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"Maischberger" zu Sexualgewalt: "Klingt wie eine versuchte Vergewaltigung"


"Maischberger" zu Sexualgewalt
"Klingt wie eine versuchte Vergewaltigung"

Meinungt-online, David Heisig

Aktualisiert am 09.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Talk bei Maischberger: Die Moderatorin ließ über die Themen Vergewaltigung und Justizirrtümer diskutieren.Vergrößern des BildesTalk bei Maischberger: Die Moderatorin ließ über die Themen Vergewaltigung und Justizirrtümer diskutieren. (Quelle: WDR/Max Kohr)
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"Sexuelle Nötigung, Lügen, Vorurteile": Diese Themen ließ Sandra Maischberger in ihrer Talkrunde diskutieren. Besonders zwei Frauen vertraten unterschiedliche Ansichten.

Die Gäste

• Hannes Jaenicke, Schauspieler
Marlene Lufen, Fernsehjournalistin
• Anja Keinath, ehemalige Frauenbeauftragte
• Gisela Friedrichsen, Gerichtsreporterin
• Teresa Bücker, Journalistin

Das Thema

Es war harter Tobak, den die ARD mit ihrem Fernsehfilm "Meine fremde Freundin" den Zuschauern zu rauchen gab. Ein Mann wird zu Unrecht einer Vergewaltigung beschuldigt, verurteilt, ins Gefängnis gesteckt. Die anschließende Talkrunde bei Maischberger beließ es nicht bei Fiktion. Da ging es um Spurensuche in der Realität. Wie erkennt die Justiz, dass Vergewaltigungsvorwürfe begründet sind? Warum finden Opfer oft keine Gerechtigkeit? Schnell wurde klar: die Fragen polarisierten.

Die Fronten

Jaenicke, der im Fernsehfilm den vermeintlichen Vergewaltiger mimte, betonte eine Dunkelziffer: Tausende von Frauen zeigten sexuelle Übergriffe nicht an. Fälle von Falschbeschuldigungen dagegen gäbe es kaum. Lufen verdüsterte das Bild: Sexuelle Gewalt fände man in der Gesellschaft überall.

Friedrichsen und Keinath zäumten das Pferd von der anderen Seite auf: Die ehemalige Frauenbeauftragte berichtete vom realen Fall von Horst Arnold: Der Lehrer wurde von einer Kollegin der Vergewaltigung bezichtigt, kam zu Unrecht ins Gefängnis, starb nach seiner Rehabilitation gesellschaftlich isoliert. Anleihen, derer sich der aktuelle Film bediente.

Es muss sie also geben, die Fälle, in denen Frauen Männer aufs Schafott liefern wollen. Friedrichsen untermauerte das mit Berichten aus den Gerichtssälen der Republik.

Fakt des Abends

Maischberger fragte sie daher nach Zahlen. Die konnte Friedrichsen allerdings nicht nennen. Das Risiko gehe gegen Null, rechnete Bücker gegen. Nur zwei bis acht Prozent aller angezeigten Fälle seien falsch. Das würden Studien belegen, so die Journalistin.

Viel dramatischer erschien da die Zahl, dass 80 bis 95 Prozent der Fälle von Frauen gar nicht angezeigt werden, weil sie Angst haben, man glaube ihnen nicht. Maischberger zitierte eine Studie der Bundesregierung von 2004. Demnach sei jede siebte Frau in ihrem Leben schon einmal sexuell genötigt oder vergewaltigt worden.

Andere Daten besagten, nur 8 Prozent der Täter dagegen seien schuldig gesprochen worden. Auch wenn das Zahlenmaterial angestaubt erschien: erschreckend war das dennoch.

Aufreger des Abends

Maischberger tat sich mit ihrer Runde zumindest in der ersten Sendungshälfte schwer. Das war alles ein wenig holprig. Die Moderatorin konnte nicht für die Art von Schwung sorgen, der ihre Gäste in eine angeregte Diskussion mitgenommen hätte. Es fehlte Reibung.

Die entstand erst, als es um die Rolle der Frau ging. Die Grande Dame der Gerichtssäle, Gisela Friedrichsen, bezog unter dem Eindruck der Justizirrtümer nämlich spürbar Position für den Mann. Jaenicke gab den Streitimpuls: Er hoffe nicht, der Film führe dazu, dass vergewaltigten Frauen nicht mehr geglaubt würde. "Das ist ja die gesellschaftliche Realität", echauffierte sich Bücker. Daraus resultiere die niedrige Quote von Anzeigen.

Friedrichsen wollte einhaken, Maischberger ließ sie nicht. Gerichte gingen mit Opfern anständig um, konnte sie erst später platzieren. "Eine wirklich vergewaltigte Frau findet vor Polizei und Gericht Glauben", meinte sie. "Da muss ich widersprechen", so Bücker. "Das ist absurd, was für Freisprüche stattgefunden haben". Lufen legte nach. Für Außenstehende sei es unmöglich, bei diesem Delikt die Wahrheit zu finden. Im Zweifel müsse man dann den Angeklagten laufen lassen.

Die Gerichte müssten sich eben "eine gewisse Sicherheit bilden können", so Friedrichsen. Als sie dann zu verkaufen versuchte, Frauen könnten Erst-Übergriffe von Männern abwehren, indem sie ihnen "die Meinung geigen", verdrehte Lufen die Augen. "Wenn sie tatsächlich diese Haltung haben, dann haben sie nicht genügend Frauen gesprochen", war Bücker erbost.

Höhepunkt der Sendung

Lufen berichtete von einer persönlichen Begebenheit aus ihrer Jugend, bei der sie von einem Fotografen mit sexueller Gewalt angegangen wurde. Das war sehr persönlich, emotional. Aber nicht in der Form einer Mitleid haschenden Darstellung oder ins Voyeuristische abdriftend. Sondern ehrlich. "Das klingt wie eine versuchte Vergewaltigung", fasste es Maischberger zusammen.

"Das war mir damals nicht bewusst", so Lufen. Sie habe die Schuld erst mal bei sich gesucht. Dieses Statement gab der Sendung nochmal einen Dreh, die Schicksale der Opfer zu reflektieren. Vielen Frauen fehle die Beratung im Prozess, so Bücker. Sie forderte eine psychosoziale Prozessbetreuung für Betroffene.

Was von der Sendung übrig bleibt

Der Themenabend zeigte eines: Sexueller Übergriff, gar sexuelle Gewalt kennt keine Gewinnerinnen, keine Gewinner: Betroffene Frauen müssen ihr Leben mit Angst, Scham und der Erkenntnis bestreiten, gegen ihren Willen angefasst, beleidigt, in ihrer Selbstbestimmung verletzt worden zu sein.

Beschuldigte Männer können schnell in eine Abwärtsspirale gezogen werden, die sie ebenfalls zerstört. Es gibt kein Schwarz-Weiß, die Bilder werden in vielen Grautönen gezeichnet. Und es passiert nicht nur Hollywood-Schauspielerinnen durch die Weinsteins der Filmbranche. Nein. Es passiert der Kollegin Müller aus dem Einkauf oder dem Lehrer Max Mustermann. Menschen, mit denen wir leben, die dann unsere Hilfe bräuchten. Der Film und Maischbergers Diskussion waren daher sehr wichtig.

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