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Presse zum neuen SPD-Vorsitz: "Für die SPD geht es jetzt ums Überleben"


Presseschau zur neuen Parteispitze
"Für die SPD geht es jetzt ums Überleben"

Von dpa, afp, ds

Aktualisiert am 02.12.2019Lesedauer: 5 Min.
Norbert-Walter Borjans geht nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung zum SPD-Vorsitz im Willy-Brandt-Haus neben Kevin Kühnert.Vergrößern des BildesNorbert-Walter Borjans geht nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung zum SPD-Vorsitz im Willy-Brandt-Haus neben Kevin Kühnert. (Quelle: dpa)
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Nach der Wahl der neuen SPD-Führung ist die Zukunft der Groko ungewisser denn je. Die deutschsprachige Presse erwartet nicht weniger als eine Zeitenwende für die SPD.

Die SPD hat ein neues Führungsduo – und die große Koalition ihre nächste Krise? Noch ist fraglich, ob Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken die SPD tatsächlich aus der Regierung führen wollen. Klar ist nur, dass sich für die Sozialdemokraten ab jetzt alles ändert, kommentiert die deutschsprachige Presse: Es ist von einer Zeitenwende die Rede, aber auch vom letzten großen Bruch. Ein Überblick:

"Kölner Stadt-Anzeiger": "Jetzt ist genau das passiert, was sich viele nicht vorstellen konnten oder wollten. Die führenden Köpfe in der Partei haben sich verrechnet. Der Generalfrust über die große Koalition hat sich im parteiinternen Sieg der Bundestagsabgeordneten Esken und des früheren NRW-Finanzministers Walter-Borjans über Vizekanzler Olaf Scholz und seine Duopartnerin Klara Geywitz entladen. Und das in einem Moment, in dem die Sozialdemokraten mit der Grundrente gerade einen Riesenerfolg in dem Regierungsbündnis erzielt haben. Das ist ein Bruch mit der SPD, wie wir sie bisher kannten."

"Volksstimme" (Magdeburg): "Das Abstimmungsergebnis für das SPD-Führungsduo läutet eine Zeitenwende in der Partei ein, auch wenn der genaue Kurs noch auszuhandeln ist. Erstmals seit dem ersten Kabinett Merkel 2005 werden mit Saskia Esken und Norbert-Walter Borjans ausgesprochene Kritiker der Groko in der SPD das Ruder übernehmen. Vorbei die Zeiten, in denen die Sozialdemokraten schon aus Verantwortung fürs Land mitregierten, selbst wenn das Stimmen kostete. Das Ergebnis ist ein Sieg der Partei-Linken.

Der als aussichtsreichster Kandidat gehandelte Olaf Scholz stand für das linke Lager nicht nur für die Fortsetzung eines "Weiter so" ohne Visionen, ihm fehlt auch jedes Charisma. Weitere Verluste kann sich die SPD mit zuletzt gut 14 Prozent in den Umfragen nicht leisten, will sie nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken. Fürs Land lautet die entscheidende Frage: Wie weiter in der Groko? Die CDU hat schon klargemacht: Einseitige Nachverhandlungen am Koalitionsvertrag wird es nicht geben – die Zeit der Kompromisse scheint vorbei. Die Groko wackelt gewaltig."

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"Neue Zürcher Zeitung": "Die Mitglieder haben sich nun mehrheitlich für eine Neuausrichtung ausgesprochen: für eine entschlossenere Suche nach der Identität der SPD und für eine klarere Abkehr von Angela Merkels Regierungsjahren. Sie zeigen damit jene Konsequenz, welche die Parteiführung in den letzten Jahren scheute. Diese Neuausrichtung führt die SPD noch weiter nach links. Dafür steht das neue Duo an der Spitze.

Die Partei peilt mit diesem Kurs klar eine künftige Dreierkoalition mit den Grünen und der Linkspartei an. Doch dieses Ziel ist noch fern. Nach jüngsten Umfragen kämen die drei Parteien auf 45 Prozent. Die Jamaica-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP hätte rund 52 Prozent. Verabschiedet sich die SPD unter Walter-Borjans und Esken früher oder später von Merkels Bundesregierung, dann dürfte sie eher in der Opposition landen."


t-online.de (Berlin): "Die große Koalition wird nun infrage gestellt – und Kevin Kühnert hatte genau das forciert. Der 30-jährige Juso-Chef schlug sich klar auf die Seite von Esken/Walter-Borjans und wurde so zum Königsmacher. Ohne ihn und die Jusos wäre das Votum wohl anders ausgefallen. Kühnert darf nun auf einen Posten als Partei-Vize hoffen, den er auch anstrebt. Oder wird er Generalsekretär und leitet das Ende von Lars Klingbeil ein? Egal, welcher Posten es wird: Kühnert gewinnt an Macht, an Einfluss und ist nicht nur charismatischer als Esken/Walter-Borjans, sondern auch deutlich jünger. Er ist auf dem Weg, der neue starke Mann in der SPD zu werden. Sofern die Partei bis dahin nicht zu schwach für einen starken Mann ist."

"Neue Westfälische Zeitung" (Bielefeld): "Vor der großen Koalition in Berlin liegt eine spannende Woche. Der Mitgliederentscheid zur neuen SPD-Spitze hat die politische Szenerie in der Bundeshauptstadt wieder lebendig gemacht. Auf der Unionsseite reichen die Urteile von der Machtübernahme der SPD-Linken über die These, die neue Führung sei eine Marionette des Juso-Chefs Kühnert bis zur Mahnung zur Koalitionstreue. Die SPD schwankt zwischen der Forderung nach Ausstieg aus der Koalition und dem Appell an eine konstruktive Arbeit aller Flügel. Mit der Entscheidung für Walter-Borjans/Esken jedenfalls wird die inhaltliche Debatte auf neue Punkte ausgerichtet."

"Hannoversche Allgemeine Zeitung": "Der SPD könnte im Fall rascher Neuwahlen ein tiefer Sturz drohen – nicht nur, weil eine überzeugende Lösung für die Kanzlerkandidatur fehlt. Viele Bürger würden es der SPD übel nehmen, wenn sie die Regierungsverantwortung ohne guten Grund wegwirft. Das käme einer Aufforderung nahe, lieber CDU oder Grüne zu wählen. Esken und Walter-Borjans müssen nun auf das gegnerische Lager zugehen. Die Partei kann sich Partisanenkämpfe nicht leisten. Für die SPD geht es jetzt ums Überleben."

Nürnberger Nachrichten: "Wir werden es künftig mit einer ganz anderen SPD zu tun haben. Olaf Scholz muss sich fragen lassen, ob er allen Ernstes weiterhin der wichtigste SPD-Politiker der Republik und Vizekanzler bleiben kann, nachdem er offensichtlich über keine Mehrheit innerhalb seiner Partei verfügt. Seiner politischen Lebensleistung wird das Ergebnis nicht gerecht. Man darf nicht vergessen, dass der oft verspottete Scholz einst für die SPD in Hamburg auf sensationelle Weise die absolute Mehrheit geholt hat."

"Der Standard" (Wien): "Die Zukunft der SPD liegt nun in den Händen eines Duos, das das "Weiter so" bei den deutschen Sozialdemokraten beenden will. Die Wahl der unerfahrenen SPD-Linken Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zum Führungsduo ist ein klares Misstrauensvotum gegen die große Koalition, gegen Vizekanzler Olaf Scholz, gegen die Parteiführung der letzten Jahre. Bedeutet die SPD-interne Entscheidung also konsequenterweise auch das Ende der großen Koalition in Deutschland?

Vermutlich nicht, denn das käme für beide Koalitionsparteien einem politischen Amoklauf gleich. Die Union befindet sich derzeit mit der Diskussion um Spitzenkandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer in einer ähnlich strukturellen Krise wie der Juniorpartner. Von einer vorgezogenen Wahl würden links vor allem die Grünen und die Linken und rechts massiv die neu aufgestellte AfD profitieren. Die SPD wäre besser beraten, die Schwäche der Union für sozialpolitische Kompromisse à la Grundrente zu nutzen. Der Zeitpunkt ist günstig, Neuwahlen hingegen wären angesichts des Vormarschs der Rechten fahrlässig."


"Tages-Anzeiger"
(Zürich): "Mit Walter-Borjans und Esken taumelt die SPD nun weitgehend strategielos einem Bruch mit der Regierung entgegen, auf den früher oder später Neuwahlen folgen werden. Wie sie mit dem farblosen neuen Spitzenpaar im Wahlkampf bestehen will, weiß niemand. Das Problem liegt auf der Hand: Wie will die SPD Wähler um Vertrauen bitten, nachdem sie gerade ohne guten Grund ihre Regierungsverantwortung weggeworfen hat? Wie will sie glaubwürdig die Führungsrolle im linken Lager beanspruchen, wenn sie im Wettbewerb mit den Grünen ihren derzeit einzigen Vorteil schlechtredet – nämlich dass sie als Regierungspartei über Jahre sozialdemokratisch geprägte Gesetze im Akkord gefertigt hat?"

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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