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CDU-Neuaufstellung: "Sehe nicht, dass Merz der Liebling der Mitglieder ist"


Neuaufstellung der CDU
"Diese Gesäß-Geografie geht mir auf den Keks"

InterviewVon Sebastian Späth

Aktualisiert am 07.11.2021Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Norbert Röttgen und Friedrich Merz: Die beiden CDU gelten als Favoriten für die neue Parteispitze.Vergrößern des Bildes
Norbert Röttgen und Friedrich Merz: Die beiden CDU gelten als Favoriten für die neue Parteispitze. (Quelle: T-Online-bilder)

Seit Samstag können CDU-Mitglieder ihre Kandidatur für den Chefposten der Partei bekannt geben. Die CDU-Nachwuchspolitiker Caroline Bosbach und Kai Whittaker diskutieren im Interview über die Ausrichtung der Partei.

Merz oder Röttgen? Links oder rechts? Modernisieren oder Profil schärfen? Nach dem historischen Debakel bei der Bundestagswahl steht bei der CDU alles auf Erneuerung. Es geht darum, wohin die Partei steuern soll und wer sie steuert. Die CDU nimmt nun schon den dritten Anlauf, um die Nachfolge von Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel zu klären. Seit Samstag können Parteimitglieder ihre Bewerbung um den CDU-Vorsitz bekannt geben. Friedrich Merz hat bereits öffentlich Interesse bekundet. Der neue CDU-Chef oder die Chefin soll die Partei erneuern, die Mitglieder versöhnen und der CDU wieder eine Richtung geben.

Im Interview mit t-online diskutieren die CDU-Politiker Caroline Bosbach und Kai Whittaker über die Neuaufstellung ihrer Partei. Caroline Bosbach, 31, Tochter von CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach ist politische Referentin für die CDU-Fraktion in Wiesbaden und Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrats der CDU. Sie gilt als Vertreterin eines konservativen Kurses. Bosbach hat eine eigene Kolumne auf der Kampagnen-Organisation "The Republic", die gegründet wurde, um konservative Anliegen prominent in der Öffentlichkeit zu platzieren.

Kai Whittaker, 36, ist Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg und plädiert dafür, den von Merkel eingeschlagenen Kurs der Mitte fortzusetzen. Bei der Kandidatenfrage vor der Bundestagswahl hatte Whittaker sich für CSU-Chef Markus Söder ausgesprochen.

t-online: Frau Bosbach, Herr Whittaker, die Union hat bei der vergangenen Bundestagswahl ihr bisher schlechtestes Ergebnis eingefahren und sich jetzt der Erneuerung verschrieben. Fällt so eine Erneuerung einer konservativen Partei wie der CDU besonders schwer?

Kai Whittaker: Im Gegenteil. Es ist wie bei einem Haus. Man braucht ein gutes Fundament, im Falle der Union sind das die Werte, auf denen die Partei steht. Aber man muss ein Haus auch renovieren und manchmal sogar umbauen, damit es erhalten bleibt. Wenn man das nicht tut, um bei diesem Bild zu bleiben, dann verfällt das Haus und ist irgendwann wertlos. Dasselbe gilt für die CDU. Insofern finde ich, gerade eine konservative Partei hat die Aufgabe, sich permanent zu erneuern. Damit sie überhaupt die Chance hat, die Werte zu bewahren, die sie für wichtig erachtet.

Caroline Bosbach: Ich finde diese Konservatismus-Debatte, die jetzt wieder eröffnet worden ist, nicht wirklich zielführend. Ich werde so oft gefragt, warum ich will, dass die Union konservativer wird. Mir geht es aber um was ganz anderes. Nämlich darum, dass wir uns mit Themen beschäftigen, die den Menschen wichtig sind. Die eine echte Bedeutung haben für das Leben der Bürger, Unternehmer und Familien. Außerdem brauchen wir eine personelle Verjüngung. Ob mit Männern oder Frauen, ist mir egal. Hauptsache kompetent und aufrichtig, Personen mit klaren inhaltlichen Vorstellungen und der Fähigkeit zur deutlichen Abgrenzung nach rechts und links.

Whittaker: Mir geht die Debatte, ob wir weiter nach rechts rücken müssen, oder schon zu weit links sind, diese Gesäß-Geografie, auch auf den Keks. Wir müssen da sein, wo die Menschen sind.

Aber die Suche nach dem neuen CDU-Chef ist doch geknüpft an die Frage, ob die Partei nach rechts rückt oder sich weiter nach links öffnet. Sonst würde sich Norbert Röttgen doch nicht so klar in Abgrenzung zu Friedrich Merz positionieren.

Bosbach: Für mich ist die Frage, wer neuer CDU-Chef wird, an Themen geknüpft: Wie stärken wir die Leistungsträger unserer Gesellschaft? Wie gehen wir mit dem Thema Migration um? Wie stemmen wir das Monster-Thema unserer Zeit, die Energiewende, damit unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt? Das sind doch eigentlich Kernbereiche der Union. Nur: Wirtschaftskompetenz attestiert man uns kaum noch.

Norbert Röttgen will die CDU als Partei der "modernen Mitte" positionieren. Was ist darunter zu verstehen – und gehen Sie diesen Kurs mit?

Whittaker: Ich finde den Begriff richtig. Bislang haben wir immer gesagt, wir sind "Die Mitte". Nach der letzten Bundestagswahl müssen wir uns aber eingestehen, die komplette Mitte der Gesellschaft repräsentieren wir nicht mehr. Das heißt, wir müssen uns diesen Platz neu erkämpfen – und das unter der Parole "moderne Mitte" zu versuchen, finde ich gut.

Bosbach: Ob der sogenannte Mitte-Kurs unter Angela Merkel wirklich zum Erfolg geführt hat, bezweifle ich. Klar, man muss anerkennen, Deutschland steht gut da, vor allem auch bezüglich unseres Sozialstaatsniveaus und unserer Rechtsstaatlichkeit. Aber wir haben mit jeder Bundestagswahl in den letzten 16 Jahren deutliche Verluste eingefahren. Und wir haben auch Unzufriedenheit und Unruhe in der Partei, aufgrund der offenen Frage, wer wir eigentlich sind und wer wir sein wollen. Deshalb würde ich hinter den "Moderne-Mitte"-Kurs, unter dem man sich alles und nichts vorstellen kann, ein großes Fragezeichen setzen. Weil wir kaum Wähler überzeugen können, wenn wir sagen, "moderne Mitte" heißt, wir machen alles, sind für alles da. Wir brauchen wieder Kernkompetenzen, Alleinstellungsmerkmale, Prinzipientreue.

Es gibt Kollegen von Ihnen, die warnen, mit CDU pur ließe sich keine Wahl gewinnen, so wie Ole von Beust, Hamburgs ehemaliger regierender Bürgermeister. Das gelte insbesondere für große Städte.

Bosbach: Haben wir denn mit unserer jetzigen Programmatik glorreiche Ergebnisse eingefahren?

Whittaker: Da möchte ich Ihnen wirklich widersprechen, Frau Bosbach. Ich sehe nicht, dass der Mitte-Kurs erfolglos war. Im Gegenteil: Wir haben 2013 damit einen grandiosen Wahlerfolg eingefahren. Und erst vor Kurzem haben wir bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen viele Städte gewonnen. Außerdem finde ich, dass man als Volkspartei schon in allen Bereichen gute Konzepte haben muss. Die kann man natürlich nicht alle auf ein Wahlplakat packen, da geben ich Ihnen recht. Deshalb braucht es erkennbare Prinzipien, wofür die CDU steht. Was uns zum Verhängnis wurde, war aber nicht der Mitte-Kurs, sondern dass wir eine Partei geworden sind, in der sich führende Mitglieder in den letzten Jahren nur noch Gedanken über Posten gemacht haben, anstatt sich um Themen zu kümmern.

Friedrich Merz gilt als Kandidat der Basis, als deren klarer Favorit. Nur weiß man, dass die CDU-Mitglieder klassischerweise weitaus konservativer sind als die Wähler Ihrer Partei. Was bedeutet das für die anstehende Wahl des CDU-Chefs?

Whittaker: Dass die Mitglieder jetzt eine große Verantwortung haben. Dass sie einen Parteichef wählen sollten, der uns nicht nur intern gefällt, sondern auch bei den Wählerinnen und Wählern ankommt. Wir brauchen volle Marktplätze. Und noch eins: Wir dürfen jetzt keinen Übergangskandidaten wählen, sonst wäre die Instabilität schon wieder vorprogrammiert.

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Da sprechen Sie einen entscheidenden Punkt an: Friedrich Merz wird in diesem Monat 66 Jahre alt, er wäre 69 bei der nächsten Bundestagswahl. Da bei der Union traditionsgemäß Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in eine Hand gehören, macht ihn das automatisch zu einem Übergangskandidaten. Es sei denn, die Union wünscht sich einen neuen Konrad Adenauer. Der war zum Zeitpunkt seiner Wahl zum Bundeskanzler 73 Jahre alt. Oder verabschieden Sie sich als CDU von Ihrem "Alles-in-einer-Hand-Prinzip"?

Whittaker: Ich kann nicht ganz mitgehen, dass Sie Adenauer und Merz gleichsetzen, zwischen beiden liegen für mich Welten. Es ist doch ganz klar, wir wählen zwar keinen Kanzlerkandidaten, trotzdem muss der Parteivorsitzende bis zur nächsten Bundestagswahl Autorität ausstrahlen und die Partei reformieren können. Und eine Lektion haben wir aus der vergangenen Wahl ja gelernt: Am Ende muss derjenige Kanzlerkandidat werden, der auch die größten Chancen hat, eine Wahl zu gewinnen. Wenn wir jetzt einen CDU-Chef wählen, der Zweifel aufwirft, ob das mit der Kanzlerkandidatur vom Alter her in ein paar Jahren noch klappt, fände ich das nicht den besten Start für eine Neuaufstellung. Und eins muss mal klargestellt werden: Ich sehe nicht, dass Friedrich Merz der Liebling der Mitglieder ist. Es gibt keine einzige Umfrage zur Beliebtheit der Anwärter für den Parteivorsitz, die ausschließlich unter CDU-Mitgliedern durchgeführt wurde.

Wie sehen Sie das, Frau Bosbach? Sollen die Mitglieder vernünftig entscheiden, wie Kai Whittaker mahnt, oder aus Überzeugung?

Bosbach: Klar, haben wir eine Verantwortung nach außen, gegenüber den Wählern. Jetzt muss es aber erst mal um uns selbst gehen als Partei. Wir sind durch interne Grabenkämpfe schwer beschädigt. Wir müssen uns jetzt um uns selbst kümmern. Einfach mal aufräumen, dann können wir auch wieder Wahlen gewinnen. Wir sollten jetzt bei der anstehenden Entscheidung über den Parteivorsitz nicht den Fehler machen, den zweiten Schritt vor dem ersten gehen zu wollen.

Es braucht also einen Versöhner?

Bosbach: Wer soll das sein? Wer soll diese Fähigkeit haben? Wenn ich bedenke, wie tief die Grabenkämpfe in der Union aktuell sind, bin ich mir nicht sicher, ob wir die Partei allein durch einen neuen Vorsitzenden wieder so zusammenführen können, dass alle Mitglieder an einem Strang ziehen. Von dem Gedanken, dass wir uns jetzt alle wieder versöhnen und vereinen und die CDU dann wie ein Phönix aus der Asche aufsteigt, würde ich mich erst mal verabschieden.

Sind Sie genauso pessimistisch, Herr Whittaker?

Whittaker: Es wird sicher nicht leicht.

Dass der nächste CDU-Chef jetzt anders als früher von den Mitgliedern direkt gewählt werden soll, ist ja ein erster Versuch, die von Ihnen angesprochene Spaltung zwischen CDU-Führung und Basis wieder zu schließen. Wie kam es überhaupt zu diesem Spalt, ist das inzwischen aufgearbeitet?

Bosbach: Wir haben den Anspruch Volkspartei zu sein, und leben das auch. Das heißt, was wir in den vergangenen Jahren zunehmend in der Gesellschaft insgesamt erleben, eine Zerfaserung, das erfahren wir gerade auch als Partei. Der zweite Grund ist, das habe ich bereits gesagt, der sogenannte Mitte-Kurs der letzten Jahre, dass wir uns auch weit nach links geöffnet haben und versucht haben, Themen abzugreifen, die traditionellerweise eher dem linken Spektrum zuzuordnen sind.

Whittaker: Das sehe ich nicht so. Ich glaube, dass die Veränderungen in der Welt schneller gekommen sind, größer waren, als wir das in der Mitgliederbasis wahrhaben wollten, weil eben unsere Mitgliederbasis nicht repräsentativ ist für die Bevölkerung dieses Landes. Sie ist relativ alt, meist männlich und recht homogen. Natürlich kommen dann Veränderungsprozesse später an, deshalb wurde nicht die Notwendigkeit gesehen, eine weiterentwickelte Politik zu machen. Daher kommt die Spaltung. Ansonsten muss ich sagen, es ist noch nicht aufgearbeitet, wie es sein kann, dass Gremien komplett entgegen der Gefühlslage einer Parteibasis entscheiden. Das wird die Aufgabe sein des neu gewählten Bundesvorstandes: sich zu überlegen, wie er besser im Austausch stehen kann mit der Parteibasis. Ich erwarte vom neuen Präsidium, dass seine Mitglieder mehr Präsenz zeigen, und zwar nicht nur bei Landesparteitagen, sondern auch in den Kreisverbänden. Das ist nicht allein die Aufgabe eines Vorsitzenden.

Frau Bosbach, Herr Whittaker, vielen Dank für das Gespräch.

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