t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePanorama

Lawinenrettung in den Alpen – Der Hund ist besser als die Technik


Lawinenretter in der Gefahrenregion
"Verschüttete überleben in der Regel 15 Minuten"

InterviewEin Interview von Nathalie Rippich

10.01.2019Lesedauer: 3 Min.
Interview
Unsere Interview-Regel

Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Ein Lawinensuchhund im Einsatz: Für die Bergretter ist der beste Freund des Menschen auch das beste Instrument, um Verschüttete in den Schneemassen zu finden und zu bergen.Vergrößern des Bildes
Ein Lawinensuchhund im Einsatz: Für die Bergretter ist der beste Freund des Menschen auch das beste Instrument, um Verschüttete in den Schneemassen zu finden und zu bergen. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Alpen versinken im Schnee. Teilweise gilt die höchste Lawinenwarnstufe, mehrere Orte wurden evakuiert. Bergretter Micheal Miggitsch aus der Steiermark bleibt im t-online.de-Interview gelassen.

Es schneit und schneit und schneit. Ein Ende ist nicht in Sicht. In Teilen der Steiermark gilt die höchste Lawinenwarnstufe, der Schnee liegt meterhoch. Rund 2.000 Menschen sind von den Schneemassen eingeschlossen – tagelang. Teilweise haben die Menschen keine Stromversorgung. Andere wurden aus Sicherheitsgründen evakuiert. Immer wieder müssen Bergretter ausrücken, um Menschen aus dem tiefen Schnee zu ziehen oder gar aus Lawinen auszugraben. Einer von ihnen ist Michael Miggitsch, Vize-Präsident des Österreichischen Bergrettungsdienstes, der in der Steiermark im Einsatz ist.

t-online.de: Herr Miggitsch, haben Sie in den letzten Tagen selbst schon Menschen aus dem Schnee gerettet?

Michael Miggitsch: Es kommt immer wieder vor, dass Menschen im tiefen Schnee versinken und nicht mehr rauskommen. Zum Beispiel wenn sie von der Piste abkommen. Aber Lawinenabgänge mit Verschütteten hatte ich in letzter Zeit zum Glück nicht. Die gefährdeten Gebiete werden rechtzeitig gesperrt und teilweise evakuiert. Die Menschen sind vernünftig.

Am Wildkogel in der Nähe von Salzburg hat eine Lawine eine Schülergruppe erwischt: Was mache ich, wenn eine weiße Welle auf mich zurast?

Da kommt es auf das Können auf Skiern an. Der Lawine davonfahren, ist ein Weg. Beschleunigen und sich in Sicherheit bringen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, aus der Schneise der Lawine zu fahren. Dafür muss man jedoch einschätzen, wie die Lawine verläuft.

Und wenn ich weder vor den Schneemassen wegfahren, noch seitlich fliehen kann – was kann ich tun, um unter der weißen Decke zu überleben?

Unbedingt das Gesicht schützen. In den Mund darf kein Schnee kommen, deshalb die Hände vor das Gesicht und eine Atemhöhle formen, um nicht vom Schnee erstickt zu werden. Es gibt immer diesen Tipp, Schwimmbewegungen zu machen. Aber ein Kubikmeter Schnee wiegt über hundert Kilo. Der aktuelle Pulverschnee ist vielleicht etwas leichter, aber es bleibt bei enormen Massen. Wenn es geht, sollten Lawinenopfer sich deshalb in die Kauerstellung bringen.

Wie lange können Verschüttete so überleben?

Die Faustregel ist 15 Minuten. Aber es gab auch Fälle, in denen Menschen vier Stunden und länger durchgehalten haben. Ersticken ist aber nicht die einzige Gefahr. Man kann binnen Sekunden tot sein, wenn man gegen einen Baum geschlagen wird oder sich das Genick bricht.

Wie finden Sie die Lawinenopfer?

Bei aller Technik – das beste Werkzeug ist der Lawinensuchhund. Der ist immer dabei. Er ist irrsinnig schnell und hüpft problemlos über jedes Hindernis. Das ist auf Skiern gar nicht möglich. Sie werden jedes Jahr fortgebildet und haben eine extrem gute Nase. Die Hunde rennen sofort los, die fliegen nahezu über den Schnee und schlagen direkt an, wenn sie etwas finden und fangen an zu graben. Dann kommen wir Retter mit unserer Technik und der Ausrüstung und graben mit.

Bringen die Retter sich selbst in Gefahr, wenn sie in Lawinengebieten unterwegs sind?

Ein Risiko gibt es immer. Aber wir beurteilen die Lage vor jedem Einsatz genau. Wenn es zu gefährlich ist, stoppen wir vorerst. Es kam auch schon vor, dass wir erst eine Lawine abgesprengt haben, um dann in den Einsatz zu gehen. Das kostet natürlich Zeit und wir haben dann noch mehr Schnee, durch den wir uns graben müssen.


Werden die gefährdeten Gebiete schnell genug gesperrt?

Ja. Eine Lawinenwarnkommission, die sich aus mehreren Experten zusammensetzt, wägt die Lage gründlich ab. Die Pisten, die offen sind, sind sicher. Es sollte nichts passieren, wenn niemand von der Piste abkommt. Natürlich ist es ein enormer wirtschaftlicher Schaden, wenn Skigebiete gesperrt werden. Aber Sicherheit geht hier ganz klar vor. Wenn nichts passiert: Umso besser. Ortschaften, für die ein Risiko besteht, dass sie von einer Lawine getroffen werden, wurden auch schon evakuiert. Es werden alle Vorkehrungen getroffen. Aber man muss auch sagen: Wir haben Winter. Wir haben Schnee. Es ist mehr als üblich. Aber zumindest hier herrscht keine Panik.

Herr Miggitsch, danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website