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SHAEF-Gläubige: Mit vollem Tempo in die Ausweglosigkeit


SHAEF-Gläubige
Mit vollem Tempo in die Ausweglosigkeit

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 05.12.2021Lesedauer: 6 Min.
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Polizeiaufgebot: So sieht es aus, wenn man glaubt, dass deutsche Gesetze nicht gelten und sie lang genug nicht beachtet. Ein Anhänger des Hochstaplers "Major Jansen" verbreitete das Foto des Einsatzes bei sich. Der Einsatzleiter bekam ein "Todesurteil".Vergrößern des Bildes
Polizeiaufgebot: So sieht es aus, wenn man glaubt, dass deutsche Gesetze nicht gelten und sie lang genug nicht beachtet. Ein Anhänger des Hochstaplers "Major Jansen" verbreitete das Foto des Einsatzes bei sich. Der Einsatzleiter bekam ein "Todesurteil". (Quelle: Telegram)

Sie verlieren ihr bisheriges Leben und schreiben den Anstiftern, wie dankbar sie ihnen sind: Anhänger des Hochstaplers "Major Jansen" geben erschreckende Einblicke in Folgen, wenn man nicht mehr an die Gültigkeit der Gesetze glaubt.

Dieser Text könnte Namen und Hausnummern nennen, Telefonnummern, Namen von Kindern und Ehepartnern, Ex-Partnern, Kontakte von Vorgesetzten. Die Menschen in diesem Text haben viel davon preisgegeben in öffentlich zugänglichen Gruppen. Und sie haben Probleme genug – wegen "Major Jansen".

Der Hochstapler ist nach Tausenden von ihm verhängten "Todesurteilen" am Mittwoch festgenommen worden. Mehr über ihn und sein bizarres Phantasiekonstrukt lesen Sie hier. Damit kann er nicht mehr länger verbreiten, in Trumps Auftrag an der Spitze einer alliierten Besatzung zu stehen. Er hat Menschen überzeugt, dass sie sich nicht an deutsche Gesetze halten müssen oder dürfen, sondern SHAEF-Gesetze gelten. Das war ein allliertes Oberkommando, das 1945 aufgelöst wurde.

Die Reaktionen von Behörden und Arbeitgebern können seine Anhänger vielfach nicht mehr erschüttern. Sie teilen sie zum Teil öffentlich. Sieben erschütternde Beispiel von Menschen, die in den vergangenen Wochen sich und andere ins Unglück gestürzt haben. Die Namen sind geändert.

Michael B. aus Niedersachsen: Der Familienvater und Mechaniker postete im November ein Foto vom Einsatz der Polizei zur Räumung des Hauses. "Jetzt war es so weit." Mit Kindern, Meerschweinchen und Katze seien sie geräumt worden, und ihm seien Handschellen angelegt sowie Haft angedroht worden, "wenn ich keine Vermögensauskunft abgebe". Die Kinder hätten geweint. "Ich weiß, die sollten nicht da sein, aber wir haben niemanden mehr zum Aufpassen."

Es gehe um 10.000 Euro, die er der Krankenkasse nicht zahlen will und auf SHAEF-Gesetze verweist. Sie seien in eine Werkstatt gezogen, "die Kinder auf einer Angelliege und wir auf dem Teppich, bisschen heizen konnten wir zum Glück". Er suche jetzt nach einem Kleingarten mit Hütte. Das Auto dürften sie auch nicht mehr benutzen wegen fehlender Versicherung. Sein Kommentar: "Es kommt alles, wie es kommen soll. Das heute ist nicht gut, aber auch nicht schlecht."

Doris C. aus NRW: Der Beamtin ist schon ziemlich klar, was alles auf sie zukommen kann. "Ich vermute Rückstufungen, Rückforderungen meiner Bezüge, Verlust meiner Pensionsansprüche, möglicherweise Haftbefehl mit Hausdurchsuchung usw.", schrieb sie im Kanal der SHAEF-Truppe.

Die Frau, die sich auf Telegram "KleinesLicht" nennt, hat am 5. Oktober ihrem Kollegen und ihrem Sachgebietsleiter geschrieben, sie würden sich wegen Missachtung der SHAEF-Gesetze strafbar machen. Die Mail gab sie auch "Major Jansen" weiter. Dort wurde sie mit der Zusicherung veröffentlicht: "Alles wird gut. Sie brauchen vor der GSG-9 keine Angst zu haben, die gehören zu uns."

Derart beruhigt schrieb sie ihrem Sachgebietsleiter, dass sie nicht vorhabe, wie gefordert Ermittlungsakten und dienstliches Notebook zurückzugeben, sondern diese erst der alliierten Übergangsregierung aushändigen werde. Beamtin sei sie auch nicht – die Ernennungsurkunde sei nicht gültig. Die Anhörung zum Disziplinarverfahren landete am 30. Oktober ungeschwärzt auch wieder bei Jansen & Co.

C.s bisher letzter Beitrag dort vom 9. November ist die Kopie einer Mail, die sie einem Polizisten geschickt hat. Sie hat den Mann, Leiter bei einem Einsatz gegen einen anderen Jansen-Anhänger, über seine Verurteilung zum Tode durch Major Jansen informiert. Sie erklärte ihm, er hätte es wie sie machen sollen.

Walter M. aus Niedersachsen: Der Kleinunternehmer beklagte, dass er seine Tochter wegen Maskenpflicht nicht zur Schule gehen lasse und sie nun Sechsen bekomme. Major Jansen solle der Schulleiterin, einer "Systemhure", die Gesetzeslage mitteilen. Jansens Reaktion: "Wir arbeiten unterstützend, aber wir lassen uns nicht verscheißern."

Walter M. müsse selbst kämpfen. Im Kanal finde er alle Schreiben und müsse sich die nur rauskopieren. Und dann: "Gehen Sie gegen diese Rektorin vor, tun Sie sich mit einigen Leuten zusammen und zeigen Sie der, wo der Hammer hängt, friedlich natürlich." Trotz der schroffen Abfuhr blieb Walter dem "Major" treu: Am 31. Oktober schickte er ihm eine "vollständige Liste aller Verantwortlichen in Städten und Gemeinden" und versprach, auch selbst Schreiben zur Aufklärung zu verschicken. "Die ersten 100 sind raus." Dafür gab es Herzchen-Bilder im Kanal.

Sam P. aus einem kleinen Bundesland: "Alles, was wir machen, ist für SHAEF", sagt der Vater mehrerer Kinder in einer Sprachnachricht: "Wir wenden die SHAEF-Gesetze an, ob es Strom ist oder Jugendämter, wir kämpfen uns da schon durch, wir haben keine Angst mehr." Er dankt Jansen "für die tatkräftige Arbeit, wo Sie jeden Tag ihr Leben mit aufs Spiel setzen. Wir werden mit ihnen bis zum letzten Atemzug gehen. Unsere Kinder und uns wird keiner kriegen." Zwei Kinder habe er aber schon verloren – unklar ist, ob er damit Eingriffe des Jugendamts meint.

Weil er auch kein Geld vom "BRiD-Staat" annehme und kaum Aufträge bekomme, sehe es finanziell eng aus. "Wir mussten unseren halben Hausstand schon verkaufen, damit wir noch was zu essen haben."

Auch der Verlust ihres Zuhauses ist realistisch: Sie hätten sich ein Zelt gekauft, "oder wir fragen Bauern, ob wir in der Scheune leben können". Im Kanal bittet er um Entschuldigung: "Wir haben das Geld nicht dafür, Tausende von Zetteln zu drucken, was wir gerne machen würden." Er schickte Jansens "Adjutantin" die Sprachnachricht und ein Video, in dem seine Kinder Ballons mit SHAEF-Nachrichten fliegen lassen. Danach dankte er: "Es ist wunderschön, dass Sie das mit allen Patrioten geteilt haben."

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Mara T. aus Niedersachsen: Bis September war sie noch Mitglied in der Querdenker-nahen Partei "Die Basis", inzwischen hat sie einem Funktionär ein Urteil "Tod durch Hängen" von "Major Jansen" beschert: Ihre Austrittserklärung wurde nicht schnell entsprechend beschieden. Sie hatte über einen größeren Verteiler mitgeteilt, dass Kriegsrecht gilt und alle Parteien ungültig sind. Der Ausdruck eines entsprechenden Tweets hängt in der Heckscheibe ihres Autos. Bei Jansen wurden Austrittsschreiben und Verurteilung öffentlich gemacht.

In einem Edeka hat sie Hausverbot, weil sie dort erklären wollte, dass nur SHAEF-Gesetze gelten. Ihr Zahnarzt schaute nur verständnislos. Dort filmte sie ebenso und veröffentlichte das wie beim Besuch zweier Polizeibeamter. Die Polizisten sprachen sie auf ihre regen Aktivitäten an.

Franz S. aus Bayern: Er hat schon einen Anruf vom Staatsschutz bekommen wegen seiner vielfältigen E-Mails an Schulen und Gesundheitsamt, berichtete er. Er selbst war mit Zahlungen an die Krankenkasse im Rückstand, bekam einen Mahnbescheid. "Da hab ich denen vieles über SHAEF und die SHAEF-Gesetze geschickt und über das Firmenkonstrukt BRD." Auch mit dem Finanzamt stritt er und verwies auf SHAEF-Gesetze.

Wie es ihm von den vermeintlichen SHAEF-Oberen vorgemacht wird, "hilft" er auch einem Rentner, in dem er mit SHAEF-Argumenten einen Vollstreckungstitel der Gerichtsvollzieherin beantwortet: "Alle Infos über SHAEF, die wir per Einschreiben geschickt haben, hat diese [Name] wieder zurück gesand. Ihr Schreiben stelle ich hier ein." Das Schreiben ist für den Nachbarn fatal: "Der Vortrag des S. Franz geht an der Sache vorbei, es bleibt beim Vollstreckungstermin."

Der Fall Franz S. zeigt, welche Dramen das auch in Familien auslöst. Beim Finanzamt zumindest habe er gezahlt: "Meine Frau ist komplett mit den Nerven runter und gesundheitlich sehr angeschlagen, weil ich nicht zahlte und wieder eine Vollstreckungsandrohung kam." Franz S. dazu in der Gruppe: "Tut mir leid, hab mich kleinkriegen lassen."

Tim W. aus Niedersachsen: Der Mann hat mit seinem Vater ein kleines Unternehmen – noch. "Er wollte schon unsere GbR abmelden, weil ich geistig nicht mehr klar bin. Natürlich versucht man so lange wie möglich finanziell über Wasser zu bleiben. Aber wenn es die Situation erfordert ist das auch egal." Nur auf Druck des Vaters hatte er sich auch zu einer Behandlung im Krankenhaus wegen Vorhofflimmerns angemeldet. "Mein Vater hat darauf bestanden. Da ich nur noch wirres Zeug rede. Er sagte das ist seit dem ich Tabletten nehme."

Er wolle aber nicht ins Krankenhaus, ihm könne da alles Mögliche ins Blut gejagt werden und er wolle nicht getestet werden. "Soll ich besser noch warten, bis die Welt wieder in Ordnung ist?" Aus der SHAEF-Gruppe wird er bestärkt. Ein homöopathisches Mittel helfe ihm genauso. Dabei geht es um einen Wirkstoff aus Pflanzen, der in richtiger Dosierung tatsächlich eingesetzt wirkt. Es gibt allerdings keinerlei wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit homöopathischer Mittel über Placebo-Effekte hinaus.

Hinweis der Redaktion: Texte und die Daten in den Screenshots aus Telegram sind unverändert, sie sind aber mit einem anderen Hintergrund optisch aufbereitet.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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