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Reichstagsbrand 1933: Und wenn doch die Nazis das Feuer legten?


Reichstagsbrand 1933
Und wenn es doch die Nazis waren?

MeinungVon Uwe Soukup

Aktualisiert am 26.02.2023Lesedauer: 4 Min.
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Berlin: In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 brannt der Reichstag.Vergrößern des Bildes
Berlin: In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 brannte der Reichstag. (Quelle: Mary Evans Picture Library/dpa)

Ende Januar 1933 war Adolf Hitler Reichskanzler, aber noch nicht unumschränkter Diktator. Dazu verhalf ihm erst einen Monat später der Brand des Reichstags. Wer aber legte das Feuer? Ein neues Buch blickt hinter die Kulissen.

Wer hat im Februar 1933 den Brand im Reichstag gelegt? Und damit Adolf Hitler und den Nationalsozialisten den Aufbau ihrer Diktatur mindestens erleichtert? Seit Jahrzehnten herrscht über diese Frage erbitterter Streit. War es wirklich der dafür zum Tode verurteilte Niederländer Marinus van der Lubbe – oder legten die Nazis Hand an? Der Journalist Uwe Soukup hat ein Buch dazu geschrieben. Lesen Sie hier einen Auszug:

Am Abend des 27. Februar 1933 brannte der Berliner Reichstag. Noch in der gleichen Nacht begann der Nazi-Terror, der von da an über zwölf Jahre wütete und der die noch immer unfassbaren Verbrechen Hitler-Deutschlands erst ermöglichte. Hitler war der letzte Reichskanzler der Weimarer Republik und regierte zum Zeitpunkt des Brandes gerade mal vier Wochen; ein scheinbar normaler, ziviler Reichskanzler.

Die Weimarer Republik fand nicht am Tag der Machtübertragung an Hitler ihr Ende, am 30. Januar 1933 – sondern am 27. Februar 1933, als in Berlin der Reichstag Opfer der Flammen und Hitler unumschränkter Diktator wurde. In diesen ersten vier Wochen geschahen Dinge, die sich in der Rückschau kaum anders als eine systematische Vorbereitung auf den Tag des Reichstagsbrandes interpretieren lassen.

Dieser Text stammt aus dem neu erschienen Buch "Die Brandstiftung. Mythos Reichstagsbrand – Was in der Nacht geschah, in der die Demokratie unterging" von Uwe Soukup.

Ständig wurden Zeitungen für Tage oder Wochen verboten und rechtlich höchst zweifelhafte "Notverordnungen" erlassen. Nur fünf Tage vor dem Reichstagsbrand hatten die Nazis, ein beispielloser Vorgang, SA, SS und den "Stahlhelm" zu einer "Hilfspolizei" aufgewertet; und schon in der Brandnacht zogen die SA-Horden durch die Städte, verhafteten nach Belieben, folterten die Gefangenen in ersten improvisierten KZs, mordeten.

Auch das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 basierte letztendlich auf der Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933. Wir reden hier also nicht über eine Kleinigkeit. Die unglaublichen Verbrechen der Nazis, der millionenfache Mord an den Juden sowie der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion konnten nur von einem Terrorregime verübt werden – und dieser Terror begann in der Nacht des Reichstagsbrandes.

Uwe Soukup, Jahrgang 1956, ist Erziehungswissenschaftler, freier Journalist und Buchautor.

Dessen ungeachtet wählten mehr als die Hälfte der Deutschen am 5. März 1933, knapp eine Woche nach dem Brand, die Nazis nicht, und durchaus nicht alle Nazi-Wähler wären für einen "Feldzug gegen Russland" oder die millionenfache Ermordung der europäischen Juden zu gewinnen gewesen. Zwar hatte Hitler Absichten dieser Art in seinem Buch Mein Kampf formuliert, aber wer hatte das denn wirklich gelesen?

Und konnte man das ernst nehmen? Unbestritten und unbestreitbar ist die Tatsache, dass der Reichstagsbrand von den Nazis sehr effektiv genutzt wurde, um ihre Diktatur und damit ihren Terror zu installieren. Über die Frage aber, ob die Nazis den Brand, den sie so gut nutzten, auch selbst gelegt hatten, wird seit Jahrzehnten gestritten. Während der zwölf Jahre des "Tausendjährigen Reiches" konnte in Deutschland über diese Frage nicht diskutiert werden; das versteht sich von selbst.

Danach galt es als selbstverständlich, dass die Nazis, die so sehr von dem Großfeuer im Reichstag profitierten, es wohl auch selbst gelegt hatten. Allerdings hatte sich niemand die Mühe gemacht, den Vorgang wirklich zu erforschen. Dann, Ende der Fünfzigerjahre, haben ein Beamter des niedersächsischen Verfassungsschutzes, das Nachrichtenmagazins "Spiegel" und später das Institut für Zeitgeschichte gemeinsam eine neue Theorie über die Entstehung des Reichstagsbrandes in die Welt gesetzt bzw. wissenschaftlich anerkannt, die, obwohl unbewiesen und unbeweisbar, bis heute von vielen Historikern als gesichert angenommen wird.

Es ging, so viel sei vorweggenommen, dabei nicht ganz mit rechten Dingen zu, als das Institut für Zeitgeschichte die Arbeit des Verfassungsschutzbeamten Fritz Tobias im Jahr 1964 als historische Wahrheit erkannte. In der Folge hat sich der weitaus größte Teil der Historiker, nicht nur in der Bundesrepublik, auf die vom renommierten Institut für Zeitgeschichte als historisch korrekt deklarierte Erkenntnis verlassen, ein halb blinder holländischer "Anarchist" oder "Rätekommunist", so die üblichen Etikettierungen, hätte den Reichstag im Alleingang innerhalb weniger Minuten und ohne Helfer und Hilfsmittel in ein flammendes Inferno verwandeln können; die Nazis hätten damit, anders als in der damaligen Zeit von der Mehrheit der Bevölkerung angenommen, schlichtweg nichts zu tun gehabt.

Kritiker dieser Theorie werden seit Jahrzehnten als Lügner, Fälscher und Verschwörungstheoretiker abgetan. Zugegeben, nicht immer haben alle Kritiker der Alleintäterthese besonders klug agiert. Dennoch ist es an der Zeit, diese Theorie grundsätzlich infrage zu stellen und zu prüfen. Ist es nicht vollkommen egal, so könnte man einwenden, wer den Reichstag angezündet hat? Welche Rolle spielt diese eine Sachbeschädigung angesichts des millionenfachen Judenmordes und der unvorstellbaren Gewaltakte deutscher Truppen während des Zweiten Weltkrieges?

Das ist doch vor diesem Hintergrund vollkommen unerheblich. So argumentieren einige. Doch die Diskussion um den Reichstagsbrand hat Gewicht, denn, so wenden andere ein, es handelt sich um die folgenreichste Tat politischer Kriminalität in der Geschichte der Menschheit. Erst durch ihn wurde das Unmögliche möglich, das Unfassbare schreckliche Realität.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Uwe Soukup: "Die Brandstiftung. Mythos Reichstagsbrand – Was in der Nacht geschah, in der die Demokratie unterging", München 2023
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