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Ausbruch in Madagaskar: Die Pest bedroht auch Großstädte


Ausbruch in Madagaskar
Jetzt bedroht die Pest auch Großstädte

ap, Edward Carver

Aktualisiert am 23.10.2017Lesedauer: 4 Min.
Städtische Angestellte in Antananarivo desinfizieren öffentliche Wege und Privathäuser.Vergrößern des BildesStädtische Angestellte in Antananarivo desinfizieren öffentliche Wege und Privathäuser. (Quelle: Laetitia Bezain/dpa-bilder)
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In Deutschland gilt die Pest als Seuche des Mittelalters. In Madagaskar ist der "schwarze Tod" jedoch höchst aktuell. Und er sucht sogar die Großstädte heim.

Lange Schlangen an den Apotheken, überall Menschen mit Mundschutz: In Antananarivo geht die Angst vor der Pest um. Als in Madagaskars Hauptstadt in der vergangenen Woche die Zahl der Neuerkrankungen stieg, gerieten viele Menschen in Panik, deckten sich mit Antibiotika und Atemmasken ein. Der Schulunterricht wurde abgesagt, öffentliche Versammlungen sind verboten. Beim jüngsten Ausbruch der Pest in dem Inselstaat im Indischen Ozean starben nach Angaben der Regierung bisher 63 Menschen.

Zwar tritt die Seuche seit Jahrzehnten immer wieder in abgelegenen Landesteilen Madagaskars auf, doch nun konzentrieren sich die Fälle auf die zwei größten Städte Antananarivo und Toamasina. Vertreter internationaler Gesundheitsorganisationen reagierten schnell: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), kritisiert für ihre schleppende Reaktion auf die Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika, stellte umgerechnet 1,27 Millionen Euro bereit und entsandte Pest-Experten und Epidemiologen. Und das Rote Kreuz schickt sein erstes Pest-Behandlungszentrum überhaupt nach Madagaskar.

Am vergangenen Mittwoch versammelte Madagaskars Gesundheitsminister Ärzte und Sanitäter in der überfüllten Aula der wichtigsten Klinik des Landes und verhängte eine Urlaubssperre. "Lassen Sie uns stark sein, wir sind an der Front, wie das Militär", beschwor Mamy Lalatiana Andriamanarivo die Mediziner. Experten warnen, die Pest könnte bis zum Ende der Infektionssaison im April grassieren.

Jedes Jahr Hunderte Pest-Fälle

Madagaskar kämpft nach einem WHO-Bericht aus dem Jahr 2016 mit rund 400 Fällen des gefürchteten "Schwarzen Todes" im Jahr - mehr als die Hälfte aller Pestfälle weltweit. Normalerweise handelt es sich dabei um Infektionen mit der Beulenpest im ländlichen Hochland, die von infizierten Ratten durch Flohbisse auf den Menschen übertragen wird. Bleiben sie unbehandelt, so endet etwa die Hälfte der Erkrankungen tödlich.

Aktuell grassiert jedoch vor allem die Lungenpest, eine virulentere Form, die sich über Husten, Niesen oder Spucke überträgt und unbehandelt fast immer tödlich verläuft - in manchen Fällen stirbt der Kranke innerhalb von nur 24 Stunden. Wie die Beulenpest kann sie bei rechtzeitiger Behandlung jedoch mit gewöhnlichen Antibiotika geheilt werden.

Nicht nur die Ärmsten betroffen

Nach WHO-Angaben ist die Pest eine "Krankheit der Armut", teilweise verursacht durch unhygienische Lebensverhältnisse. Madagaskar hat ein Bruttoinlandsprodukt von rund 400 Dollar pro Kopf. Programme zur Bekämpfung der Seuche wurden nach einem Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten durch "Betriebs- und Management-Schwierigkeiten" behindert.

Doch die durch Tröpfcheninfektion übertragene Lungenpest, aktuell für rund 75 Prozent der Fälle verantwortlich, macht keine Klassenunterschiede: "Normalerweise sind die Leute, die die Pest bekommen, schmutzige Menschen, die in armen Gegenden leben, doch in diesem Fall sehen wir Gutsituierte, Direktoren, Professoren, Leute quer durch die Gesellschaft, die sich infizieren", sagt Manitra Rakotoarivony von der madagassischen Gesundheitsbehörde.

Die aktuelle Epidemie begann im August und damit früher als sonst. Ein 31-Jähriger reiste aus dem Ort Ankazobe im zentralen Hochland mit dem Buschtaxi zur Ostküste - nicht wissend, dass er die Pest hatte. Er starb auf der Strecke und wurde ohne Schutzmaßnahmen in Toamasina bestattet. Vier Leute, die mit ihm in Kontakt kamen, starben ebenfalls. In der Hauptstadt legte sich die Panik in den vergangenen Tagen angesichts der weltweiten Hilfe, doch da die Anzahl der täglichen Neuansteckungen nicht abnimmt, bleibt die Seuche eine ernstzunehmende Gefahr.

Madagaskar seit über 100 Jahren betroffen

Madagaskar kämpft seit mehr als einem Jahrhundert gegen die Pest. 1898 schleppten infizierte Ratten die Seuche ein, die an Bord von Dampfschiffen aus Indien kamen. Ab den 1930er Jahren verschwand die Krankheit fast völlig aus Madagaskar, tauchte jedoch in den vergangenen Jahrzehnten wieder auf. Die schwarzen Ratten im Hochland, die als Träger des Pestbakteriums gelten, bildeten selbst allmählich Resistenzen. Eine Untersuchung von Wissenschaftlern am Pasteur-Institut in Madagaskar ergab 2015, dass Bestattungsriten, bei denen die Leichen berührt werden, ein weiterer Grund für die Ausbreitung sind.

Die aktuelle Epidemie alarmierte die Nachbarländer Madagaskars. Bei einem Aufenthalt in Madagaskar infizierte sich ein 34-Jähriger von den Seychellen mit der Lungenpest. Er wurde zuhause behandelt und zeigt inzwischen keine Symptome mehr. Für die Seychellen war es nach Angaben des Gesundheitskommissars des Landes, Jude Gedeon, der erste Pestfall überhaupt. Doch ein 49-jähriger Basketball-Coach von den Seychellen starb im September an der Pest, als er sich für ein Turnier in Antananarivo aufhielt.

Die Behörden der Seychellen richteten eine Pest-Isolationsstation ein und ordneten die Schließung der Schulen bis Dienstag an. Ausländische Touristen, die in den vergangenen Monaten Madagaskar besucht haben, werden nicht ins Land gelassen. Während die WHO das Risiko einer Ausbreitung der Epidemie außerhalb der Region als sehr niedrig einschätzt und keine Reisewarnungen für Madagaskar ausgibt, hat die Fluggesellschaft Air Seychelles alle Flüge nach und von Madagaskar bis auf weiteres ausgesetzt. Gedeon warnt: "Die Lage in Madagaskar ist noch immer nicht unter Kontrolle."

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