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Machtkampf: Plan für Betriebsrat versetzt AfD in helle Aufregung


Machtkampf in der Fraktion
Plan für Betriebsrat versetzt AfD in helle Aufregung


Aktualisiert am 28.04.2022Lesedauer: 4 Min.
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AfD-Fraktion: In den Fraktionssaal im Reichstag ist zur Gründung eines Betriebsrats eingeladen. Das ist mehr als eine Personalangelegenheit.Vergrößern des Bildes
AfD-Fraktion: In den Fraktionssaal im Reichstag ist zur Gründung eines Betriebsrats eingeladen. Das ist mehr als eine Personalangelegenheit. (Quelle: imago-images-bilder)

Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion streben heute die Gründung eines Betriebsrats an. Von Angst um den Job bei Kritik ist die Rede. Gerungen wird dabei auch um die Macht.

Im Fraktionssaal der AfD im Reichstag geht es öfter mal hoch her. An diesem Donnerstag ist er ab 15 Uhr für eine Sitzung reserviert, die die Machtverhältnisse verschieben könnte: Eingeladen ist zur Gründung eines Betriebsrats. Die Personalsache ist zwei Monate vor dem Bundesparteitag mit Neuwahlen im sächsischen Riesa brisant. Es geht um mehr als um eine Mitarbeitervertretung und die Frage, ob es überhaupt einen Betriebsrat geben kann, es dreht sich um Macht in der Partei.

Unter den Beschäftigten der Fraktion gärt es schon länger. Der Ausgang der Bundestagswahl bedeutete Existenzangst für einige, denn mit dem Ergebnis ist auch die AfD-Fraktion geschrumpft. Nun bekommt sie weniger Geld. Das hieß Personalabbau. Rund jeder Vierte musste gehen, mehr als zwei Dutzend Trennungen gab es und für manche eine Weiterbeschäftigung mit Jahresvertrag.

Zugleich habe sich der Fraktionsvorstand aber gut dotierte Referentenstellen gegönnt, besetzt zum Teil von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dessen Umfeld. Vom früheren Leiter Finanzen, der Chaos vorgefunden hatte und auch nach Ansicht Außenstehender einen Augiasstall erfolgreich ausgemistet hat, heißt es dagegen, dass er angesichts der angebotenen Konditionen kopfschüttelnd den Dienst quittiert habe. Der Nachfolger kommt aus der Bundesgeschäftsstelle.

"Mut zum Jobverlust"

Verabschieden musste sich der Social-Media-Verantwortliche. Unter ihm war die AfD-Fraktion – mit manchmal fragwürdigen Methoden – auf Facebook & Co. unbestritten erfolgreich. Von ihm und vom früheren Leiter des Fraktionsdienstes heißt es, sie hätten zu offensiv Vorstandsideen hinterfragt.

Es ging darum, nicht aus Gefälligkeit Personal einsetzen zu wollen, das für die Aufgaben wenig qualifiziert ist. Außerdem hätten sie Kritik an Entwicklungen geübt, dafür sei ihnen fehlende Loyalität vorgeworfen worden. "Mut zur Wahrheit" bedeute in der AfD-Fraktion "Mut zum Jobverlust", sagt einer aus dem Kreis der Mitarbeiter. Kritik werde als persönlicher Angriff verstanden. Ein Betriebsrat soll da mehr Sicherheit geben. Zuerst hat die "Süddeutsche Zeitung" von dem Vorhaben berichtet.

Der geschasste Leiter des Fraktionsdienstes war außerdem Sprecher eines Vertrauensgremiums. Das Gremium hatte sich gegen Ende der letzten Legislaturperiode nach zähen Auseinandersetzungen formiert, um mehr Einfluss zu haben. Einen Betriebsrat, den andere Fraktionen längst haben, hatte zunächst niemand ernsthaft für nötig gehalten: Bei der jungen Partei AfD wollte man nicht alte Wege gehen.

Arbeit für die "richtigen" Abgeordneten

Doch dann kamen nach der Wahl 2021 immer mehr Fragen auf, warum wer gehen muss, warum wer viel verdient und andere mit gleicher oder höherer Qualifikation weniger verdienen. Auf diese Fragen geben unzufriedene Mitarbeiter und verärgerte Mandatsträger die folgende Antwort: Wer nicht für die "richtigen" Abgeordneten arbeitet, hatte und hat schlechte Karten.

Und die "richtigen" sind der Fraktionsvorstand mit Parteichef Tino Chrupalla, mit Alice Weidel und mit Leif-Erik Holm, dem Zuständigen für das Personal. Mit der Bundestagswahl und der Neuaufstellung habe sich das Personaltableau noch mehr in deren Richtung verschoben, "die haben eher profitiert".

Doch es fehle an Erfahrung in den Funktionen: "Wenn keiner profanes 'Lochen, Knicken, Heften' beherrscht, reicht das BWL-Wissen von der Uni nicht", sagt ein Insider. Arbeit werde mehrfach gemacht, staue sich, es komme zu Überforderung, zu einer Wagenburgmentalität und einem Gegeneinander.

Das Vertrauensgremium, das vielleicht vermitteln könnte, kann keine Rolle spielen und hat die Lage eher verschärft: Es wurde diesmal vom Fraktionsvorstand selbst zusammengestellt und den Mitarbeitern vorgesetzt.

Nun ist die geplante Gründung eines Betriebsrats für manche Beschäftigte der AfD-Fraktion der zwangsläufige Weg, Willkür und Gunst des Vorstands in schwieriger Lage nicht völlig ausgeliefert zu sein: Wer die AfD als Arbeitgeber im Lebenslauf stehen hat und nicht gerade Beamter ist, hat es nicht leicht bei der Suche nach einem neuen Job.

In einer Erklärung vom Mittwoch, die offenbar vom Vertrauensgremium kommt und t-online vorliegt, werden die Pläne für eine Betriebsratsgründung ein "Privatkrieg Einzelner" genannt. Die Veranstaltung könne gar keinen Erfolg haben. Es sei schließlich "Fraktionen freigestellt, ob sie Bestimmungen des Personalvertretungsgesetzes oder Betriebsversammlungsgesetzes ganz oder teilweise für sinngemäß anwendbar erklären". Deshalb lädt das Vertrauensgremium zu einer Wahl am 24. Mai ein und bittet um Vertrauen. Die Verwirrung war damit komplett.

Die brisante Seite: Weil ein funktionierender Betriebsrat auch Vorstandspläne durchkreuzen könnte, "kann er natürlich auch politisch instrumentalisiert werden, um dem Fraktionsvorstand etwas entgegenzusetzen", so ein Beteiligter. Deshalb gibt es auch für den Betriebsratsplan insgeheim Unterstützung von manchen Abgeordneten, denen Mitarbeiterbeteiligung sonst eher ein Dorn im Auge ist.

Widerstände gegen Betriebsratsgründung

Einige haben innerparteiliche Ziele und offene Rechnungen. Andere empfinden Unmut, weil sie sich schlicht schlechter behandelt fühlen. Da es regelmäßig zwischen Vorstand und Mitgliedern knirscht, wurde bereits eine Schlichtungskommission eingesetzt. Manche Parlamentarier sind da redselig, solange ihr Name nicht auftaucht.

Dann heißt es auch, der Fraktionsvorstand versuche, die Gründung nach Kräften zu blockieren. Durch die Blume werde Mitarbeitern gesagt, man solle sich bei der Versammlung besser nicht blicken lassen. Unter denen, die dem Vorstand verbunden sind, wird offenbar zugleich für die Sitzung mobilisiert.

Offiziell hört sich das anders an: "Die Fraktionsspitze respektiert das Recht der Fraktionsmitarbeiter, über die Gründung einer Interessenvertretung eigenständig zu entscheiden", erklärt ein Sprecher. Es ist die einzige Antwort trotz etlicher weiterer Fragen: "Darüber hinaus erteilt die Fraktionsführung zu Personalangelegenheiten keine Auskünfte."

Verwendete Quellen
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