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Italien: Gäste des Lawinen-Hotels hätten vielleicht nicht sterben müssen


Gäste des Lawinen-Hotels hätten vielleicht nicht sterben müssen

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 23.01.2017Lesedauer: 4 Min.
Nach dem Lawinenunglück in Italien wird in der Nähe des verschütteten Hotels Rigopiano immer noch nach Überlebenden gesucht.Vergrößern des BildesNach dem Lawinenunglück in Italien wird in der Nähe des verschütteten Hotels Rigopiano immer noch nach Überlebenden gesucht. (Quelle: dpa-bilder)
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Das "Wunder von Farindola" - Überlebende in dem zerstörten Hotel in den Abruzzen zu finden - wäre eventuell gar nicht nötig geworden, wenn im Vorfeld nicht so viel schief gelaufen wäre. Die Suche nach einer Schneefräse: gescheitert, Hilferufe: nicht ernst genommen.

In Italien wächst die Wut nach dem Lawinenunglück, das am vergangenen Mittwoch ein Berghotel traf. Sieben Leichen wurden gefunden, mehr als 20 Personen gelten noch als vermisst. Nur elf Menschen, darunter vier Kinder, konnten lebend gerettet werden. Die Kinder sollten noch am Montag aus dem Krankenhaus entlassen werden.

Doch nun mehren sich die Fragen nach einem Versagen der Behörden. Es geht unter anderem darum, warum eine angefragte Schneefräse zu spät an dem völlig verschneiten Hotel eintraf. Zeitungen veröffentlichten nun eine E-Mail des Hoteldirektors, in der dieser Stunden vor dem Unglück Hilfe anforderte.

Hotelgäste bereits in Angst

Es ist eine E-Mail, die nichts Gutes erahnen lässt. "Die Lage ist besorgniserregend. Es liegen zwei Meter Schnee. [...] Die Gäste können nicht abfahren, nach den Erdbeben sind sie in Angst und bereit, die Nacht im Auto zu schlafen."

Den Hilferuf schickte Hoteldirektor Bruno Di Tommaso nur Stunden bevor eine Lawine mit dem Gewicht von rund 4000 beladenen Lastwagen das Gebäude fortriss. Die Mail blieb folgenlos.

Das elf Menschen gerettet wurden, kann durchaus als Wunder gelten. Aber über die Freude, Lebende in den Tonnen von Schnee und Trümmern zu finden, haben sich Trauer und Wut gelegt.

"Die, die gestorben sind, wurden getötet", sagte der Vater eines Vermissten. Die Staatsanwaltschaft in Pescara ermittelt gegen unbekannt. Der Vorwurf lautet mehrfache fahrlässige Tötung.

Unglück oder Versäumnis?

Reihte sich ein Unglück oder ein Versäumnis an das andere? Der viele Schnee, die Erdbebenserie, die unpassierbaren Straßen, die gescheiterte Suche nach einem geeigneten Schneeräumfahrzeug, Notrufe, die für Falschmeldungen gehalten wurden undsoweiterundsofort.

Erste Frage: Warum wurde das Hotel nicht früher evakuiert? Seit Tagen hatte es geschneit. Bei der Vier-Sterne-Unterkunft in 1200 Metern Höhe lagen um die zwei Meter Schnee. Das Gebäude stand unterhalb eines steilen Abhangs. "Dieser kammnahe Hang ist steil genug und lang genug, dass eine Lawine Fahrt aufnimmt, durch den Wald saust und bis zum Hotel vordringt", sagte Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein. "So etwas wäre in den Alpen vermutlich beim Bau des Hotels ins Kalkül gezogen worden, weil dort gewöhnlich viel Schnee fällt. Es ist aber schwer zu übertragen, weil bei uns andere Wetterbedingungen herrschen."

An jenem Tag galt zudem Lawinenwarnstufe 4 (von 5). Das bedeutet, dass der Schnee schon bei geringer Zusatzbelastung an Steilhängen ins Rutschen kommen kann. Hätten da nicht schon die Alarmglocken schrillen müssen? Und stimmt es, dass der Bürgermeister von Farindola nichts von der Anhebung der Lawinenwarnstufe wusste und somit nicht im Besitz der nötigen Informationen war, um eine mögliche Evakuierung veranlassen zu können?

Probleme mit Räumfahrzeugen und Notrufen

Zweitens: Wie konnte es sein, dass stundenlang ein Räumfahrzeug gesucht wurde, um die Straße zum Hotel freizuschaufeln? Die Behörden wurden schon am Mittwochmorgen - noch vor den Erdbeben - informiert, dass das isolierte Hotel in Schwierigkeiten sei. Eine Schneefräse sei kaputt gewesen, berichteten italienische Medien. Ein anderes Gerät stand offenbar ganz in der Nähe, doch niemand schien das zu wissen. Wäre das Räumfahrzeug früher angekommen, hätten die Menschen das Hotel vielleicht noch rechtzeitig verlassen können.

Drittens: Wurden Notrufe ignoriert? Der Überlebende Giampiero Parete, dessen Frau und zwei Kinder mehr als 40 Stunden später aus dem Hotel gerettet wurden, war zum Zeitpunkt der Lawine draußen. Er erzählte später, er habe einen Notruf abgesetzt, aber niemand habe ihm geglaubt. Ein anderer Zeuge sagte, er sei mit dem Notruf abgeblitzt. Angeblich wusste der Hoteldirektor, der zum Zeitpunkt des Unglücks nicht vor Ort war, auf Nachfrage der Präfektur nichts von einer Lawine. Möglicherweise verzögerte sich deshalb die Rettungsaktion.

Die Anschuldigungen und Spekulationen überschlagen sich. Regierungschef Paolo Gentiloni warnte davor, voreilig nach einem Sündenbock zu suchen.

Alpenvereins-Experte Bucher sagte, es habe sich um eine Verkettung unglücklicher Umstände gehandelt. "Lawinenunglücke wie das von Italien sind Ausnahmeereignisse, die nicht vollständig zu verhindern sind." Beispiel dafür sei die Lawinen-Katastrophe von Galtür in Österreich, bei der 38 Menschen ums Leben kamen. Auch damals im Jahr 1999 wurden Vorwürfe an die Behörden laut, die Lawinengefahr unterschätzt zu haben. Alle Ermittlungen wurden jedoch eingestellt.

Region nach Erdbeben von 2009 schwer angeschlagen

Das Unglück von Farindola wirft nun erneut ein Schlaglicht auf eine Region, die seit dem schweren Erdbeben von L'Aquila im Jahr 2009 nicht mehr auf die Beine kommt. Damals kamen mehr als 300 Menschen ums Leben, die Wirtschaft liegt am Boden, viele Orte sind verlassen.

Die Tragödie sei nur die Spitze eines Eisberges, sagte Lorenzo Sospiri, Regionalrat der Abruzzen. Er forderte die Verantwortlichen in der Präfektur und der Provinz auf, zurückzutreten. "In einem zivilen Land kann es nicht so zugehen. Es kann nicht sein, dass unschuldige Bürger wegen einer verschneiten Straße sterben und nichts passiert."

Das Einzige, was die Menschen in den Abruzzen noch hatten, waren die Landwirtschaft und der Tourismus. Doch zum Skifahren und Schneewandern wird in die Gegend um den Gran Sasso wohl so schnell kaum noch jemand kommen.

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