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Joe Biden und Xi Jinping: Darum geht es beim Gipfel der USA und China


Tagesanbruch
Maximale Konfrontation

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 15.11.2023Lesedauer: 6 Min.
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Amerikanische Aufnahme eines chinesischen J-11-Kampfjets über dem Meer nahe Taiwan.Vergrößern des Bildes
Amerikanische Aufnahme eines chinesischen J-11-Kampfjets über dem Meer nahe Taiwan. (Quelle: U.S. Indo-Pacific Command via AP)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Geschichte wiederholt sich nicht, Parallelen bringt sie aber schon hervor. Ein Blick 1.400 Jahre zurück lehrt uns nicht nur einiges über das Damals. Sondern auch über das Heute. Zwei Riesenreiche standen sich ab dem 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung gegenüber, mächtig, selbstbewusst, hochgerüstet: im Westen Rom, im Osten Persien. Beide beanspruchten die Vormachtstellung in der Welt. Das konnte nicht lange gut gehen, und so verstrickten sie sich in eine Dauerkrise, die in mehrere Kriege und schließlich ihren Niedergang mündete. Nach einer letzten großen Schlacht Anfang des 7. Jahrhunderts wurden die beiden erschöpften Reiche eine leichte Beute für die Araberheere: Erst kollabierten die persischen Sassaniden, dann Ostroms Orientprovinzen. Westrom war da schon längst zu einem Provinzkaff herabgesunken, in Babylon war auch nicht mehr viel los. Es war das Ende der Antike.

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Wenn US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping heute am Rande eines Wirtschaftsgipfels in San Francisco aufeinandertreffen, wird vermutlich niemand an die Antike denken. Vielmehr wird die Weltpresse mit Abertausenden Kameras auf jede kleine Regung der beiden mächtigsten Männer auf Erden starren: Wer wirkt stärker, wer macht einen Fehler, wer setzt sich durch? Formal wollen Amerikaner und Chinesen keine wegweisenden Beschlüsse fassen. Aber natürlich geht es beim ersten Zusammentreffen der Oberbosse seit einem Jahr – nach dem Streit über Spionageballons und Russlands Angriffskrieg, dem Säbelrasseln gegen Taiwan und dem Bann wertvoller Computerchips – um alles oder nichts: Es ist die letzte Möglichkeit für einen Ausgleich, bevor in den USA die Wahlkampfschlacht beginnt, an deren Ende Donald Trump wieder im Weißen Haus sitzen könnte. Es geht darum, zwischen den beiden konkurrierenden Weltmächten wieder den Gesprächsfaden aufzunehmen. So gesehen: Das wichtigste Gipfeltreffen des Jahres, wie unser Washington-Korrespondent Bastian Brauns schreibt.

Dabei könnten die Differenzen kaum größer sein. Der US-Präsident führt das Bündnis der westlichen Demokratien an, Chinas leninistisch-marxistischer Diktator schmiedet neue Allianzen mit Pariastaaten von Iran bis Saudi-Arabien. Washington unterstützt die Ukraine und Israel, Peking hilft Putin und hofiert die Hamas. Amerika schützt Taiwan und die dortigen Chipfabriken, China will sie sich einverleiben. Beide Staaten rüsten ihre Armeen massiv auf. Ringen um die Vorherrschaft bei digitalen Technologien wie der künstlichen Intelligenz. Piesacken einander mit Strafzöllen und Sanktionen. Und kleben wirtschaftlich doch wie Pattex aneinander. Eine gefährliche Gemengelage, die unweigerlich in einen großen Krieg schlittern könnte, wie Geheimdienste warnen. "Eine militärische Eskalation zwischen China und den USA ist eine durchaus realistische Möglichkeit", sagt die Asien-Expertin Janka Oertel im Interview mit unserer Redaktion. "Die Unsicherheitsfaktoren nehmen massiv zu."

Trotzdem birgt das Treffen in San Francisco Chancen für eine Annäherung. Denn beide Protagonisten sind angeschlagen: Joe Biden gilt vielen Amerikanern als seniler Opi und muss um seine Wiederwahl bangen. Xi Jinping hat Chinas Wirtschaft durch brachiale Corona-Lockdowns in die Krise getrieben, nun bricht auch noch der Immobilienmarkt ein, die Konjunktur schwächelt, Millionen Jugendliche haben keine Jobs und der Ärger auf das Regime wächst. Da treffen also zwei verletzte Kraftmeier aufeinander, die sich eigentlich keine weitere Eskalation erlauben können. Sie haben daheim genug Probleme.

Genau darin liegt der Lichtblick für uns alle im Rest der Welt: Es ist die Hoffnung, dass Mister Biden und Genosse Xi klug genug sind, aus der Geschichte zu lernen und sich selbst nicht zu überschätzen. Wer heute auf das Stelldichein in San Francisco blickt, darf also zuversichtlich sein.


Schicksalstag für die Ampel

Dem Bundeskanzler und seinen Ministern bläst der Sturm ins Gesicht: Die Zustimmung zu ihrer Politik sinkt, immer mehr Bürger vertrauen den Regierungsparteien nicht mehr. Den Grünen haftet wieder das Image einer Verbotspartei an, die FDP wird als egoistische Krawalltruppe wahrgenommen, der SPD-Kanzler gilt als blasser Bürokrat.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Bundesregierung so schlecht dasteht. Aber es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass eine Regierung so ein schlechtes Bild abgibt, während sie mit so vielen gefährlichen Problemen gleichzeitig konfrontiert ist. Im Ukraine-Krieg erstarken die russischen Angreifer, während in Amerika die Unterstützung für Kiew schwindet. Beim neuen Bürgergeld explodieren die Kosten, während viele Bürger den Eindruck bekommen, Arbeit lohne sich gar nicht mehr, weil man nun auch von Staatsknete leben kann. In allen großen Städten fehlen Wohnungen, neue Häuser werden aufgrund der Inflationspreise jedoch kaum noch gebaut. Die illegale Einwanderung von Migranten soll durch allerlei Regeln begrenzt werden, die realistisch betrachtet erst in Monaten, wenn nicht gar Jahren greifen, Erfolgschancen ungewiss. Beim Klimaschutz hat die Ampel ihre hochtrabenden Pläne de facto eingestampft und schaut zu, wie die Erderhitzung sich rasant der 2-Grad-Marke nähert. Angesichts dieser Zuspitzung ist es schwer vorstellbar, wie die Regierung noch zwei Jahre lang so weitermachen kann.

Zumal die Ampelleute mit weiteren Rückschlägen rechnen müssen. Gleich heute: Am Vormittag urteilt das Bundesverfassungsgericht über den 60-Milliarden-Trick. Diese Summe hatte die Vorgängerregierung als Notkredit zur Corona-Bewältigung in einen Sonderfonds geschoben. Kaum im Amt, bediente sich FDP-Finanzminister Christian Lindner an dem Honigtopf, um die teuren Klimaschutzpläne der Ampel zu bezahlen.

Ob das rechtens war, müssen heute die höchsten Richter entscheiden. Falls nicht, klafft plötzlich eine riesige Lücke in der Finanzplanung. Das wiederum könnte der Anfang vom Ende der Ampelkoalition sein, schreiben unsere Reporter Johannes Bebermeier, Tim Kummert und Sara Sievert.


Was noch?

Die britische Regierung will Asylbewerber künftig ohne Prüfung nach Ruanda abschieben. Das afrikanische Land, in dem Oppositionelle unterdrückt und misshandelt werden, erhofft sich von der Kooperation mehr internationales Gewicht. Ob der zweifelhafte Deal rechtens ist, entscheidet heute der Supreme Court in London. Auch deutsche Politiker erwarten das Urteil mit Spannung, denn hierzulande denken manche in eine ähnliche Richtung.

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Die Lokführergewerkschaft GDL will sich gegen die größere Eisenbahnergewerkschaft EVG profilieren und macht deshalb Krawall: Zwei Tage vor der nächsten Verhandlungsrunde will sie ab heute Abend 22 Uhr bis morgen Abend 18 Uhr streiken. Weil Züge ohne Lokführer (derzeit noch) schlecht fahren können, dürfte bundesweit vielerorts Stillstand auf der Schiene herrschen. Wer sich über die Kompromisslosigkeit der GDL wundert, sollte wissen: Ihrem Chef Claus Weselsky geht es bei seiner letzten Tarifverhandlung vor allem um sein Image als harter Hund. Ist mir zu bunt.


Ums Klima steht es nicht gut. Heute veröffentlicht die Weltwetterorganisation in Genf ihren neuen Bericht über Treibhausgase in der Atmosphäre. Die Konzentration von Methan, Kohlendioxid und Lachgas steigt auf Rekordwerte.


Greta Thunberg ist tief gefallen: Früher kämpfte sie glaubhaft für den Klimaschutz, heute blökt sie israelfeindliche Parolen. Während einer Demonstration in London soll sie Auflagen der Polizei missachtet haben. Nun steht die 20-jährige Schwedin vor Gericht.


Umweltschutz geht auch ohne Profilierungssucht: Vertreter von UN-Mitgliedstaaten sowie Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler und Gewerkschaften verhandeln in Nairobi über ein internationales Plastikabkommen. Bis 2024 soll es verbindliche Regeln geben, den Plastikmüll stark einzudämmen. Schön!


Auch Weltrekordversuche sind schön. Gleich sieben wollen Herr Joe Alexander und Herr Muhamed Kahrimanovic, deren Namen mir bisher nicht geläufig waren, heute aufstellen. Darunter die Disziplinen "Dartpfeile mit dem Fuß auf die Dartscheibe werfen" und "Mit verbundenen Augen hochgeworfene Ananas mit einem Samuraischwert zerteilen". Ist doch schön, dass es in der düsteren Welt auch noch Quatschköpfe gibt.


Murks des Tages

Lisa Paus verkämpfte sich für die Kindergrundsicherung und trotzte FDP-Finanzminister Christian Lindner zweieinhalb Milliarden Euro ab. Eigentlich sollten drei Millionen arme Kinder schnell davon profitieren. Stattdessen baut die Grünen-Familienministerin eine neue Behörde mit 5.300 Stellen auf, weil Deutschland noch nicht genug Bürokratie hat. "Die Ampel ist dabei, spektakulär zu scheitern", schreibt die "Süddeutsche Zeitung".


Ohrenschmaus

Wissen Sie noch: Madonna? 65 Jahre ist die Amerikanerin alt (oder jung?) und singt immer noch im Pop-Olymp. Heute gibt sie in Köln das erste Deutschlandkonzert ihrer neuen Tour. Hoffentlich mit diesem Knaller.


Lesetipps

Der Brexit war eine Schnapsidee, das dämmert immer mehr Briten. Immerhin wissen sie nun, wo populistische Politiker enden: im Dschungelcamp. Mein Kollege Philipp Michaelis würdigt den Abstieg der Lügentröte Nigel Farage.


Bisher wollte Putin der russischen Bevölkerung weismachen, dass Russland in der Ukraine gegen Nazis kämpfe. Nun verzapft der Kreml eine andere Geschichte, beobachtet mein Kollege Patrick Diekmann.


Viele Milliardäre werden als wirtschaftliche Genies verehrt. Das ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich, erklärt die Journalistin Heike Buchter im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.


Heizscham, Flugscham, Fleischscham: Warum haben so viele Leute plötzlich ein Problem? Mein Kollege Christoph Schwennicke räumt im Oberstübchen auf.


Zum Schluss

Entspannung hat ihre Tücken.

Ich wünsche Ihnen einen entspannten Tag. Morgen kommt der Tagesanbruch von David Schafbuch, am Freitag lesen Sie wieder von mir.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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