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Stau: Wie Deutschland den Verkehrskollaps noch vermeiden kann


Immer mehr Staus
Wie Deutschland den Verkehrskollaps noch vermeiden kann

Julian Moering

Aktualisiert am 02.08.2014Lesedauer: 4 Min.
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Der Lkw-Verkehr wird in Deutschland bis zum Jahr 2030 stark zunehmen.Vergrößern des Bildes
Der Lkw-Verkehr wird in Deutschland bis zum Jahr 2030 stark zunehmen. (Quelle: dpa-bilder)

Die gute Nachricht zuerst: Das Stau-Problem in Deutschland wird sich von ganz alleine erledigen. Die schlechte: Wir müssen uns noch eine ganze Weile gedulden. Bis 2050 wird der vom statistischen Bundesamt prognostizierte Bevölkerungsschwund von 80 auf 69 Millionen Menschen dafür sorgen, dass auch die Anzahl der Fahrzeuge auf ein unkritisches Maß sinkt. Die mittelfristige Prognose aber sieht erschreckend aus.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur richtet seine Vorhersagen am Jahr 2030 aus und erwartet bis dahin einen Anstieg des Pkw-Verkehrs um zehn Prozent und - was noch kritischer ist - einen Anstieg des Lkw-Verkehrs um 39 Prozent. Bei diesen Zahlen stellt sich die Frage: Was muss sich auf Deutschlands Straßen ändern, damit unsere mobile Zukunft nicht im Mega-Stau endet? t-online.de hat mit drei Experten gesprochen, die jeweils einen unterschiedlichen Ansatz verfolgen.

Besserer Verkehrsfluss durch automatisiertes Fahren

Eine Lösung für das Problem ist dabei das sogenannte "automatisierte Fahren". Hierbei übernimmt das Fahrzeug eine Vielzahl der Aufgaben des Fahrers, wie zum Beispiel das Lenken, Bremsen und Beschleunigen. Dr. Martin Lauer, Experte für automatisiertes Fahren am Karlsruher Institut für Technologie, ist überzeugt davon, dass dieses System einen großen Teil dazu beitragen kann, Staus in Zukunft zu mindern.

"Durch automatisiertes Fahren wird der Verkehrsfluss erhöht. Die Fahrzeuge können sich besser untereinander abstimmen, als wenn der Mensch die Entscheidungen trifft", sagt Lauer. "Ein Auto kann die anderen über Funk zum Beispiel vorwarnen, dass es jetzt bremst. Die Fahrzeuge dahinter können dann entsprechend reagieren." Damit wäre ein gleichzeitiges kollektives Bremsen möglich und "Kolonnen auf der Autobahn können stabil gehalten werden. Das minimiert die Wahrscheinlichkeit eines Staus."

Die Chance auf Akzeptanz für solch ein System beim Kunden hält Lauer für sehr groß. "Natürlich gibt es Fahrer, die wollen in jeder Situation Herr über alle Systeme sein oder einfach nur schnell fahren. Aber die Mehrzahl will entspannt am Ziel ankommen." Außerdem werde der Fahrer durch die Technik ja nicht entmündigt, denn die "letzte Entscheidung, wie und wohin es geht, liegt immer beim Fahrer, der jederzeit eingreifen kann."

Der Weg zum automatisierten Fahren sei jedoch ein "schleichender Prozess". Der Automatisierungsgrad werde sukzessive zunehmen. Schon jetzt gibt es Systeme, die das Fahrzeug in niedrigen Geschwindigkeitsbereichen bis 40 km/h - zum Beispiel im Stau - automatisch durch den Verkehr leiten. Die Technik ist laut Lauer bereits heute soweit entwickelt, dass ein Fahren in Reisegeschwindigkeit möglich wäre. "Von Forschungsseite gibt es da nicht mehr viel zu tun, jedoch sind die Hürden bis zur Zulassung bei einem solch sicherheitsrelevanten System sehr hoch." 2030 sei jedoch ein realistischer Zeitpunkt. "Ich gehe davon aus, dass ein solches Auto, das seine Insassen automatisch in Reisegeschwindigkeit ans Ziel bringt, bereits in zehn bis 15 Jahren auf dem Markt sein wird", prognostiziert Lauer.

Lkw-Transport teurer machen

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Dr. Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum für Sozialfoschung in Berlin. Für den Mobilitätsforscher ist automatisiertes Fahren bloß "ein Kurieren am Symptom". Laut Canzler könne man den drohenden Kollaps nur abwenden, indem man den Güterverkehr auf der Straße deutlich effizienter gestalte. "Und das geht nur über den Preis", sagt der 54-Jährige. Demnach müssten Lkw-Transporte deutlich teurer werden, damit überflüssige Fahrten vermieden werden. Damit zwinge man Speditionen zur besseren Planung. "Leerfahrten würde es dann fast nicht mehr geben." Die Erhöhung der Maut sei dabei ein Mittel.

Zudem hält Canzler auch große Stücke auf das Konzept der sogenannten "City-Logistik". Hierbei handelt es sich um eine Bündelung des Güterverkehrs in Ballungsräumen zur Entlastung der städtischen Infrastruktur. Dabei werden rund um einen Ballungsraum Verteilerstationen eingerichtet, wo Waren zusammengefasst und dann mit kleineren Fahrzeugen - wenn möglich elektrisch betrieben - zum Empfänger transportiert werden.

Anstelle der bislang gängigen Devise "gleiche Waren - verschiedene Empfänger" heißt es bei der City-Logistik: "verschiedene Waren - gleiche Empfänger". Ein Beispiel: Ein Lkw, der nur Orangenkisten geladen hat, fährt nicht mehr einzeln jeden Kunden an, sondern liefert seine Ware komplett an der Verteilerstation ab. Dort werden die Orangenkisten auf kleinere Fahrzeuge geladen und zum Kunden gebracht, zusammen mit den Waren, die er sonst noch bestellt hat. Das Konzept gibt es schon länger, eine Umsetzung ist bislang an den hohen Kosten einer Einführung gescheitert.

Das Konsumverhalten bestimmt den Güterverkehr

Effizienz auf der Straße und Reduzierung des Güterverkehrs ist auch für Dr. Prof. Michael Schreckenberg der Schlüssel zum Erfolg. Der Stauforscher von der Universität Duisburg setzt dabei jedoch weder auf Technologie, noch auf Verteuerung. Seine These lautet: "Die Lösung unserer Verkehrsprobleme liegt in unserem Konsumverhalten." Bei den Menschen müsse ein grundlegendes Umdenken bezüglich ihres Konsums stattfinden.

Weg von billiger Massenware, hin zu Produkten aus dem näheren Umfeld. Die Rechnung ist dabei recht simpel: Indem die Menschen nur noch Produkte aus der Region konsumieren, tragen sie dazu bei, den für derzeitige und kommende Verkehrsprobleme verantwortlichen Güterverkehr zu minimieren.

Schreckenberg bringt es folgendermaßen auf den Punkt: "Wenn ich als Westfale kein bayrisches Bier mehr kaufe, dann braucht der Bayer das auch nicht mehr herzubringen. So einfach ist das." Allerdings lasse sich somit hauptsächlich ein Effekt auf den innerdeutschen Güterverkehr erzielen. Der Transitverkehr aus umliegenden Ländern bleibe weiterhin ein Problem.

Politische Maßnahmen, wie die Verteuerung des Güterverkehrs durch Einführung der Lkw-Maut, hält Schreckenberg für nicht zukunftsfähig. "Alles was wir unternehmen, läuft der Realität hinterher. Es wird nur noch reagiert und repariert. Wir sind nicht proaktiv tätig. Es findet keine Zukunftsplanung statt.“ Eine Änderung des Konsumverhaltens wäre eine solche proaktive, zielgerichtete Handlung. Die Politik könne insofern dazu beitragen, als dass sie Aufklärung auf diesem Gebiet leistet.

Dass ein solches Umdenken stattfindet, steht für Schreckenberg außer Zweifel: "Ich beobachte das bei meinen Studenten und meinen Kindern. Das Umdenken hat bereits begonnen."

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