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Corona-Talk bei "Markus Lanz": Sind wir nicht alle ein bisschen "mütend"?


Corona-Talk bei "Markus Lanz"
Sind wir nicht alle ein bisschen "mütend"?

Eine TV-Kritik von Peter Luley

Aktualisiert am 24.03.2021Lesedauer: 4 Min.
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Mai Thi Nguyen-Kim bei Markus Lanz im vergangenen Jahr: In der jüngsten Sendung gab die Wissenschaftsjournalistin zu, auch etwas Corona-"mütend" zu sein.Vergrößern des Bildes
Mai Thi Nguyen-Kim bei Markus Lanz im vergangenen Jahr: In der jüngsten Sendung gab die Wissenschaftsjournalistin zu, auch etwas Corona-"mütend" zu sein. (Quelle: imago images/Archivbild)

Eine Wortschöpfung aus den Sozialen Medien avancierte zur Losung des Abends bei Markus Lanz – wobei es nicht nur Kritik am Oster-Lockdown gab. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil verteidigte die Bund-Länder-Beschlüsse, Mai Thi Nguyen-Kim und Hendrik Streeck gerieten zum Schluss aneinander.

Ihn habe eher der Anfang als das Ende der Marathonkonferenz genervt, erklärte der aus Hannover zugeschaltete Stephan Weil zur jüngsten Bund-Länder-Runde – denn nachdem man sich zu Beginn "von Satz zu Satz weitergekämpft" habe, sei schließlich ja doch die "richtige Strategie" dabei herausgekommen. Er bewerte das Ergebnis als "sehr positiv". Davon ließ er sich auch durch Lanz’ Einwurf, ob nicht vielmehr die im Netz kursierende Wortkreation "mütend", eine Kombination aus "müde" und "wütend", die allgemeine Stimmungslage treffe, nicht entscheidend abbringen.

Die Gäste

  • Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen
  • Robin Alexander, stellvertretender "Welt"-Chefredakteur
  • Mai Thi Nguyen-Kim, Wissenschaftsjournalistin
  • Hendrik Streeck, Virologe
  • Stefan Kluge, Direktor der Intensivmedizin am UKE Hamburg

"Wir alle stehen unter dem Eindruck von jetzt 13 Monaten extrem harter Arbeit in einer anhaltend großen Verantwortung“, konzedierte der SPD-Politiker zwar, "und das bleibt bei keinem von uns nur einfach in den Klamotten, sondern das geht einem unter die Haut." Er habe aber den Eindruck, dass "wir sehr gut miteinander gerungen haben und uns auch auf eine gemeinsame Linie haben verständigen können". Es sei eben ein "wirklich schwieriger Balanceakt" zwischen einer "sehr ernst zu nehmenden Infektionslage" – Stichwort Mutation – und auf der anderen Seite "einer Bevölkerung, die in größeren Teilen sagt, so, jetzt ist auch mal gut".

Er könne Weils "Begeisterung nicht teilen", meldete sich da "Welt"-Journalist Robin Alexander zu Wort – wobei es ihm nicht nur um den Inhalt der Beschlüsse ging, sondern um die Art ihres Zustandekommens: Die Bund-Länder-Runde sei eigentlich nur "ein Gremium, wo sich Politiker besprechen", Entscheidungen über Gesundheitsschutz und Freiheitsrechte gehörten in den Bundestag. Dem hielt Weil entgegen, "dass der Deutsche Bundestag selbst gesagt hat: Das ist das Verfahren, das wir in einer solchen Pandemie für richtig halten." Es handle sich um eine Krise, "wo wir sehr stark in einer exekutiven Abstimmung untereinander stehen müssen". Alexander fand trotzdem, "die Runde Merkel und die Ministerpräsidenten" sei "dysfunktional geworden". Konkret monierte er, die Kirchen hätten im Vorwege in die Entscheidung über abgesagte Ostergottesdienste einbezogen werden müssen, und auch mit den Airlines hätten vorher Gespräche über die nun in der Kritik stehenden Mallorcareisen geführt werden können.

Auf letzteren Punkt kam dann auch Markus Lanz nochmal zu sprechen – zumal Weil zu den Befürwortern des "kontaktarmen Urlaubs im eigenen Land" gehört habe. "Wie erklärt man das den Leuten, dass sie nicht an die Nordsee dürfen, aber sehr wohl mit dem Flieger nach Mallorca?" Da konnte Weil nicht umhin, dem Moderator beizupflichten: "Sie haben völlig recht, ich halte das für einen ganz großen Fehler." Die Infektionsrate auf der Insel möge ja momentan noch sehr niedrig sein, er habe nur die Befürchtung, dass da, "wo viele tausend Menschen aus aller Herren Länder zusammenkommen", hinterher eine "ganz andere" Infektionsrate herrsche. Und auch in Deutschland habe man bis jetzt nach jeder Reisewelle ein zusätzliches Problem gehabt. "In diesem Bereich", so Weil, "empfinde ich das Verhalten der Bundesregierung als enttäuschend."

Könnte der Oster-Shutdown die Lage verschlimmern?

Und die anwesenden Wissenschaftler? Ob der Oster-Shutdown ab Gründonnerstag nicht die Gefahr berge, dass man am Mittwoch zuvor und am Samstag in den Supermärkten "echte Superspreading-Events" kreiere, wandte sich Lanz an Mai Thi Nguyen-Kim. "Ja, das ist natürlich denkbar", gab die promovierte Chemikerin zurück, "ich bin mir nicht sicher, ob es momentan irgendeine Person in diesem Land gibt, die sich gedacht hat: Oh, das sind aber jetzt tolle Beschlüsse.‘“ Wir seien an einem Punkt in der Pandemie, "wo es nicht überraschend ist, dass jetzt nicht die große Erlösung kommt, weil wir bisschen gepennt haben“. Später gestand sie, sie sei "auch mütend".

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Virologe Hendrik Streeck, Lanz-Dauergast und jüngst außerdem in einer ZDF-Corona-Doku mit von der Partie, äußerte Unverständnis, warum man bis Gründonnerstag warte, wenn man die Zahlen herunterbringen wolle. Er forderte, wir müssten mehr über das Infektionsgeschehen lernen und mehr Hygienekonzepte testen "wie zum Beispiel im Tübinger Modell, im Rostocker Modell". Dann könne man auch besser "die Bevölkerung mitnehmen". Stefan Kluge, Direktor der Intensivmedizin am UKE Hamburg, vermeldete "einen Shift zu jüngeren Patienten“ in seinem Haus, warnte vor der britischen Virusvariante und fand "die generelle Stoßrichtung“ der MPK-Beschlüsse "richtig".

Beinahe überraschend war es, wie wenig sich Mai Thi Nguyen-Kim und Hendrik Streeck in die Haare bekamen – erst auf der Zielgeraden, als Lanz gewisse Fehleinschätzungen des Bonner Virologen in der Vergangenheit zur Sprache brachte und dieser leichthändig feststellte, "die Revision der eigenen Erkenntnisse" sei "kein Scheitern, sondern ein Fortschritt", schaltete sich Mai Thi Nguyen-Kim ein. Er sei doch mit der Heinsberg-Studie ins öffentliche Bewusstsein getreten und habe sich damit eher auf die Seite "Öffnung" gestellt – und wenn er so sehr missverstanden werde, müsse er sich vielleicht besser beraten lassen in seiner Kommunikation. "Da war ich naiv", räumte Streeck sogar ein – bevor sich an der Studie und der Zahl der in ihr aufgeführten Todesfälle neuer Streit entzündete. "Wir müssen leider einen Punkt machen", beendete Lanz den Schlagabtausch – nur auf "mütend" konnten sich an diesem Abend alle einigen.

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 23. März 2021
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