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Carsten Schneider: Kompromisslosigkeit macht mir Sorgen


Interview zu Groko-Gegnern
"Das macht mir ehrlicherweise Sorge"

Ein Interview von Jonas Schaible, Bonn

Aktualisiert am 22.01.2018Lesedauer: 4 Min.
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Gegner der großen Koalition beim SPD-Parteitag: Carsten Schneider sieht die Stimmung in der Partei mit Besorgnis.Vergrößern des Bildes
Gegner der großen Koalition beim SPD-Parteitag: Carsten Schneider sieht die Stimmung in der Partei mit Besorgnis. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Nach dem SPD-Parteitag geht der Parlamentarische Geschäftsführer Carsten Schneider im Interview mit t-online.de hart mit den Groko-Gegnern ins Gericht.

Carsten Schneider wirkt angespannt. Fast: mitgenommen. Vor wenigen Minuten hat die SPD sich nur knapp für Koalitionsverhandlungen ausgesprochen. So knapp, dass der Ausgang minutenlang ungewiss war. Schneider, der neue Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, hat wie fast die gesamte Parteispitze für Verhandlungen gekämpft. Und trotzdem fast die Hälfte der Delegierten nicht erreicht.

Herr Schneider, wie würden Sie den Tag in einem Satz zusammenfassen?

Carsten Schneider: Aufwühlend.

Das war nur ein Wort.

Das reicht. Ich war am Ende wirklich unsicher, wie es ausgeht. An einen ähnlich aufregenden Parteitag kann ich mich jedenfalls nicht erinnern.

Was bedeutet dieses sehr knappe Ergebnis inhaltlich?

Zunächst einmal hat mich wirklich gefreut, dass es eine sehr faire Debatte war. Es gab kaum Zwischenrufe. Und ich hoffe, dass diese gute Debatte dazu führt, dass auch die Unterlegenen das Ergebnis akzeptieren. Aber es bewegt mich, dass man die andere Seite nicht erreicht hat. Es gab nur ein paar Delegierte zwischen den Lagern, die noch nicht entschieden waren. Es gibt offensichtlich sehr harte Gegner einer Regierungsbeteiligung, die nicht zu überzeugen waren.

Wie viele waren denn noch unentschieden?

Maximal 50 oder 60 von den 600 Delegierten, schätze ich.

Vorher sah es aus, als bahnte sich nur ein Aufstand Ost an. Der Widerstand kam jetzt aber nicht nur aus dem Osten, oder?

Nein, das ist kein Ost-Phänomen. Es hatten nur zufällig einige Verbände im Osten Landesparteitage. Niedersachsen, Brandenburg, Saarland, Baden-Württemberg und Hamburg waren heute relativ geschlossen, aber abgesehen davon war das überall gemischt.

Wenn es nur so wenige Unentschlossene gab, wie Sie vermuten, hieße das, mindestens ein Drittel der Delegierten kam schon als entschiedener Gegner hierher. In der Parteispitze finden sich dagegen fast nur Befürworter. Wie ist das zu erklären?

Ich glaube, dass der Befund richtig ist. Und er gibt mir zu denken. Letztendlich haben wir wohl mit der entschiedenen Absage an die Große Koalition die Leute auf ein Gleis gesetzt, von dem wir sie nie wieder herunterbekommen haben.

Wie gesagt: Obwohl sich die Parteispitze fast vollständig in die Bresche geworfen hat.

Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass wir die Leute nicht erreichen, obwohl wir ein Verhandlungsergebnis vorlegt haben, das für so gut wie jeden Menschen eine Verbesserung seiner Situation bedeuten würde, und obwohl fast alle Spitzenleute dafür geworben haben. Das macht mich sehr nachdenklich.

Muss sich personell etwas ändern?

Jetzt atmen wir erst einmal durch. Wir müssen analysieren, wie es kommen konnte, dass wir sind, wo wir sind. Immerhin haben wir eine Mehrheit.

Wie analysieren Sie denn so kurz nach der Abstimmung die Lage?

Viele haben sich nicht mehr von ihrer Haltung abbringen lassen - auch nicht, als es nach dem Scheitern von Jamaika und dem Weglaufen der FDP eine neue Lage gab. Das macht mir ehrlicherweise Sorge, weil da eine Kompromisslosigkeit sichtbar wird, die dazu führt, dass selbst Parteien der Mitte kaum mehr miteinander regieren können. Das ist für die Demokratie in Deutschland ein schwieriger Befund.

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Das klingt pessimistisch.

Ich weiß nicht, ob das Pessimismus ist. Aber diese offenkundige Kompromisslosigkeit der Positionen macht mir Sorgen. Es gibt insgesamt einen Trend hin zu vermeintlichen Gewissheiten. Mit 20,5 Prozent Wahlergebnis kann ich aber nun mal nicht 100 Prozent des Programms durchsetzen. Bei uns gab es diese Kompromisslosigkeit früher nicht so.

Was können Sie tun, um das zu ändern?

Wir müssen in erster Linie einen guten Koalitionsvertrag aushandeln. Und viel miteinander reden.

Sie haben ja heute miteinander geredet. Und die Debatte lief eigentlich bemerkenswert sachlich, ehrlich und leidenschaftlich ab.

Und ich glaube, dass sie wirklich etwas bewirkt hat. Konkret: Ohne die Debatte hätte es kein “Ja” gegeben. Da haben sich einige doch noch auf Argumente eingelassen.

Würde es helfen, radikale Ansagen wie die Absage an eine Große Koalition künftig eher zu vermeiden? Sich mehr Spielraum zu erhalten?

Ich bin vor der Bundestagswahl oft gefragt worden, ob wir eine Große Koalition ausschließen. Ich war immer dagegen, weil das dazu führen kann, dass es keine regierungsfähige Koalitionsoption mehr gibt. Das sehen wir ja jetzt.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Mitgliedervotum wird noch einmal extrem kritisch. Da haben wir aber noch mehr Zeit, um zu erklären und zu werben. Wichtig wird sein, dass parallel eine Erneuerung beginnt - auch wenn nicht klar geworden ist, was etwa die Jusos eigentlich wollen. Fakt ist: Da scheint es ein gewachsenes Misstrauen zu geben. Das müssen wir sehr ernsthaft aufnehmen. Aber ehrlich gesagt: Ich habe gerade mehr Fragen als Antworten.

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