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Auf 1000 Metern Höhe: Belgier wird freiwillig zum Einsiedle


Auf 1000 Metern Höhe
Dieser Mann wird freiwillig zum Einsiedler

dpa, Matthias Röder

30.04.2017Lesedauer: 3 Min.
Dieser Mann wird freiwillig zum EinsiedlerVergrößern des BildesZur Einsiedelei gehört eine kleine Kapelle. (Quelle: dpa-bilder)
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Per Stellenanzeige suchte das österreichische Saalfelden nach einem Einsiedler für eine Jahrhunderte alte Klause. Jetzt zieht ein Belgier in die Eremitage ein.

Es bleibt auch im Sommer oft sehr kühl, elektrisches Licht fehlt, und das Wasserholen ist mit einem 20-minütigen Gang ins Tal verbunden. Für den 58-jährigen Belgier Stan Vanuytrecht beginnt ein neuer, eher komfortloser Lebensabschnitt.

Bilderbuchmäßiger Vollbart

Der Diakon und gelernte Vermessungstechniker wird ab Mitte Mai ein Dasein als Einsiedler führen und die Eremitage im österreichischen Saalfelden beziehen. Er freut sich sehr auf das Leben als Einsiedler. "Ich bin bereit", sagte der Mann mit geradezu bilderbuchmäßigem weiß-grauem Vollbart.

Sein neues Zuhause ist eine vor 350 Jahren an den Fels des Palfen gebaute Einsiedelei mit einer benachbarten Kapelle, die dem Heiligen Georg gewidmet ist. Rund 50 Quadratmeter Wohnraum bietet das recht feuchte Gemäuer auf 1000 Metern Seehöhe.

Wanderer sollen Holz für ihn hacken

"Die Kälte ist schon ein Problem", sagt ein Sprecher der Stadt. Deshalb hat die Gemeinde einen Holzstapel am Schloss Lichtenberg rund 15 Minuten unterhalb der Klause errichtet. Dort sind die Wanderer gebeten, für den Einsiedler Holz zu hacken. "Viele bringen Scheite mit nach oben", erzählt ein Sprecher der 17.000-Einwohner-Stadt.

Die profitiert durchaus von der Einsiedelei, die sich seit rund 50 Jahren zu einem Wander- und Pilgerziel entwickelt hat. "Das ist natürlich auch eine gute Werbung für Saalfelden", sagt Bürgermeister Erich Rohrmoser. So richtig einsam dürfte es zumindest tagsüber nicht werden. Darüber ist sich Vanuytrecht im Klaren. "Die Stille am Morgen und am Abend und der intensive Kontakt mit den Besuchern tagsüber sind für mich die ideale Kombination."

Einsiedler mit offenem Ohr

Der hochgewachsene Mann, der in seinem Leben nach eigenen Worten schon einen "totalen psychischen Zusammenbruch" und eine schlimme finanzielle Krise durchgemacht hat, will sich als empathischer Zuhörer etablieren. Er möchte ein offenes Ohr für alle haben, sagt Vanuytrecht, der gut Deutsch spricht und seine Kenntnisse dank Lehrbüchern und der Muße oben in der Einsiedelei noch perfektionieren will.

Denn das Gespräch sei der Dreh- und Angelpunkt des Lebens. "Unsere Gesellschaft hat unbegrenzte Möglichkeiten, um zu kommunizieren. Aber wir haben vergessen, wie wir mit unseren Nachbarn kommunizieren sollen."

Suche per Stellenanzeige

Vanuytrecht hat viele Vorgänger. So haben sich seit dem Jahr 1900 laut einer Liste der Stadt 15 Männer als Einsiedler versucht. Einer hielt es 34 Jahre aus, manche andere brachen nach einem Jahr ab. Zuletzt hatte Saalfeld jedoch Schwierigkeiten einen Nachfolger zu finden. Die Stadt suchte deshalb mit einer Stellenanzeige nach einem Kandidaten, die international Aufsehen erregte.

Niemand muss auf dem Solo-Posten bleiben, die Freiheit zu gehen lockt jeden Morgen. Für Vanuytrecht ist es aber ein Lebensprojekt, wie er versichert. Neben der Erhaltung der Klause und der Betreuung der Kapelle hatten die Einsiedler auf ihrem Ausguck früher vor allem die Aufgabe, in den umliegenden Orten auf einen möglichen Brandausbruch zu achten und dann per Glocke zu alarmieren.

Bekannt durch "Was bin ich?"

Der Einsiedler Karl Kurz öffnete 1967 die Klause für Besucher. Das sprach sich herum. Zwei Jahre später saß der Mann in der TV-Rateshow "Was bin ich?" bei Robert Lembke. Spätestens dadurch wurde aus dem Ort eine Fremdenverkehrsattraktion.

Der Einsiedler Franz Wieneroiter, der gleich dreimal dort oben ein- und wieder auszog, hat seine Erfahrungen in einem Aufsatz zusammengefasst: "Unbrauchbar sind Aussteiger, die sich von der Welt gänzlich zurückziehen wollen, gleich aus welchem Grund. Als Eremit steigt man ein in ein neues, von Einfachheit und Offenheit vorgezeigtes Leben."

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