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AfD gegen BSW: Weidel oder Wagenknecht? Experte blickt ins Wahljahr 2024


Kolumne "Elder Statesman"
Apokalypse für Deutschland?

  • Uwe Vorkötter
MeinungVon Uwe Vorkötter

16.01.2024Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Alice WeidelVergrößern des Bildes
Hat sie 2024 wirklich so gut lachen? Die AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel bei einer Parteiveranstaltung. (Quelle: Carsten Koall/dpa/dpa-bilder)

Das Jahr 2024 ist politisch so gut wie gelaufen. Sie hören und lesen täglich und überall, wie es ausgehen wird: nicht gut. Aber stimmt das auch?

Erst wird die AfD die Europawahl gewinnen. Dann wird die AfD die Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewinnen. Offen ist noch, ob es ein Sieg wird oder ein Triumph. Man rechnet damit, dass es danach mindestens einen AfD-Ministerpräsidenten geben wird. Die Zahlen seien repräsentativ erhoben worden, melden die Medien. In acht von 16 Bundesländern werden in diesem Jahr auch Gemeinderäte und Bürgermeister gewählt. Ist ja klar, wer die Rathäuser der Republik erobert: die AfD. Also, wir werden unser blaues Wunder erleben; blau ist die Parteifarbe der AfD. Oder gleich den "Durchmarsch", vielleicht schon jetzt das Wort des Jahres 2024.

Das hat sich inzwischen sogar international herumgesprochen. Der britische "Economist", ein besonders seriöses Magazin mit weltweiter Verbreitung und Reputation, hat Alice Weidel bereits als "Blue Queen" tituliert. Alice, die blaue Königin. An ihrer Seite Tino Chrupalla, der Malermeister aus dem einfachen Volk. In Sachsen sind sich die Demoskopen nicht einig, ob die SPD die 5-Prozent-Hürde schafft oder gleich ganz aus dem Landtag fliegt. Würde dann der örtliche Rechtsextremist Jörg Urban die Regierung übernehmen? Oder müsste Prinzgemahl Tino aus Berlin anreisen, um als erster AfD-Ministerpräsident die Republik zu erschüttern?

Abstruse Bündnisse ohne Namen

Besonders clevere Politstrategen haben schon eine Idee, wie das noch zu verhindern sein könnte: durch eine Koalition aus – Achtung! – CDU, Grünen und Linkspartei. Für dieses abstruse Bündnis gibt es bisher nicht einmal einen Namen. "Kenia-Koalition" ist schon besetzt, da steht die SPD für den roten Teil. Ich habe mal nachgeschaut, welche Länder sonst noch Schwarz, Grün und Rot in ihren Flaggen haben: Afghanistan, Libyen und Palästina. Schwierig. So weit der Stand der Apokalypse.

Doch jetzt mal ernsthaft: Wird es so kommen? Nein. Es gibt zu viele Argumente, die dagegensprechen.

Zunächst ein ganz banales: Wahlen gehen nie so aus, wie es die Umfragen neun Monate vorher nahelegen. Im Januar 2021 zum Beispiel stand die SPD bundesweit bei 15 Prozent. Die Republik diskutierte darüber, ob Annalena Baerbock ins Kanzleramt einziehen würde oder Armin Laschet. Im Herbst wurde Olaf Scholz Bundeskanzler. In diesem Jahr werden bei den Wahlen zudem Parteien antreten, die in den Umfragen bisher noch gar nicht auf dem Zettel stehen. Vor allem das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die linke Ikone hat mit den Rechten viel gemeinsam: Beide lehnen Migration und Gendersternchen ab und finden, mit Putin könne man doch mal vernünftig reden.

Eine rote Prinzessin gegen die blaue Königin

Wagenknecht kommt aus dem Osten. Sie ist eine charismatische Persönlichkeit, deren Populismus weniger plump daherkommt als die Parolen der AfD. Eine rote Prinzessin fordert die blaue Königin heraus. Auch Hans-Georg Maaßen hat angekündigt, mit einer eigenen Partei ins Rennen zu gehen. Maaßen, der Vorsitzende der konservativen Werte-Union, ehemaliger Chef des Verfassungsschutzes: für die CDU zu rechts, für die AfD zu klug. Maaßen wird in genau jenen Wählermilieus um Zustimmung werben, um die sich schon Weidel und Wagenknecht streiten. Drei populistische Parteien sind nicht zwangsläufig erfolgreicher als eine.

Die Sozialdemokraten sind übrigens seit Gründung der Bundesrepublik in allen westlichen Bundesländern in den Parlamenten vertreten, seit der deutschen Einheit auch in allen östlichen. So ist es, so wird es auch bleiben. Olaf Scholz kann gar nicht so viel schweigen und Saskia Esken gar nicht so viel reden, als dass ihre Partei in Sachsen (oder Thüringen) komplett scheitern würde. Notfalls wird man im Wahlkampf Lassalle, Bebel und Liebknecht beschwören, die vor mehr als 150 Jahren die große SPD-Tradition begründet haben. In Leipzig. Und in Eisenach. Wir im Osten!

Die CDU wird im aktuellen AfD-Hype ohnehin unterschätzt. Ja, Friedrich Merz hatte angekündigt, er könne die AfD halbieren. Jetzt hat die sich verdoppelt. Das klingt nicht nach einem perfekten Plan. Aber der Vorsprung der Rechten ist keineswegs uneinholbar, und Merz und seine Partei sind ganz ordentlich unterwegs; langsam, aber stetig klettern sie auf der demoskopischen Leiter nach oben. Vor den Landtagswahlen im Osten steht noch die Europawahl im Juni an. Die Lebenserfahrung zeigt, dass bei dieser Wahl gewinnt, wer am heftigsten auf Europa eindrischt. Also die AfD.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche. Nach Stationen in Brüssel, Berlin und Frankfurt lebt Vorkötter wieder in Stuttgart. Aufgewachsen ist er im Ruhrgebiet, wo man das offene Wort schätzt und die Politik nicht einfach den Politikern überlässt.

Aber Vorsicht! Ausgerechnet die Liberalen, die gerade wirklich nicht die Umfragen rocken, präsentieren eine Spitzenkandidatin, der eine Überraschung zuzutrauen ist: Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Zack-Strack-Zimmermann, eine Frau mit Wucht, die Populistin der Mitte. Noch zwei Argumente? Es könnte ja passieren, dass die Koalition in Berlin sich fängt und ein paar wichtige Themen – Haushalt, Zuwanderung, Energiepreise – erfolgreich abräumt. Aber zugegeben, das ist der unwahrscheinlichste Fall.

Wahrscheinlicher ist, dass die AfD an ihrem übelsten Gegner scheitert: an der AfD. An jener Partei, deren Funktionäre sich im tiefbraunen Sumpf suhlen, die mit den Nazis des 21. Jahrhunderts Deportationspläne für Mitbürger diskutieren, deren Eltern oder Großeltern einst als Gastarbeiter zu uns gekommen sind. Weidel und Chrupalla sehen keinerlei Notwendigkeit klarzustellen: Moment mal, das hatten wir doch schon, mit diesem völkischen Gerede fing es doch an. Wisst ihr nicht mehr, wo das endete?

Können Sie sich vorstellen, dass eine Mehrheit der Deutschen, dass die Mitte der Gesellschaft, die Vernünftigen und die Anständigen, also die allermeisten, aus purem Frust über die regierende Ampel-Koalition diese blauen Spießbürger mit braunem Hintergrund wählt?

Ich nicht. AfD, die Apokalypse für Deutschland 2024? Nein, dieser Durchmarsch ist noch nicht durch.

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