche Achterbahnfahrt wollen wir den Menschen nicht zumuten.

Sie sagten kürzlich, es sei nicht die Aufgabe der Ordnungsbehörden, an Weihnachten zu kontrollieren, ob es 10 oder 12 Personen im Haushalt sind. Ist das nicht ein Freibrief, sich nicht an die Beschränkungen zu halten?

Nein! Ich wollte damit ausdrücken, dass niemand Sorge haben muss, dass wir anlasslos durch die Wohnsiedlungen gehen und dann einfach die Polizei klingelt. Aber wenn wirklich große Feierlichkeiten stattfinden, dann werden Ordnungsbehörden auch dagegen vorgehen.

Wenn bei Ihnen in einzelnen Kreisen die Infektionszahlen stark ansteigen, wie reagieren Sie dann konkret darauf?

Ich kann heute nicht sagen, auf was wir uns im Einzelnen verständigen. Noch können wir die Kontakte aber gut nachverfolgen, das macht es einfacher. Selbstverständlich sind in den Kreisen, wo die Zahlen besonders nach oben gehen, dann aber auch härtere Ausgangsbeschränkungen denkbar. Wir schauen einfach immer sehr genau darauf, wie die Zahlen sind und reagieren dann.

Da Sie sich gern an den Zahlen orientieren, schauen wir mal auf ein Beispiel in Schleswig-Holstein: Im Kreis Dithmarschen gibt es nur eine einzige Intensivstation mit 44 Betten. 41 davon sind belegt – und noch kein einziger Patient wird dort wegen Covid-19 behandelt. Macht Ihnen das keine Sorge?

Die Krankenhauskapazitäten werden doch nicht streng nach Kreisen getrennt, da gibt es natürlich auch über Kreisgrenzen hinweg eine Zusammenarbeit.

Die Inzidenz im Kreis Dithmarschen liegt bei 34 Infektionen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner. Also deutlich unter der Grenze von 50, die als wichtige Marke gilt. Obwohl die dortigen Krankenhäuser ja am Rande der Auslastung sind – müsste man die Corona-Regeln dort trotzdem lockern?

Wir lockern ja nicht jeden Kreis einzeln. Aber es stimmt natürlich, dass der Wert der Infektionen pro Tag noch nicht wirklich etwas darüber aussagt, wie stark gelockert werden kann. Über dieses Konzept sollten wir Ministerpräsidenten vielleicht noch einmal nachdenken.

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In den größeren Städten in Schleswig-Holstein sind aktuell insgesamt 28 Impfzentren geplant. Viele Menschen bei Ihnen im Bundesland leben aber auf dem Land – wie sollen ältere Menschen zu den Impfzentren in die Stadt kommen, wenn sie es teilweise kaum bis zum nächsten Supermarkt schaffen?

Wir haben eine gute Abdeckung von Impfzentren und darauf geachtet, dass diese auch mit dem ÖPNV gut erreichbar sind, natürlich kann man dann auch immer dort gut hinkommen. Dass da auch gerade, wenn man sich um vulnerable Gruppen kümmert, auch logistische Mithilfe notwendig ist, das ist klar. Aber das werden wir auch sorgsam vorbereiten.

Ist es denkbar, dass es für ältere Menschen möglicherweise Taxigutscheine geben wird?

Das ist sicherlich denkbar, aber die genauen Maßnahmen stehen noch nicht fest. Das Konzept zum Impfen erarbeiten wir jetzt gerade, und ich bin übrigens sehr froh, dass alle Umfragen ergeben, dass die Impfbereitschaft in Schleswig-Holstein am höchsten ist. Daher bin ich guten Mutes, dass wir das vernünftig geregelt bekommen.

Was kann Deutschland vom "schleswig-holsteinischen Weg" lernen?

Wir haben frühzeitig Sperrstunden eingeführt, die Maskenpflichten durchgesetzt. Das ist glaube ich, was ich als "Schleswig-Holstein-Weg" bezeichnen würde. Doch ich glaube, in diesen Zeiten sollte man sich nicht hervortun, indem man sagt: 'Wir haben alles richtig gemacht und guckt mal, wie es hier läuft'. Man muss auch mit Demut sehen, dass die Infektionszahlen sich auch mittlerweile in allen Bundesländern unterschiedlich entwickeln. Im Moment haben wir sehr niedrige Infektionszahlen. Ich glaube, was uns auszeichnet, ist, dass wir wirklich immer sehr, sehr konsequent gehandelt haben, von Anfang an. Und das ist in einer Pandemie der richtige Weg.

Herr Günther, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Daniel Günther
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