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Wahl zum AfD-Fraktionsvorsitz: Alice Weidel kommt nochmal davon


Wahl zum AfD-Fraktionsvorsitz
Alice Weidel kommt nochmal davon

  • Annika Leister
Von Annika Leister

30.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Alice Weidel: Sie wird nach heftigen Querelen erneut Co-Fraktionsvorsitzende.Vergrößern des Bildes
Alice Weidel: Sie wird nach heftigen Querelen erneut Co-Fraktionsvorsitzende. (Quelle: IPON/imago-images-bilder)

Alice Weidel wird erneut die AfD-Fraktion im Bundestag anführen. Der Widerstand gegen sie war groß, durchsetzen konnten sich ihre Gegner aber nicht – dank eines Rettungsankers aus Sachsen.

Zwei Tage Hängepartie sind vorbei, heftige Kämpfe im Plenarsaal vorerst beendet: Die AfD hat ihre neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt. Die Gewinner verkündeten das Ergebnis am Donnerstagabend selbst vor den wartenden Kameras: Alice Weidel und Tino Chrupalla, das Spitzenduo aus dem Wahlkampf, wird in den kommenden zwei Jahren auch die Fraktion anführen. Alexander Gauland, das Urgestein der AfD, der bisher Co-Vorsitzender der Fraktion war, wird als Ehrenvorsitzender Teil des Vorstands bleiben.

Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit sei die neue Doppelspitze gewählt worden, sagt Chrupalla, als sei es ein großer Erfolg. Das bedeutet: ein Drittel hat gegen sie gestimmt. Kein Grund zur großen Freude, eher ein mäßiges Ergebnis. Vor allem Alice Weidel aber dürfte nun aufatmen. Denn dass die 42-Jährige nach vier Jahren erneut an die Fraktionsspitze gewählt wird, galt als ungewiss.

Die 42-jährige Ökonomin aus Baden-Württemberg ist an der Basis zwar beliebt. Für ihre scharfen Reden im Bundestag wird sie von vielen gefeiert, nach Wahlkampfauftritten versammelt sie regelmäßig die meisten Fans um sich. Ein Selfie mit Alice – das wollen viele AfD-Wähler. Über die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl stimmte im Mai die Basis ab, insgesamt mehr als 14.000 Parteimitglieder. Weidel erhielt im Duo mit Tino Chrupalla 71 Prozent Zustimmung.

Die Kritik: Zu faul, zu unorganisiert, von Führung keine Spur

Die Basis ist aber nicht die Fraktion. Bei Teilen der Abgeordneten, die im Bundestag besonders eng mit Weidel zusammenarbeiten müssen, ist Weidel keineswegs beliebt. Ihre Kritiker finden sich dabei sowohl im eher konservativen als auch im rechtsextremen Lager. Oft wird als Hauptpunkt für die Ablehnung von Weidel genannt: Sie sei zu faul, zu unorganisiert, von Führung könne nicht die Rede sein.

Tino Chrupalla erfährt wesentlich mehr Rückhalt. Der Sachse hat unter den Extremen in der Partei ohnehin ein gutes Standing. Im Wahlkampf trat er zwar gemäßigt auf, er kommt aber aus einem der radikalsten und erfolgreichsten Landesverbände. Zehn von 16 Direktmandaten holte die AfD in seinem Bundesland – so erfolgreich war die Partei sonst nirgendwo.

Selbst Gemäßigte sagen: Chrupalla, der auch stellvertretender Parteivorsitzender ist, sei im Wahlkampf fleißig gewesen, er habe Dutzende Wahlkampfveranstaltungen bundesweit abgerissen und einen guten Job gemacht. Weidel hingegen habe sich kaum bemüht.

Protest gegen "Friss oder stirb"-Prinzip

Weidel und Chrupalla traten am Donnerstag auch für den Fraktionsvorsitz im Duo an, gewählt werden konnten sie nur gemeinsam. Für Weidel-Kritiker galt also das Prinzip: Wählt ihr Chrupalla, kriegt ihr Weidel unweigerlich mit dazu. Chrupalla bestätigte das Duo in den Tagen vor der konstituierenden Sitzung mehrfach. Er und Weidel hätten im Wahlkampf gut zusammengearbeitet, befand der ehemalige Malermeister. So solle es weitergehen.

Unter den 83 AfD-Abgeordneten, von denen mehr als 20 ganz neu in den Bundestag einziehen, weckte die "Friss oder stirb"-Taktik allerdings vor der Sitzung Widerstand – vor allem unter den Weidel-Kritikern. In Whatsapp-Chats machten sie mobil, versuchten Mehrheiten gegen Weidel zu organisieren.

Mit Martin Renner und Dirk Spaniel reichten zwei Abgeordnete außerdem ein Papier zur Änderung der Arbeitsordnung in der Fraktion ein, das unter anderem die Duo-Wahl verhindern sollte: Der "undemokratische Passus" zur gemeinsamen Wahl solle gestrichen werden, heißt es darin, wie "Spiegel Online" berichtete. Kandidaten für den Fraktionsvorstand sollten stattdessen einzeln und in getrennten Wahlgängen antreten müssen. Das hätte Kritikern die Chance eröffnet, Weidel auszubooten, ohne Chrupalla zu verlieren.

Und noch einen Schritt weiter wollten die Antragsteller gehen: Nur noch eine Person solle an der Spitze der Fraktion stehen, forderten sie. Eine "Identifikationsfigur", hinter der man sich vereinen könne.

Zoff auf offener Bühne

Nur noch eine Person an der Spitze? Das Prinzip gilt für die AfD als untauglich, muss sie doch sehr unterschiedliche Lager repräsentieren und sehr verschiedene Wählerschaften ansprechen: die extremen und die erzkonservativen Abgeordneten sowie die Wähler in Ost und West. Eine Abkehr von der Doppelspitze wurde von der Fraktion wenig überraschend abgelehnt.

Der Protest gegen die Duo-Wahl aber hat prominente Unterstützer: Der Co-Parteivorsitzende Jörg Meuthen, der allerdings nicht im Bundestag sitzt, sprach sich bereits am Montag für einzelne Wahlgänge aus – bei einer Pressekonferenz, bei der Meuthen und Weidel sich auf offener Bühne zofften.

Unterstützung für die Duo-Wahl kam dagegen vom scheidenden Vorsitzenden Alexander Gauland, der die Fraktion seit 2017 mit Weidel gemeinsam führt. Er betonte, er habe mit Weidel sehr gut zusammengearbeitet. Und Gaulands Einfluss in der Fraktion ist groß.

Am Ende fand so auch der Protest gegen die "Friss oder stirb"-Taktik nicht die nötige Mehrheit. An der Spitze stehen also weiterhin zwei Vorsitzende, die auch im Duo gewählt werden. Weidel ist damit sicher, gerettet in den Fraktionsvorsitz hinein. Da es keine Einzelergebnisse gibt, lässt sich nicht einmal ausmachen, wie viel schlechter sie im Kurs bei den Abgeordneten im Vergleich zu Chrupalla steht.

Tiefer Kratzer für Weidel

In der öffentlichen Wahrnehmung aber wird ein Kratzer bleiben und für Kritiker die Möglichkeit einer Erzählung, die Weidel in Zukunft weiter schwächen kann: Geschafft hat Weidel es in dieser Erzählung nur dank eines Rettungsankers namens Chrupalla.

Der betont beim Pressestatement am Donnerstagabend: Es gelte, in den nächsten vier Jahren eine Vision zu entwickeln, die die AfD aus der Opposition in die Regierung führe. Gerade in Sachsen und Thüringen habe die Partei stark abgeschnitten, besonders im ländlichen Raum habe sie Unterstützer gewonnen – auch thematisch gelte es jetzt, diesen Wählerauftrag umzusetzen.

Verwendete Quellen
  • Pressestatement der AfD nach der konstituierenden Sitzung
  • Pressekonferenz am Montag
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