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Costa Concordia: "Nie wieder eine Kreuzfahrt"


Panorama
"Nie wieder eine Kreuzfahrt"

Von afp, dpa, dapd
Aktualisiert am 18.01.2012Lesedauer: 3 Min.
Als sich die "Costa Concordia" bedrohlich neigt, geraten die Passagiere in PanikVergrößern des BildesAls sich die "Costa Concordia" bedrohlich neigt, geraten die Passagiere in Panik (Quelle: dapd/dpa)
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Als Freitagnacht das Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" vor der toskanischen Küste einen Felsen rammt, leck schlägt und sich immer bedrohlicher zur Seite neigt, spielen sich dramatische Szenen ab. Der Strom fällt aus, bei Notbeleuchtung drängeln sich Tausende, um einen Platz in den Rettungsbooten zu ergattern. Aus Verzweiflung springen einige Menschen über Bord. Über 4000 Menschen konnten aus dem sinkenden Luxusliner gerettet werden, aber nach 14 Passagieren wird noch immer gesucht. Mindestens sechs Menschen starben bei dem Unglück, darunter auch der Ehemann der Französin Nicole Servel, der ihr seine Schwimmweste gab - und selbst in den eisigen Fluten ertrank.

"Ich verdanke mein Leben meinem Ehemann", sagte Servel der Zeitung "Figaro" und dem Sender RTL. "Er hat mir seine Rettungsweste gegeben, weil ich nicht schwimmen kann. 'Spring, spring', hat er gesagt." Als sie gezögert habe, sei ihr Mann zuerst gesprungen und habe ihr noch zugerufen: "Mach' dir keine Sorgen! Ich schaffe es." Das Wasser sei acht Grad kalt gewesen. "Dann habe ich ihn nicht mehr gesehen."

"Völlige Panik" auf dem Schiff

Servel, die die Kreuzfahrt auf der "Costa Concordia" zum 60. Geburtstag von ihren Kindern geschenkt bekommen hatte, sprach von "Panik, völliger Panik" auf dem Schiff. Sie seien immer wieder weggedrängelt worden, Menschen seien hingefallen, "auf uns drauf". Das Kreuzfahrtschiff sei dann langsam gesunken. Da habe ihr Mann gesagt: "Wir müssen springen, wir müssen springen, sonst werden wir überflutet." Nicole Servel und ihr Mann Francis aus Ramonville-Saint-Agne in der Nähe des südfranzösischen Toulouse hätten sich noch ein letztes Mal umarmt - dann seien sie gesprungen.

Nicole Servel versuchte, im eisigen Wasser zu schwimmen, wie lange, weiß sie nicht mehr - schließlich klammerte sie sich an Felsen fest. "Als ich im Wasser war, allein, auf dem Wasser treibend, habe ich an meine Kinder gedacht und an meine Enkelkinder. Um zu versuchen, durchzuhalten. Um zu versuchen, zu überleben." Bewohner der Insel Giglio kamen ihr schließlich zu Hilfe, brachten sie in eine Kirche, und in ein Priestergewand gehüllt wärmte sie sich auf.

Deutscher Passagier erhebt schwere Vorwürfe

Auch der Schleswig-Holsteiner Herbert Rohwedder war an Bord der "Costa Concordia" und wirft der Schiffsführung "totales Versagen" vor. In dem Chaos hätten nur die unteren Dienstgrade - darunter viele Asiaten - zu helfen versucht, sagte der 64-jährige ehemalige Landwirt aus Nortorf. Auch diese hätten allerdings nur wenig Ahnung gehabt, wie man die Rettungsboote zu Wasser lässt, sagte er. Er war zusammen mit seiner Frau Telse und seinem Schwager Gerhard Looft und dessen Frau Birgit aus Wilster im Kreis Steinburg an Bord gewesen.

Bei der Schiffskatastrophe wurden die beiden Männer von ihren Frauen getrennt, wussten erst nicht, ob diese überhaupt noch leben. Beide Frauen durften zunächst in ein Rettungsboot, das sich aber nicht losmachen ließ. Als die Wellen auf der Schlagseite des Kreuzfahrtschiffes immer höher schlugen, sprangen sie mit Schwimmwesten ins Wasser und schwammen an Land - "immer in Furcht, das Schiff könnte auf sie stürzen", sagte Gerhard Rohwedder.

Er und sein Schwager waren auf die andere Seite des Schiffs gerannt, um in einem anderen Rettungsboot unterzukommen, was auch gelang. "Wir sahen dabei aufs offene Meer und wussten gar nicht, wie nah wir an Land waren. Kaum um den Schiffsrumpf herum sahen wir schon den Hafen. Nach fünf bis zehn Minuten waren wir in Sicherheit."

30 Stunden in der Kabine eingeschlossen

Ein am Sonntagmorgen nach 30 Stunden gerettetes südkoreanisches Hochzeitspaar berichtete von dem Alptraum, den es statt der erhofften Traum-Flitterwochen an Bord des Luxusliners erlebte. Der 29 Jahre alte Lehrer Han Ki Deok und seine gleichaltrige Frau Jeong Hye Jin sagten der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap, sie hätten sich am Freitagabend nach dem Essen in ihrer Kabine Schlafen gelegt und zunächst nichts von dem Unglück mitbekommen.

"Als wir aufwachten, kippte das Schiff", schilderte Han. Als sie aus der Kabine auf den Gang gegangen seien, sei das Schiff bereits so stark geneigt gewesen, dass sie sich nicht vorwärtsbewegen konnten. "Wir sind bis zum Ende Korridors gerutscht und haben uns dabei verletzt", sagte der 29-Jährige. Seine Frau und er seien deshalb in ihre dunkle Kabine zurückgekehrt und hätten dort ausgeharrt, mit ein paar Keksen und etwas Wasser als einziger Verpflegung. Sie hätten geschrien, bis sie heiser waren, und an ihren Rettungswesten angebrachte Pfeifen betätigt.

Erst nach 30 Stunden wurde das Paar schließlich gerettet. Jetzt wollen die beiden nach eigenen Worten eine zweite Hochzeitsreise starten, aber "nie wieder eine Kreuzfahrt".




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