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Elizabeth II, Churchill, Lady Di: Diese Begräbnisse erschütterten Großbritannien


Von Churchill bis Diana
Diese Begräbnisse erschütterten Großbritannien

Von Marc von Lüpke

Aktualisiert am 19.09.2022Lesedauer: 6 Min.
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Trauerzug von Lady Diana: Damals wurde das Verhalten der Queen stark kritisiert.Vergrößern des Bildes
Trauerzug von Lady Diana: Damals wurde das Verhalten der Queen stark kritisiert. (Quelle: UPI Photo/imago-images-bilder)

Großbritannien verabschiedet sich von Elizabeth II. Die Langzeitmonarchin erlebte während ihrer Herrschaft aber selbst zwei Begräbnisse, die die Welt veränderten.

"Kanonen" hatte sich der Verstorbene für sein Begräbnis gewünscht, er sollte sie bekommen. 90 Kanonenschüsse feuerten Artilleristen am 30. Januar 1965 im Londoner Hyde Park ab, um einen der größten Briten aller Zeiten zu ehren: Winston Churchill. Den Premierminister, der sein Land im Zweiten Weltkrieg mit eisernem Willen zum Sieg gegen Nazi-Deutschland geführt hatte.

Doch bereits seit dem 24. Januar 1965 trauerte Großbritannien um seinen Helden, als Churchill im Alter von 90 Jahren verstorben war. "Es ist alles so langweilig", soll er sich am Schluss noch einmal beschwert haben. Als "langweilig" erwies sich sein Staatsbegräbnis jedenfalls nicht, die "Operation Hope Not" (zu Deutsch: "Operation Hoffentlich nicht") war bis ins letzte Detail geplant.

Ausnahme für den Lieblingspremier

Kein Wunder, war es doch Churchill zu verdanken, dass das Vereinigte Königreich den "Sturm des Krieges" überhaupt überstanden hatte. So strömten zwischen dem 27. und dem 30. Januar 1965 mehr als 300.000 Menschen zu dem in Westminster Hall aufgebahrten Ex-Premier. Um Viertel vor zehn am 30. Januar 1965 war dann alles Weitere bereit. Big Ben ertönte, um dann zu verstummen.

Der Zug mit Churchills Sarg setzte sich in Bewegung, darunter Tausende Soldaten und die Familie des toten Politikers: Seine Witwe Clementine, sein Sohn Randolph und Enkel Winston. Ziel war die St.-Pauls-Kathedrale, wo Churchill die wahrscheinlich größte Ehrung erhielt. Queen Elizabeth II. war nicht nur zum Begräbnis eines "Bürgerlichen" erschienen. Nein, sie brach auch mit der Etikette. Denn dieser zufolge gebührt der Monarchin das Recht, als Letzte zu kommen und sich als Erste zu verabschieden.

Doch in Churchills Fall machte die Königin eine Ausnahme, war vor der trauernden Familie anwesend. Die Queen und der alte Churchill hegten eine besondere Beziehung, war er doch der erste von so vielen Premierministern, die unter ihrer Herrschaft regieren sollten. Wer war aber ihr liebster Regierungschef? Auf diese Frage soll die verstorbene Königin einmal geantwortet haben: "Winston natürlich!" Weil er Humor hatte, wie die Autorin Inger Merete Hobbelstad in ihrem Buch "Die Queen" berichtet.

Churchill hingegen war Berichten zufolge ernsthaft ein wenig "verschossen" in die junge Königin. Aber keine Angst, immerhin war er verheiratet und hatte gewaltige Ehrfurcht vor der Krone. "Von den Erdbeben unerschüttert, von den auflösenden Gezeiten ungeschwächt, steht die britische Monarchie, während um sie herum alles planlos treibt, fest gegründet", bekannte der alte Premier einmal.

"Es war ein Triumph!"

Abschied nehmen musste die Königin nun von Churchill, dessen Leichnam später auf der "MV Havengore" über die Themse weiter transportiert wurde. Während eine Formation von Kampffliegern durch den Himmel schoss – und Hafenarbeiter dem Toten einen ganz besonderen Tribut erwiesen. In perfekter Choreografie ließen sie die Ausleger ihre Kräne niedergehen. Churchill hätte die Geste sicher zu schätzen gewusst.

So pompös sein Staatsbegräbnis begonnen hatte, so bescheiden war sein Ende. Denn Großbritanniens großer, alter Mann wollte nicht in London bestattet werden. Sondern auf dem Friedhof der kleinen Ortschaft Bladon in der Grafschaft Oxfordshire. Wo auch sein Vater begraben ist. Churchills Witwe, Lady Clementine, war jedenfalls zufrieden. "Es war keine Beerdigung", frohlockte sie. "Es war ein Triumph!"

Was keine Übertreibung ist. Vertreter von mehr als 110 Staaten erwiesen Churchill die letzte Ehre, darunter ein Kaiser, fünf Könige, zwei Königinnen und 15 Präsidenten. In gewisser Weise war das Staatsbegräbnis – das letzte bis zum Tod von Elizabeth II. – auch eine Verabschiedung vom Britischen Weltreich. Das Churchill verkörpert hatte und das in gewisser Weise mit ihm bestattet worden ist.

Denn Großbritannien blickte schweren Zeiten entgegen. Angesichts wirtschaftlicher Turbulenzen und schwerer sozialer Spannungen war es verständlich, dass viele Menschen ihre Aufmerksamkeit auf die vermeintlich schönen Seiten im Leben der Royals richteten. Ein solcher Höhepunkt fand am 29. Juli 1981 statt: Prinz Charles, der britische Thronfolger und Sohn von Elizabeth II., heiratete Diana Spencer.

"Außergewöhnlicher und talentierter Mensch

Für die Ewigkeit war die Ehe zwischen Charles und Diana nicht. Er liebte eigentlich eine andere, sie liebte die Menschen – und die Menschen liebten sie. Sprich, Diana wurde zum Liebling der Massenmedien. 1996 folgte die Scheidung, es waren goldene Zeiten für den Boulevard. Ein Jahr später starb Lady Di dann bei einem Unfall. Queen Elizabeth II., seit Jahrzehnten im Geschäft, musste daraufhin bald feststellen, dass sich die Zeiten geändert hatten, seit sie von Churchill 1965 hatte Abschied nehmen müssen.

War Churchill ein für seine Standhaftigkeit bewunderter Held gewesen, so war Lady Di nun zum Liebling der Massen geworden. Aufgrund der medialen Darstellung ihres Lebens und dem der Royals in Form einer Seifenoper. Und durch ihr soziales Engagement für Arme und Diskriminierte. Für die Königin war ihr Tod tragisch, aber kein Ereignis, das ihr Haus unmittelbar betraf. Was ein Großteil der Öffentlichkeit anders sah.

Zum Inbegriff der angeblichen Ignoranz der Royals gehört die nicht existente Flagge auf dem Buckingham Palast in dieser Zeit, als Millionen um Diana trauerten. Für Kenner nichts Ungewöhnliches, die Fahne wurde nur gehisst, wenn die Königin dort anwesend war. Was sie aber nicht war, sie weilte im schottischen Balmoral. Dass diese Fahne nun aber weder überhaupt gehisst war und schon gar nicht auf halbmast, verbitterte vielen Britinnen und Briten. Eifrig befeuert von einer Presse, die im Ausnahmezustand war. "Ihr Volk leidet – Ma'am, sprechen Sie zu uns!", befahl der "Daily Express" der Herrscherin. Nun, ja.

Schließlich gab die Monarchin dem Volk, was es wollte. Sie wandte sich per Fernsehen an die Menschen. "Sie war ein außergewöhnlicher und talentierter Mensch", lobte die Queen die tote Diana. Was dann folgte, war geradezu eine Art Staatsbegräbnis, ohne dass es jemand so benannte. Die "Königin der Herzen", so eine Bezeichnung von Dianas Fans, wurde am 6. September 1997 zu Grabe getragen. Es war ein sonniger Tag, wie hätte es auch anderes sein können?

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"Solcher Lärm, so viel Weinen"

Auf einer Laffette zogen Pferde den mit Blumen bedeckten Sarg. Als der Zug den Buckingham Palast erreichte, wartete die Menge auf ein Zeichen der angetretenen Königsfamilie. Und die Queen wusste mittlerweile, was sie zu tun hatte. Merklich, aber nicht zu merklich, beugte Elizabeth II. den Kopf, die Massen waren zufrieden in dieser Stimmung der großen Gefühle. "Da war ein solcher Lärm, so viel Weinen, so viele Klagen", berichtet Prinz William später, wie Queen-Biografin Hobbelstad zitiert.

Anders als bei Churchill 1965 sorgten bei Diana 1997 nun die vielen Prominenten für Aufsehen beim Begräbnis: Tom Cruise und Nicole Kidman, Steven Spielberg und selbstverständlich Elton John, der sein modifiziertes "Candle in the Wind" in der Westminster Abbey zum Besten gab. So viel zur Harmonie, seine Trauerrede verwandelte Dianas Bruder schließlich in eine kaum verhüllte Anklage gegen die Royals.

Allein der Passus, der ihre Söhne William und Harry betraf, hatte es in sich. Die beiden sollten "sich frei entfalten können", statt von "Pflichtgefühl und Tradition durchdrungen" zu werden. Ein Schelm, wer bei "Pflichtgefühl und Tradition" nicht an die Queen dachte. Diese allerdings machte Dianas Tugenden zu den ihren. Suchte mehr und mehr die Nähe zum Volk, statt vornehme Distanz zu wahren.

Nun musste sich Großbritannien von Elizabeth II. verabschieden, der Frau, die das Vereinigte Königreich sieben Jahrzehnte lang beherrscht hat. Als sie 1952 ihrem Vater, König Edward VI. nachfolgte, war der Kalte Krieg noch jung, die Kubakrise, die die Welt an den Abgrund eines Atomkriegs führe, noch nicht geschehen. Sie sah die Sowjetunion fallen und China aufsteigen, Großbritanniens Eintritt in die Europäische Union und dann den Abschied vom Staatenbund.

"Bereit, meinem Schöpfer zu begegnen"

Das Zeitalter von Queen Elizabeth II. war eines voller dramatischer Veränderungen, Großbritannien hat in dieser Zeit viel an Bedeutung verloren. Das britische Königshaus wohl nicht. Denn die Königin war eine geradezu aus der Zeit gefallene Persönlichkeit, gegenwärtig und historisch zugleich. So erweist die Welt der Queen nun auch Respekt und Ehrerbietung.

Wie bei Großbritanniens letztem Staatsbegräbnis 1965 erschienen Könige und Königinnen, dazu Präsidenten und Regierungschefs aus aller Welt. Und zahlreiche Adlige selbstverständlich. Russland allerdings war nicht vertreten, der Grund ist verständlich. Die Anwesenden verabschiedeten mit der Queen eine Frau, die Großbritanniens Monarchie verkörperte.

Winston Churchill, Lady Diana und die Queen: Diese drei großen Begräbnisse markieren die Geschichte und Veränderung Großbritanniens der letzten 70 Jahre (von der "Eisernen Lady", Margaret Thatcher, abgesehen). Das im Zweiten Weltkrieg siegreiche Land, das trotzdem sein Empire verloren geben musste, die Nation, die mit Lady Diana die Herzlichkeit lernte und mit Queen Elizabeth II. nun Abschied von einer Institution nehmen muss.

Abschied nehmen tut weh, leichter fällt es mit Humor, einer Paradedisziplin der Briten. "Ich bin bereit, meinem Schöpfer zu begegnen", sagte Churchill einmal. "Ob mein Schöpfer auf die Tortur vorbereitet ist, mich zu treffen, ist eine andere Sache."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Peter Alter: Winston Churchill, 2006
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