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Polnischer Ex-Staatschef Wojciech Jaruzelski ist tot


Verhängte das Kriegsrecht in Polen
Wojciech Jaruzelski ist tot

Von afp
Aktualisiert am 25.05.2014Lesedauer: 3 Min.
Polens ehemaliger kommunistischer Machthaber Jaruzelski ist totVergrößern des BildesWojciech Jaruzelski bei einem Interview 2008 in seinem Warschauer Büro (Quelle: Reuters-bilder)
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Polens früherer kommunistischer Machthaber Wojciech Jaruzelski ist tot. Der schwerkranke Ex-Partei- und Staatschef starb am Sonntag im Alter von 90 Jahren im Militärkrankenhaus von Warschau. Jaruzelski hatte von 1981 bis 1989 im Namen der kommunistischen Arbeiterpartei die Geschicke Polens gelenkt. 1981 verhängte er im Kampf gegen die demokratische Solidarnosc-Bewegung von Lech Walesa das Kriegsrecht.

"Ich bestätige, dass der General tot ist. Er hat seine letzten Tage auf der Intensivstation verbracht", sagte Kliniksprecher Grzegorz Kade. Demnach war er bereits seit mehreren Monaten im Krankenhaus behandelt worden. Im Juli 2011 hatte der General bekannt gegeben, dass er an Lymphdrüsenkrebs litt. Jaruzelski war seit Jahren gesundheitlich schwer angeschlagen und musste bereits mehrmals stationär behandelt werden.

Am General scheiden sich die Geister

Bis heute scheiden sich an Jaruzelski die Geister. Zu seinen Lebzeiten hielten Gegner und Anhänger an jedem 13. Dezember eines Jahres Kundgebungen vor seinem Haus in Warschau ab.

An diesem Tag hatte er 1981 als Militär- und Regierungschef das Kriegsrecht über Polen verhängt. Zehntausende Mitglieder der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc wurden festgenommen, Dutzende in den folgenden Monaten ermordet.

Er habe damals das "kleinere Übel" gewählt und das Land vor einer Invasion sowjetischer Truppen bewahrt, führte der Mann mit der großen dunklen Brille später immer wieder zu seiner Rechtfertigung an.

Dieser Interpretation widersprechen allerdings die meisten polnischen Historiker. Dokumenten zufolge beabsichtigte Moskau keineswegs, in Polen einzumarschieren (wie beim "Prager Frühling" 1968), jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Das Kriegsrecht wurde im Juli 1983 wieder aufgehoben. Doch hunderttausende von Polen, darunter viele Intellektuelle, hatten das Land bereits verlassen.

Verfahren wegen Krankheit ausgesetzt

Jaruzelskis Kritiker jedenfalls wollten den General vor Gericht zur Rechenschaft ziehen. Im April 2007 wurde er wegen der Verhängung des Kriegsrechts angeklagt. In einem anderen Verfahren musste Jaruzelski sich bereits wegen der blutigen Niederschlagung von Arbeiterdemonstrationen 1970 verantworten. Er soll damals den Schießbefehl gegeben haben. Wegen seiner angeschlagenen Gesundheit wurde er jedoch von den Verfahren ausgenommen.

Es war vor allem der Regierungsantritt Michail Gorbatschows in der damaligen Sowjetunion, aber auch die Wirtschaftskrise in Polen, die Jaruzelski dazu brachten, seine Politik der harten Hand Mitte der 1980er Jahre zu lockern. So stimmte die kommunistische Führung 1989 bei Gesprächen am Runden Tisch einem friedlichen Übergang zur Demokratie zu.

Nach der ersten halbfreien Parlamentswahl 1989 wurde Jaruzelski zwar im selben Jahr für sechs Jahre zum Staatspräsidenten gewählt. Er trat jedoch schon wenige Monate später zurück, um seinem langjährigen Widersacher und Freiheitskämpfer Walesa an der Spitze des neuen polnischen Staates Platz zu machen.

Entschuldigung nach Rücktritt

Als er das Amt des Staatspräsidenten 1990 niedergelegt hatte, räumte Jaruzelski "Fehler" ein. Er bat seine Landsleute aber nicht um Entschuldigung für das verhängte Kriegsrecht und die Folgen, sondern für die Beteiligung polnischer Truppen an der Niederschlagung des demokratischen Aufstandes in Prag 1968. Damals war er Verteidigungsminister und mitverantwortlich für die Truppenentsendung gewesen.

In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP sagte der General 2005: "Es klingt vielleicht paradox aus meinem Mund, aber ich bin sehr froh, Polen in der Nato zu sehen, die der Garant unserer Sicherheit ist, und in der Europäischen Union, die eine enorme Entwicklungschance ist."

Verbannung nach Sibirien und Karriere in der Armee

Jaruzelski wurde am 6. Juli 1923 im südostpolnischen Dorf Kurow geboren. Schon früh bekannte er sich zum Kommunismus. Als Adolf Hitler und Josef Stalin 1939 Polen unter sich aufteilten, wurde die ganze Familie Jaruzelski nach Sibirien deportiert, wo der Vater starb. Jaruzelski trug seine Brille, weil er sich in sibirischer Verbannung eine Art Schneeblindheit zugezogen hatte.

Der junge Wojciech schloss sich den polnischen Einheiten an, die nach Hitlers Bruch mit Stalin innerhalb der Roten Armee gebildet wurden. Er machte schnell Karriere in der Armee und in der Partei. Mit 33 Jahren wurde er der jüngste Armeegeneral Polens und 1968 Verteidigungsminister - für 15 Jahre.

Ein Urteil wegen der umstrittenen Verhängung des Kriegsrechts wurde gegen Jaruzelski nie gesprochen. Er selbst war davon überzeugt, "nur die Geschichte" werde ihm eines Tages Gerechtigkeit wiederfahren lassen.

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