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Putins fliegende Provokateure


Putins fliegende Provokateure

Von Markus Becker, Spiegel Online

24.04.2014Lesedauer: 3 Min.
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Russische Tupolew-Bomber haben sich den Lufträumen der Niederlande und Großbritanniens gefährlich genähert.Vergrößern des Bildes
Russische Tupolew-Bomber haben sich den Lufträumen der Niederlande und Großbritanniens gefährlich genähert. (Quelle: / Itar-Tass/imago-images-bilder)

Russische Bomber simulieren Angriffe, dringen in fremden Luftraum ein - westliche Kampfjets steigen auf und zeigen Stärke: Solche Manöver sind fast ein militärisches Ritual. Doch es geht auch darum, Informationen über potentielle Gegner zu sammeln.

Die Schlagzeile auf der Webseite von SVT klang dramatisch: "Erneut russische Bomber-Übungen über Schweden", titelte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender, der damit sogar noch untertrieb. Im Text konkretisierte Anders Persson, taktischer Befehlshaber der schwedischen Luftwaffe, dass die Russen - zwei Bomber und drei Begleitflugzeuge - eine Stunde lang Luftangriffe simuliert hätten. Und das nicht nur auf die Südspitze Schwedens, sondern auch auf Polen und das Baltikum.

Zu dem Zwischenfall kam es Mitte November 2013. Wie auch beim jüngsten Vorfall, bei dem sich zwei russische Langstreckenbomber den Lufträumen der Niederlande und Großbritanniens genähert hatten, stiegen Abfangjäger auf, in diesem Fall vom Typ Saab JAS39 "Gripen".

Zu derartigen Aktionen ist es im Kalten Krieg und auch danach immer wieder gekommen. Üblicherweise werden allein mehrere Fälle pro Jahr öffentlich bekannt, eine unbekannte Zahl weiterer Zwischenfälle dürfte in den Archiven der Militärs landen.

  • Im April 2012 überflogen russische Tupolew-95-Bomber den Nordatlantik. Gleich vier Staaten - Großbritannien, Belgien, Norwegen und Dänemark - ließen Eurofighter- und F-16-Kampfjets aufsteigen, um die Russen aus der Nähe zu beobachten.
  • Im Juni 2013 führte Russland gleich zwei Übungen an der Grenze des finnischen Luftraums durch. Auch hier stiegen Abfangjäger auf. Das Verteidigungsministerium in Helsinki beschuldigte Russland anschließend, den finnischen Luftraum verletzt zu haben. Moskau dementierte.
  • Nach Angaben der Regierung Litauens nähern sich russische Flugzeuge inzwischen im Wochentakt dem litauischen Luftraum auf eine Weise, dass Abfangjäger starten müssen.

Die Wirkung dieser Aktionen zeigte sich exemplarisch an einem Vorfall zu Ostern 2013, als die russische Luftwaffe Angriffe nahe der unbewohnten schwedischen Ostseeinsel Gotska Sandön flog. Eine schwedische Reaktion blieb aus oder kam zu spät, obwohl eigentlich immer eine Alarmrotte aus zwei Abfangjägern startbereit sein sollte. Innerhalb der Streitkräfte des Landes führte das zu einer Debatte über deren Fähigkeit zur Luftverteidigung, berichtete SVT. Deshalb seien bei dem erneuten Scheinangriff im November 2013 Abfangjäger eingesetzt worden. "Wir wollten zeigen, dass wir aufmerksam sind", so Persson.

Vermutlich Aufklärungstechnik an Bord russischer Flugzeuge

Damit könnten die Russen eines ihrer Ziele erreicht haben: herauszufinden, wie verteidigungsbereit die Luftstreitkräfte anderer Staaten sind. "Wenn sich Bomber dem Luftraum eines Landes nähern, ist natürlich allen klar, dass sie gesehen werden", sagt ein ehemaliger Bundeswehr-Offizier und Kampfpilot zu SPIEGEL ONLINE. "Deshalb ist das einerseits ein militärisches Muskelspiel, andererseits aber auch mehr als das."

Vermutlich, so der Ex-Pilot, befinde sich an Bord der russischen Bomber Technik zur signalerfassenden Aufklärung, im Militärjargon Sigint (Signals Intelligence) genannt. Dabei werden beispielsweise der Funkverkehr oder die Positionen von Radar- und Flugabwehrstellungen eines potentiellen Gegners erfasst. Je weiter man sich dessen Luftraum nähert, desto tiefer kann man in ihn hineinsehen. "Früher brauchte man dazu Spezialflugzeuge, die leicht als solche zu erkennen waren", so der Ex-Pilot. "Heute aber kann man entsprechende Spezialausrüstung auch im Inneren eines anderen Flugzeuges unterbringen."

Sollten die Russen solche Informationen sammeln, wäre das keineswegs ungewöhnlich. "Für die Streitkräfte eines Landes ist es immer interessant zu wissen, wie ein Gegner auf eine Bedrohung reagiert, wie schnell er es tut und in welcher Form", erklärt der ehemalige Offizier. Militärs versuchten stets, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.

"Bundeswehrpiloten kannten Angriffsziele im Osten auswendig"

Das gilt auch für westliche Streitkräfte. "Im Kalten Krieg lagen fertige Pläne für Luftangriffe immer in der Schublade", sagt der ehemalige Kampfflieger. "Als Bundeswehrpilot musste man potentielle Angriffsziele im Osten auswendig kennen." Auch sei man gern mit hoher Geschwindigkeit in die Luftraumüberwachungszone entlang der deutsch-deutschen Grenze geflogen. "Das haben wir nur getan, um zu zeigen, dass wir es können."

Die Russen könnten bei der Übung im November 2013 das Gleiche im Sinn gehabt haben, wie auch der schwedische Luftwaffen-Offizier Persson vermutet: "Ich glaube, sie wollten zeigen, dass sie diese Art von Aktion durchführen können." Allerdings gebe es einen bedeutenden Unterschied zwischen Schweden und Russland: "Wenn wir üben, tun wir das gemeinsam mit einer anderen Nation und suchen uns nicht einfach Ziele auf dem Gebiet anderer Staaten aus."

Die Nato reagierte prompt auf das Bomber-Manöver: Kommende Woche will Großbritannien vier Eurofighter-Jets nach Litauen entsenden, um die Nato-Luftabwehr im Baltikum zu verstärken. Außerdem sollen vier dänische F-16-Kampfflugzeuge in Estland stationiert werden. Üblicherweise hat die Nato vier Flugzeuge für die Überwachung in den baltischen Staaten, ab kommender Woche sind es dann zwölf.

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