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Putin-Gegner Kara-Mursa muss 25 Jahre in Haft: Die Rache Russlands


Tagesanbruch
Putin führt einen zweiten Krieg

  • David Schafbuch
MeinungVon David Schafbuch

Aktualisiert am 19.04.2023Lesedauer: 5 Min.
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Wladimir Kara-Mursa: Der russische Oppositionelle wurde zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt.Vergrößern des Bildes
Wladimir Kara-Mursa: Der russische Oppositionelle wurde zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt. (Quelle: AP)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

haben Sie schon einmal auf der Anklagebank eines Gerichtssaals gesessen? Ich noch nicht, aber ich wäre sicher sehr angespannt: Alle Augen sind auf einen gerichtet. "War er's oder war er's nicht?", fragen sich die Leute im Saal. Was wird der Richter für ein Urteil sprechen?

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Beinahe etwas entspannt wirken vor diesem Hintergrund die Worte von Wladimir Kara-Mursa: "Ich unterschreibe jedes Wort, das ich gesagt habe und dessen ich heute in dieser Anklage beschuldigt werde", soll der 41-Jährige vor der Urteilsverkündung gegen ihn gesagt haben. Er zeige auch keine Reue, er sei im Gegenteil stolz auf seine Taten.

Kara-Mursa ist ein mutiger Mann. Immer wieder hatte er in den vergangenen Monaten den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kritisiert. In dieser Woche erhielt er dafür sein Urteil: 25 Jahre russisches Straflager. Ihm wurden angeblicher Hochverrat und Diskreditierung der russischen Armee vorgeworfen. Noch nie wurde ein russischer Oppositioneller zu einer solch harten Strafe verurteilt. Zur Erinnerung: Der weltbekannte Kremlkritiker Alexej Nawalny verbüßt gerade eine neunjährige Haftstrafe.

Und doch, oder vielleicht sogar gerade deshalb: Kara-Mursa nahm sein Urteil mit einem gewissen Stolz entgegen. "25 Jahre – das ist die höchstmögliche Punktzahl, die ich bekommen konnte dafür, dass ich das getan habe, woran ich als Bürger, als Patriot, als Politiker glaube", sagte er laut seiner Anwältin nach der Urteilsverkündung. Allein während seiner Untersuchungshaft soll er etwa 20 Kilo Gewicht verloren haben, zudem leidet er unter einer Nervenkrankheit. 25 Jahre Straflager klingen da fast wie ein langsam vollstrecktes Todesurteil.

Der Fall Kara-Mursa erschüttert. Und doch ist er nur ein Beispiel für den zweiten Krieg, den der russische Präsident Wladimir Putin führt. Die Schauplätze dieses Kampfes sind nicht die Straßen, Felder oder Schützengräben in der Ukraine, sondern russische Gerichtssäle, polizeiliche Verhörräume und dunkle Gefängniszellen. Wie jeder Autokrat kann der russische Präsident Widerworte gegen seine eigenen Fehler immer weniger ertragen. Deshalb schlägt er auch in Russland immer härter zu. Wer die staatliche Kriegspropaganda nicht schluckt, soll mundtot gemacht werden.

Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine zählt die unabhängige Menschenrechtsorganisation OVD-Info fast 500 Fälle, in denen sich Menschen in Russland wegen Kritik an der Invasion vor Gericht verantworten müssen. Die Geschichte von Kara-Mursa lässt sich leicht als eine Blaupause verstehen, wie der Kreml mit Menschen umgeht, die seinem Weltbild widersprechen.

Schon lange vor seiner Verurteilung war der Lebensweg des 41-Jährigen eine Art Best-of-Sammlung an Grausamkeiten, die der russische Machtapparat für Oppositionelle parat hat. Einst war der Politiker ein enger Vertrauter des Oppositionellen Boris Nemzow, der 2015 ermordet wurde. Nur wenige Monate später wurde auf Kara-Mursa ein Giftanschlag verübt, zwei Jahre später folgte der nächste, was zu seiner Nervenkrankheit führte. Medienrecherchen legen nahe, dass in beide Anschläge Personen involviert waren, die für den russischen Geheimdienst FSB tätig waren. Sie sollen später auch Nawalny vergiftet haben. Die Verurteilung von Kara-Mursa wirkte jetzt fast wie ein Racheakt. Der verantwortliche Richter wurde einst auf sein Drängen auf eine Sanktionsliste der USA gesetzt.

Doch es sind längst nicht mehr nur prominente russische Kritiker, die in das Fadenkreuz des Regimes geraten können. Seit Ende März sitzt der amerikanische Journalist Evan Gershkovich nach seiner Festnahme in Jekaterinburg in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: angebliche Spionage. Beweise wurden bisher keine geliefert. Eine Beschwerde gegen seine Haft wurde gestern in Moskau abgelehnt. Auch ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu 20 Jahre Haft.

Für Putin sind Personen wie Gershkovich nichts weiter als Verhandlungsmasse. Schon länger wird spekuliert, dass der 32-Jährige früher oder später gegen einen russischen Häftling in den USA ausgetauscht werden könnte. Ähnlich wie im Fall Brittney Griner: Die Basketballerin wurde im vergangenen Jahr in Russland zu neun Jahren Haft verurteilt – wegen eines halben Gramms Haschischöl, das am Flughafen in ihrem Gepäck gefunden wurde. Nach zehn Monaten war die 32-Jährige wieder frei – im Tausch gegen einen russischen Waffenhändler.

Auch das Beispiel von Griner zeigt, dass die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit in Russland längst keine Bedeutung mehr haben. Und ein Ende scheint nicht in Sicht: Erst gestern wurde ein weiteres Verfahren gegen Alexej Nawalny eingeleitet. Eine angebliche "Störung des Betriebs" in seinem Gefängnis könnte ihm bis zu fünf weitere Jahre dort einbringen. Auch um seine Gesundheit steht es schlecht. Zuletzt hieß es von seinen Anwälten, er leide an einer unbekannten Krankheit. Acht Kilo soll der ohnehin schon abgemagerte Oppositionelle noch einmal verloren haben.


80 Jahre nach der Katastrophe

Es ist eine große Ehre für Bundespräsident Frank Walter Steinmeier. Heute, am 80. Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto, wird er als erstes deutsches Staatsoberhaupt eine Rede halten. Während der vier Wochen dauernden Kämpfe, in denen sich die jüdische Bevölkerung gegen die nationalsozialistischen Besatzer zur Wehr setzte, wurden rund 56.000 Juden erschossen oder deportiert.

"Es ist bis heute ein Wunder, dass Jüdinnen und Juden, Polinnen und Polen uns Deutschen nach den Verbrechen unserer Vorfahren überhaupt die Hand gereicht haben", teilte Steinmeier vor dem Abflug nach Polen mit. Er wird an der Gedenkzeremonie gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Polen und Israel, Andrzej Duda und Izchak Herzog, teilnehmen. Steinmeier wird seine Rede am Denkmal der Helden des Ghettos halten. Dort, wo Bundeskanzler Willy Brandt einst auf Knien um Vergebung bat.

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Peinliche Panne

Hätten Ihnen zwei Extratage beim Lernen für das Abitur geholfen? Vielleicht haben gestern Abend einige Schüler in Nordrhein-Westfalen deswegen gejubelt: Wegen einer technischen Panne wurden dort die Prüfungen in Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik, Physik und Technik kurzfristig von heute auf Freitag verschoben.

Probleme gab es offenbar gestern bei vielen Schulen beim Download der Prüfungen. Das Bildungsministerium arbeitet jetzt an einer Lösung. Viel Zeit bleibt nicht: Denn heute Mittag sollen die nächsten Prüfungen für andere Fächer bereitstehen.


Showdown in München

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"Vielleicht ist was Magisches möglich", orakelte Bayern-Urgestein Thomas Müller. Auch City-Kapitän Ilkay Gündogan warnte meinen Kollegen Julian Buhl vor den Münchnern. Die Vorzeichen für einen hohen Sieg der Bayern stehen aber schlecht: Während die Formkurve dort seit dem Trainerwechsel von Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel noch weiter nach unten geht, kommt Manchester mit zehn Siegen in Serie nach München.


Ohrenschmaus

Wo wir gerade bei Manchester sind: Fußballerisch würde ich den Bayern natürlich den Sieg mehr gönnen, musikalisch hat Manchester dagegen bei mir die Nase vorn. Passenderweise kommt der Song heute von einem sehr bekannten City-Fan.


Lesetipps

Die letzten drei deutschen Atomkraftwerke sind nicht mehr am Netz. Doch beendet ist das Kapitel noch lange nicht. Meine Kollegin Theresa Crysmann erklärt Ihnen, wie der Rückbau funktioniert.


Seit Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine sind die Beziehungen zu Russland auf einem Tiefpunkt. Nun stoppt das Auswärtige Amt ein teures Bauprojekt in Moskau, wie meine Kollegen Johannes Bebermeier und Annika Leister berichten.


1993 spielen sich rund um eine fanatische Sekte kriegsähnliche Zustände in Texas ab. Mehr lesen Sie hier.


Der Tankstellenbetreiber Aral gehört zum Mineralölkonzern BP, dennoch setzt das Unternehmen verstärkt auf Elektromobilität. Meine Kollegin Frederike Holewik hat mit Aral-Vorstand Alexander Junge darüber gesprochen, was das für die Zukunft der Tankstellen bedeutet.


Zum Schluss

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Mittwoch. Morgen schreibt Florian Harms den Tagesanbruch.

Herzliche Grüße

Ihr

David Schafbuch
Redakteur Politik und Panorama
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Mit Material von dpa.

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