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Italienischer Winzer verkauft doch weiter Hitler-Wein


Blendende Geschäfte
Winzer verkauft weiter Hitler-Wein – jetzt kommt Putin dazu

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 01.06.2023Lesedauer: 3 Min.
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Hitler-Wein: Ein italienisches Weingut verkauft auch weiterhin diverse Motive mit verschiedenen Texten .Vergrößern des Bildes
Hitler-Wein: Ein italienisches Weingut macht damit ein gutes Geschäft. (Quelle: Vincenzo Amato/dpa)

Nach vielen Skandalen versprach ein italienischer Winzer, seinen "Hitler-Wein" aus dem Sortiment zu nehmen. Doch das Geschäft brummt weiter. Nun setzt er auch noch auf Putin.

Seit Jahren löst die Sache immer wieder Empörung oder gleich einen Skandal aus: Irgendwer hat mal wieder bei einem italienischen Weingut eine Flasche mit dem Konterfei von Adolf Hitler gekauft und sich damit erwischen lassen. Mal war es die RTL-2-Millionärsfamilie Geissen, aus deren Villa in St. Tropez Bilder mit dem alles andere als edlen Tropfen auftauchten. Dann kosteten Fotos mit den Flaschen eine Politikerin die Mitgliedschaft in der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Nach dem ganzen Ärger sollte es den Wein deshalb seit diesem Jahr nicht mehr geben. Im vergangenen August ging die Nachricht um die Welt, dass das Weingut Linardelli im Friaul nach fast 30 Jahren Schluss macht mit seinem Skandalprodukt. Marketing-Chef Andrea Lunardelli sagte der italienischen Zeitung "La Republicca": "Es reicht, wir sind genervt von all diesen Kontroversen." Das Versprechen: Ab 2023 gibt es keinen "Führer"-Wein mehr.

Angeblich ist die schleppende Firmenübertragung schuld

Doch nun gesteht Lunardelli auf Nachfrage von t-online, was sich angesichts der Internetseite des Unternehmens eh nicht leugnen lässt: Der Wein ist weiter im Verkauf. 36 verschiedene NS-Motive auf den Flaschen finden sich beim Weingut noch. Wie viele Flaschen mit den Etiketten bestückt werden können, ist nicht ersichtlich.

"Ich hoffe, die letzte wird 2024 verkauft sein", erklärt Lunardelli nun etwas kleinlaut. Die Schuld am gebrochenen Versprechen gibt er vor allem der italienischen Bürokratie. Wie das sein kann? Nun: Der 57-jährige Andrea Lunardelli hatte angekündigt, den Hitler-Wein aus dem Sortiment zu nehmen, sobald er das Weingut von seinem 81-jährigen Vater Allesandro übernommen hat. Doch die Übertragung an die nächste Generation dauert angeblich – und damit ist der unrühmliche Umsatzbringer weiter im Sortiment.

Auf Nachfrage von t-online entschuldigt der Winzer sich: Wegen "der Bürokratie, der Banken und der hohen Steuern ist das Unternehmen noch nicht von meinem Vater auf mich übergegangen." Das werde sich bis 2024 ziehen. Natürlich wolle sein Vater das Weingut schon aus Altersgründen so schnell wie möglich an ihn übergeben.

Das kann man glauben, muss man aber nicht. Fest steht, dass der Hitler-Wein ein kommerzieller Erfolg ist: 12.000 Flaschen würden pro Jahr verkauft, erklärte Lunardelli 2022, das ist mehr als die Hälfte aller Weine aus seiner Linie mit "historischen" Motiven. Zwar hat das Weingut da auch Mussolini, Stalin, Tito oder Karl Marx im Angebot, aber keiner läuft annähernd so gut.

Trotzdem sehen sich die Lunardellis als ganz normale Geschäftsleute, mit Nationalsozialismus habe er nichts am Hut. Untermauern soll das ein Hinweis auf der Homepage: "Dies ist ausschließlich eine kommerzielle Webseite. Wir lehnen jegliche politische Propaganda ab.“ Rund um den Verkauf des Hitler-Weins hat das Weingut auch drei Prozesse gewonnen.

Neu im Sortiment: Flaschen mit Putin drauf

In Deutschland oder Österreich ist der Verkauf allerdings nicht erlaubt. In Österreich gab es im April mehrere Verhandlungen gegen Käufer, die ihren Hitler-Wein zu offensichtlich präsentiert hatten. Das ist dort eine Straftat nach dem Verbotsgesetz. In Deutschland gelten Hitler-Konterfeis als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags 2021 festhielt. Schließlich wurden entsprechende Bilder während des Nationalsozialismus massenhaft als Symbol der NSDAP und des NS-Staats verwendet.

Der private Besitz ist allerdings erlaubt, nur die Zurschaustellung nicht. 2016 gab es bei einem Augsburger Wirt eine Razzia, weil im Gastraum vier Flaschen des italienischen "Führer"-Weins standen. Manche seiner Käufer, räumt Lunardelli im Gespräch mit t-online ein, seien durchaus Sympathisanten der Ideologie, andere "Rebellen", viele kauften aber auch einfach als Sammler oder sähen darin einen Scherz.

Lunardellis Hinweis, dass die Flaschen vermeintlich ohne jeden politischen Hintergedanken verkauft würden, gilt allerdings seit Kurzem bestenfalls eingeschränkt: Der mit einer Ukrainerin liierte Junior-Chef nahm zuletzt eine Flasche mit Putins Konterfei und dem Satz "Wanted – dead not alive" (Gesucht – tot, nicht lebendig) ins Sortiment.

Bei der unmissverständlichen Putin-Flasche habe er vorher lange überlegt, erzählt er, sich dann aber gefragt: "Wovor sollte ich Angst haben? Dann sollte ich auch Angst haben, zu denken, denn ich drücke nur aus, was ich denke: Tod allen Diktatoren." Andere Lösungen, um den Terror zu beenden, den sie anrichteten, seien "objektiv unmöglich". Das zeige die Geschichte.

Verwendete Quellen
  • Anfrage beim Weingut Lunardelli
  • vinilunardelli.com
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