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Homöopathie: Behörde prüft Tod von zehn kleinen Kindern in USA


Homöopathische Arzneien
US-Behörde prüft Tod von zehn kleinen Kindern

spiegel-online, Julia Merlot

Aktualisiert am 25.02.2017Lesedauer: 3 Min.
In den USA prüfen die Arzneimittelbehörde FDA den Tod von zehn kleinen Kindern nach der Einnahme von Globuli.Vergrößern des BildesIn den USA prüfen die Arzneimittelbehörde FDA den Tod von zehn kleinen Kindern nach der Einnahme von Globuli. (Quelle: Symbolbild/dpa-bilder)
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Die Mittel sollen Babys die Schmerzen beim Zahnen nehmen. Nun warnt die US-Arzneimittelbehörde vor den homöopathischen Arzneien. Zehn Kleinkinder könnten durch die Einnahme der Globuli gestorben sein.

Homöopathische Arzneimittel enthalten keinen Wirkstoff, der eine Krankheit heilen könnte. Den meisten Nutzern ist das egal, denn der Placebo-Effekt allein kann Leiden lindern. Er entsteht durch Zuwendung und eine positive Erwartungshaltung. Die Mittel auszuprobieren kann also nicht schaden, denken viele. Zumal Globuli und Co. als nebenwirkungsarm gelten.

Aktuelle Untersuchungen aus den USA zeigen jedoch, dass im Umgang mit den Arzneien durchaus Vorsicht geboten sein kann. Die amerikanische Arzneimittelsicherheitsbehörde FDA hat eine Warnung für bestimmte homöopathische Präparate herausgegeben, die Kleinkindern die Schmerzen beim Zahnen erträglich machen sollen. Sie überprüft derzeit, ob der Tod von zehn kleinen Kindern durch die Tabletten verursacht wurde.

Eine erste Analyse spricht dafür. Die Tabletten werden auf Basis der Schwarzen Tollkirsche hergestellt, auch bekannt als Belladonna. Nach den Grundsätzen der Homöopathie (siehe unten) dürften die Wirkstoffe der Giftpflanze in den Tabletten allerdings nicht nachweisbar sein. Tatsächlich ist mitunter aber doch Wirkstoff enthalten, wie die FDA nach der Untersuchung mehrerer Tabletten berichtet. Offenbar wurden die Produkte nicht stark genug verdünnt.

"Die Reaktion von Kindern unter zwei Jahren auf die Inhaltsstoffe der Schwarzen Tollkirsche sind unvorhersehbar und stellen ein unnötiges Risiko für Babys und Kleinkinder dar", sagt Janet Woodcock von der FDA. Der Behörde sei zudem kein gesundheitlicher Nutzen der Tabletten bekannt.

400 Berichte von Nebenwirkungen

Anlass für die Analyse ist der Fall eines Kleinkindes, das 2016 nach der Einnahme der homöopathischen Tabletten mit epileptischen Anfällen ins Krankenhaus kam. Das Kind überlebte, doch der Vater meldete den Fall der FDA, die die Sicherheit homöopathischer Arzneien erst bei einem konkreten Verdacht überprüft. Die Behörde entdeckte daraufhin 400 weitere Berichte von Nebenwirkungen, die nach der Einnahme der Präparate aufgetreten waren - und die zehn Todesfälle.

Unter den häufigsten Beschwerden der erkrankten Kinder waren Krämpfe, Zittern, Fieber, Kurzatmigkeit und Lethargie. Tollkirschen enthalten den Wirkstoff Atropin, der diese Symptome auslöst. Er schwächt im Körper den Einfluss des sogenannten Parasympathikus. In der Folge können auch Sehstörungen, Herzrasen und Fieber auftreten. Höhere Dosen führen zum Koma und schließlich zum Atemstillstand.

Einsatz von Belladonna-Globuli in Deutschland

Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) teilt auf Anfrage des SPIEGEL mit, dass hierzulande keine Arzneien auf dem Markt seien, die mit den in den USA untersuchten vergleichbar sind. Für die sechs gegen Beschwerden beim Zahnen zugelassen homöopathischen Mittel lägen keine Meldungen über unerwünschte Wirkungen vor.

Globuli auf Basis der Schwarzen Tollkirsche, die nicht explizit gegen Schmerzen beim Zahnen angeboten werden, sind aber auch hierzulande verbreitet und beliebte Mittel für Kinder. Durch die starke Verdünnung kann man bei korrekter Herstellung davon ausgehen, dass sie so gut wie keinen Wirkstoff enthalten und somit bei kurzzeitiger Anwendung keine direkte Gefahr von ihnen ausgeht. Bei langfristigem Einsatz können sich jedoch Schwermetalle wie Blei, die in manchen Produkten enthalten sind, im Körper anreichern.

Im Gegensatz zu den USA, wird in Deutschland vor der Markteinführung überprüft, ob die Produkte nach Rezepten der Homöopathie hergestellt wurden, also stark verdünnt sind, oder die Produzenten die Unbedenklichkeit nachweisen können. Insgesamt gelten für homöopathische Arzneimittel aber auch hierzulande laschere Regeln als für herkömmliche Medikamente. Ihre Wirksamkeit wird in aller Regel nicht überprüft und ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Auch Nebenwirkungen werden nicht zentral erfasst.

In einer internationalen Studie aus dem Jahr 2016 kamen Forscher zu dem Schluss, dass Nebenwirkungen durch Homöopathie ähnlich häufig sind wie in der evidenzbasierten Medizin.

USA, Australien und Russland sehen Homöopathie kritisch

Auch deshalb gibt es international vermehrt Kritik an dem Heilkonzept. Einige Staaten stellen sich inzwischen offiziell gegen die Homöopathie:

  • 2015 veröffentliche die australische Regierung ein Statement, in dem sie der Heillehre die Wirksamkeit aberkannt hat.
  • Im November 2016 gab die amerikanische Verbraucherschutzbehörde FTC bekannt, Hersteller von homöopathischen Arzneimitteln müssten künftig Belege für Gesundheitsversprechen liefern oder offenlegen, dass die Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist.
  • Russische Behörden stuften die Homöopathie Anfang Februar 2017 als Pseudowissenschaft ein.

Bundesministerium übernimmt Schirmherrschaft bei Homöopathie-Kongress

Die deutsche Politik sucht derweil die Nähe zur Homöopathie. Wie das Bundesministerium für Gesundheit dem SPIEGEL bestätigte, hat die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz die Schirmherrschaft für den Weltärztekongress der Homöopathen 2017 in Leipzig übernommen.

Widmann-Mauz werde ein schriftliches Vorwort zur Verfügung stellen. Man wolle damit zum Ausdruck bringen, "dass dem wissenschaftlichen Diskurs in der Gesundheitsversorgung ein hoher Stellenwert zukommt". Dabei müsse klar sein, dass das Patientenwohl und die Patientensicherheit oberstes Richtmaß aller Behandlungsmethoden ist.

Auf dem Kongress soll es auch um die Wirksamkeit homöopathischer Mittel bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen und zur Behandlung von Kindern mit Autismus gehen. Das Informationsnetzwerk Homöopathie sieht die Beteiligung des Bundesministeriums kritisch. Die Initiative klärt seit 2016 über Homöopathie auf.

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