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SPD-Kritik an Sondierung: "Große Koalition kann nur eine Ausnahme sein"


SPD tief gespalten
"Große Koalition kann nur eine Ausnahme sein"


Aktualisiert am 16.01.2018Lesedauer: 4 Min.
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Seehofer, Merkel, Schulz am Freitag in Berlin: Über das Sondierungsergebnis wird in der SPD intensiv diskutiert.Vergrößern des Bildes
Seehofer, Merkel, Schulz am Freitag in Berlin: Über das Sondierungsergebnis wird in der SPD intensiv diskutiert. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Sechs Tage vor dem wegweisenden Sonderparteitag debattiert die SPD hitzig über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Die Parteispitze sagt ja – aber folgen ihr die Delegierten? Bei vielen ist die Skepsis groß.

Es rumort in der SPD. Nach der Einigung bei den Sondierungsverhandlungen ringen die Sozialdemokraten mit sich und dem Verhandlungsergebnis. Während die Parteispitze um Zustimmung für das Kompromisspapier mit der Union wirbt, stemmt sich die Parteilinke, allen voran die Jugendorganisation Jusos, mit aller Macht gegen eine Neuauflage der großen Koalition.

Widerstand gibt es aber auch im Parteivorstand – wenn auch nur von einer Minderheit. Am Freitag hatten sechs von 40 Mitgliedern des Gremiums gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU gestimmt: unter ihnen Daniela Kolbe, Generalsekretärin der sächsischen SPD. Sie bescheinigte den Sondierern ihrer Partei, zwar gut verhandelt zu haben. "Beispielsweise haben sie Programme zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit und Kinderarmut ausgehandelt", sagte Kolbe t-online.de. "Wichtige Punkte fehlen mir aber, wie die Bürgerversicherung und die Anhebung des Spitzensteuersatzes.“

Kritik an Verfahrensregeln der Koalition

Kolbe bemängelte vor allem, mit dem vorliegenden Sondierungspapier wäre eine Neuauflage von Schwarz-Rot auf eine klassische Große Koalition hinausgelaufen. "Die Verfahrensregeln aus dem letzten Koalitionsvertrag sollten beibehalten werden. Heißt: Union und SPD hatten 2013 vereinbart, im Bundestag und seinen Gremien stets einheitlich abzustimmen, also auch über die im Koalitionsvertrag vereinbarten Themen hinaus. Und das sollte auch diesmal so verabredet werden."

Dies führe dazu, warnte Kolbe, dass die großen Parteien im Parlament nicht mehr unterscheidbar seien. "Vor der Wahl waren sich doch alle einig: Eine große Koalition kann nur eine Ausnahme für die Demokratie sein. Denn wenn zwei Parteien, die inhaltlich klar für unterschiedliche Konzepte stehen – oder verkürzt gesagt: hier eine arbeitnehmerfreundliche, da eine arbeitgeberfreundliche Partei – zu lange in einer Koalition zusammenarbeiten, schleicht sich bei vielen Menschen das Gefühl ein, es mache keinen Unterschied, welche von beiden man wählt. Und wir sehen, wie Parteien am Rand davon profitieren." Dies schade auf Dauer der Demokratie.

Kolbe trat zugleich Kritik an SPD-Chef Schulz entgegen, der noch am Wahlabend eine Neuauflage der großen Koalition kategorisch ausgeschlossen hatte. "Die SPD hat sich nicht in diese Lage gebracht. Das waren die Jamaika-Sondierer, allen voran Christian Lindner. Was Martin Schulz am Wahlabend gesagt hat, ist auch nach wie vor richtig: Dass es ein 'Weiter so' nicht geben darf." Das nehme sie auch in ihrem Umfeld deutlich war, sagt Kolbe. "Ich bemerke viel Skepsis, ob bei einem Fehlen solch wichtiger Projekte wie der Bürgerversicherung eine Regierungsbeteiligung möglich ist, oder ob es doch nur ein 'Weiter so' bedeuten würde."

Uekermann: CSU hat kein Interesse an einer Regierungsbildung

Auch der früheren Juso-Vorsitzenden Johanna Uekermann fehlten wichtige Teile in dem Sondierungspapier. Im SWR-Radio nannte sie die Bürgerversicherung, die Schere zwischen Arm und Reich, aber auch Angebote an junge Leute, etwa die Befristung von Arbeitsverträgen endlich einzuschränken. Das sei mit der Union jedoch nicht zu machen.

Deutliche Kritik übte Uekermann am Auftreten der CSU nach der Sondierung. Den Christsozialen warf sie vor, kein Interesse an einer Regierungsbildung zu haben. "Die haben schon ein Gespräch scheitern lassen. Mit den Grünen und der FDP haben sie es nicht hinbekommen. Und anstatt jetzt auf Augenhöhe zu verhandeln, auf die SPD auch zuzugehen, sind Wörter wie 'Zwergenaufstand' im Umlauf, werden Sachen durchgestochen, gibt es Alleingänge aus der Regierung heraus." Ihr Eindruck sei, die Union hätte sich einen größeren Schritt auf die SPD zubewegen müssen, so Uekermann.

Skepsis äußerte auch der SPD-Vize Ralf Stegner. "Das Sondierungsergebnis kann nur die Basis sein für Koalitionsverhandlungen", sagte Stegner der "Bild"-Zeitung. "Es wird jetzt so getan, als sei alles schon verhandelt – das ist es mitnichten." Zwar rechne er beim Parteitag mit einer Mehrheit für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. "Aber ich glaube, dass das schwierig sein wird, weil ich die Kritikpunkte für berechtigt halte."

Schulz: Sondierungsergebnis "nicht kleinreden"

SPD-Chef Martin Schulz verteidigte am Montag das Ergebnis der Sondierung. "Wir haben eine lange Liste von Punkten durchgesetzt, die das Leben der Menschen ganz konkret verbessern", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Daran gibt es nichts kleinzureden." Die SPD habe natürlich nicht alles bekommen. "Aber das, was wir durchgesetzt haben, rechtfertigt die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen."

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles warnte die parteiinternen Kritiker, das Ergebnis "mutwillig" schlecht zu reden. "Da wird ein Ergebnis schlecht geredet von einigen, die egal, was wir verhandelt hätten, gegen die GroKo sind", sagte Nahles im Deutschlandfunk. "Das akzeptiere ich nicht, da werde ich dagegenhalten."

Ein SPD-Sonderparteitag wird am Sonntag darüber entscheiden, ob die SPD in Koalitionsverhandlungen mit der Union einsteigen wird. Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert, ein entschiedener Gegner einer neuen großen Koalition, hält das Ergebnis für offen. "Abseits der Parteiführung gibt es in der SPD aktuell ein extrem kontroverses Stimmungsbild", sagte er in der "Rheinischen Post".

Quellen:
- Eigene Recherchen
- Bericht des SWR
- dpa

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