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Treffen von Biden und Xi: Showdown der Supermächte


Biden und Xi in San Francisco
Showdown der Supermächte

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns

15.11.2023Lesedauer: 6 Min.
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Treffen in der globalen Krise: Joe Biden und Xi Jinping in San Francisco.Vergrößern des Bildes
Treffen in der globalen Krise: Joe Biden und Xi Jinping in San Francisco. (Quelle: KEVIN LAMARQUE)

Mitten in einer globalen Sicherheitskrise hängt von Chinas Staatspräsident Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden alles ab. Doch bei ihrem Treffen in San Francisco werden die beiden Staatschefs kaum in der Lage sein, den nächsten Konflikt zu verhindern.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Ein Foto aus dem Jahr 1985 zeigt den jungen Xi Jinping vor der berühmten Golden Gate Bridge in San Francisco. Mit gerade einmal 31 Jahren reiste er zum ersten Mal in seinem Leben in die USA. Damals war Xi noch ein unbekannter politischer Beamter aus einer ärmlichen chinesischen Provinz. In Amerika wollte er sich Wissen über fortschrittlichen Ackerbau aneignen.

Lange Zeit nutzte China dieses Foto gerne, um Xis seit Langem bestehende tiefe Verbundenheit mit den USA zu demonstrieren. Doch die einstige Sympathie ist zunehmend in Abneigung umgeschlagen.

Wenn Xi Jinping am heutigen Mittwoch nach San Francisco zurückkehrt, reist er an als einer der mächtigsten Männer der Welt. Und als ein Präsident Chinas, der wie wohl keiner zuvor die Vereinigten Staaten als Rivalen betrachtet.

Beim Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) trifft Chinas Staatschef zum ersten Mal auf amerikanischem Boden auf US-Präsident Joe Biden. Die Begegnung ist bitter nötig, denn die Beziehungen der beiden Supermächte verschlechtern sich seit Jahren immer weiter.

Mehr noch: Sie befinden sich an einem historischen Tiefpunkt. Zuletzt gab es unter anderem Ärger wegen mutmaßlicher Spionage-Ballons über amerikanischem Territorium, zudem kam es zu militärischen Zwischenfällen, bei denen kürzlich etwa ein chinesischer Kampfjet einem amerikanischen Bomber bis auf drei Meter heran viel zu nahe kam.

Kleine Hoffnungen, große Erwartungen

Dass Xi darum dieses Mal Zeit für ein ähnlich entspanntes Foto vor der Golden Gate Bridge finden wird, ist unwahrscheinlich. Innerhalb von nur rund vierzig Jahren sind er und China zum größten Konkurrenten der USA aufgestiegen. Längst gilt das Reich der Mitte als die neue, aufstrebende Supermacht auf dem Planeten.

Biden wird in San Francisco einer schier unlösbaren Aufgabe gegenüberstehen. Einerseits muss er, um amerikanische und letztlich auch westliche Interessen zu vertreten, dem chinesischen Präsidenten klare Grenzen aufzeigen und Druck aufbauen. Andererseits muss er im Sinne des Friedens auf Kooperation setzen und Xi auch entgegenkommen. Was diese Sache besonders schwierig macht: In Amerika wächst ein Jahr vor der Wahl dabei auch der Druck auf Biden selbst. Viele verlangen von ihm eine noch härtere Gangart gegen China. Selten waren sich darin Behörden, aber auch die Wähler und Politiker beider Parteien so einig.

China hat in den letzten Jahren sowohl militärisch als auch wirtschaftlich und politisch stark an Einfluss gewonnen. Besonders besorgniserregend ist dabei sein unverhohlenes Trachten nach der Insel Taiwan und dem Pazifik. Diese Entwicklungen zusammengenommen gelten inzwischen als eine der größten Gefahren für einen drohenden, schwerwiegenden Konflikt und sogar einen Krieg mit Amerika. Dass Chinas Flotte die amerikanische in Teilen zahlenmäßig längst überholt hat, ist ständig Thema in allen US-Medien und den politischen Debatten.

Das seit Langem geplante Gipfeltreffen zwischen Xi Jinping und Joe Biden in San Francisco soll deshalb zwar mehr sein als nur eine Polit-Show. Zumindest besteht die Hoffnung, dass dieser erste längere und persönliche Austausch zwischen den beiden mächtigsten Präsidenten in der aktuellen Weltlage mit seinen vielen Kriegen zur Entspannung beitragen kann. Auch aus deutschen Diplomatenkreisen heißt es deshalb: "Es ist gut und wichtig, dass dort gesprochen wird."

Kritik an Bidens Umgang mit China

Zugleich aber erscheinen die Probleme zwischen den Supermächten inzwischen so immens, dass auch die persönliche Begegnung zwischen Xi und Biden daran kaum etwas ändern dürfte. Reden reicht längst nicht mehr aus, sagen Beobachter wie zum Beispiel die Regierungsbehörde USCC (US-China Economic and Security Review Commission). In ihrem am Dienstag veröffentlichen Report bemängelt die unabhängige Wirtschaftskommission, die die amerikanisch-chinesischen Beziehungen überwacht:

"Das Ergebnis hochrangiger Treffen zwischen den Vereinigten Staaten und China war lediglich das Versprechen weiterer Treffen – das bedeutet, es gibt mehr Gespräche als konkrete Maßnahmen." China scheine demnach die Diplomatie mit den Vereinigten Staaten in erster Linie nur als Verzögerungsinstrument zu betrachten, um dem Druck der USA über die Zeit zu entkommen. Währenddessen würde China aber die Entwicklung der eigenen wirtschaftlichen, militärischen und technologischen Fähigkeiten immer weiter vorantreiben, so die Autoren.

Von Chinas militärischer Unterstützung Russlands im Ukraine-Krieg über seinen Einfluss auf europäische Staaten bis zu seinem aggressiven Vorgehen im Pazifik – der drastische Report beschreibt in fünf langen Kapiteln, gedruckt auf mehr als 750 Seiten, für wie gewaltig die USA die Gefahr durch China einschätzen. Hinzu kämen die Risiken durch den Daten- und Ideenklau, Spionage, Handelskonflikte, Cyber-Angriffe, gezielte Desinformation und Menschenrechtsfragen.

Für Joe Biden, der den Bericht seiner China-Behörde noch kurz vor dem Abflug nach San Francisco erhalten haben dürfte, muss sich all das gelesen haben wie eine endlos lange Hausaufgabenliste.

Inzwischen ist Biden längst auf dem Weg von der West- an die Ostküste. Am Dienstagvormittag bestieg der 80-Jährige seinen Helikopter Marine One, der ihn zum Umsteigen zur Air Force One bringt, die ihn schließlich nach San Francisco fliegt. Einen Tag zuvor noch ein letzter, öffentlicher Kuss von seiner Frau Jill. Dann wird es ernst. Das Treffen mit Xi gilt als sein diplomatischer Höhepunkt dieses Jahres.

Derweil wächst ein Jahr vor den kommenden Präsidentschaftswahlen nicht nur von offizieller, sondern auch von politischer Seite der Druck auf Joe Biden und seine China-Politik. 58 Prozent der Wählerinnen und Wähler beider Parteien sehen China inzwischen als eine Bedrohung für die USA an – so viele wie nie zu vor, wie eine Umfrage der Denkfabrik Chicago Council on Global Affairs ergab.

Bidens Dilemma: Die Bevölkerung wünscht sich ein härteres Vorgehen gegen China. Zugleich will der US-Präsident aber auch auf Peking zugehen, um die Spannungen abzumildern. Denn aus Chinas Sicht kreisen die USA das Land zunehmend ein. Ein Beispiel dafür ist etwa die immer intensivere militärische Zusammenarbeit mit den südlich von China gelegenen Philippinen.

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Konsens über die Parteigrenzen hinweg

In Washington gibt es zudem kaum etwas, bei dem sich Demokraten und Republikaner so einig sind wie darin, welch große Gefahren von China ausgehen. Längst betrachten es viele als neuen Systemfeind, vergleichbar mit der einstigen Sowjetunion. Der parlamentarische Ausschuss, der die Beziehungen der USA zur Kommunistischen Partei Chinas untersucht, richtete deshalb zuletzt einen vernichtenden Brief an den Präsidenten:

"Das Treffen mit Xi Jinping stellt eine letzte Gelegenheit dar, von Ihrer fehlgeleiteten Politik abzukehren und Peking aufzufordern, seine Ernsthaftigkeit bei der Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und der Volksrepublik China zu demonstrieren", heißt es darin.

Der Vorsitzende dieses Ausschusses, der Republikaner Mike Gallagher, sagt zu t-online: "Trotz wiederholter Zugeständnisse Washingtons im vergangenen Jahr hat Peking seinerseits keine gemacht und bedroht weiterhin die Kerninteressen der USA." Für Gallagher ist Bidens Auftreten gegenüber China viel zu schwach. Er fordert: "Bei dem Treffen in dieser Woche sollte die Regierung vom Verhandlungstisch zurücktreten, wenn die Kommunistische Partei Chinas sich nicht bereit erklärt, wenigstens die grundlegendsten Probleme der Beziehungen anzusprechen."

Dazu gehören für Gallagher etwa die sofortige Freilassung "aller zu Unrecht in der Volksrepublik China inhaftierten Amerikaner" und die "Einstellung gefährlicher und ungerechtfertigter Abhöraktionen amerikanischer Streitkräfte und auch die Operationen" in Taiwans sogenannter "Air Defense Identification Zone". Gallagher bezeichnet Bidens China-Politik gegenüber t-online als "Zombie-Engagement", also einer nur scheinbaren Politik der Härte gegenüber Peking.

Das Weiße Haus schraubt die Erwartungen herunter

Wie gering aber selbst die Erwartungen der Biden-Regierung an das Treffen mit Xi Jinping sind, zeigte in Washington ein Gespräch von Jake Sullivan mit Reportern. Der Nationale Sicherheitsberater des Präsidenten versuchte, bereits eine vage Hoffnung als Erfolg zu verkaufen. Man wolle mit China im militärischen Bereich zu einer Routinekommunikation zurückkehren. Sullivan sprach dabei von "intensiver Diplomatie", die hierbei immerhin ein wenig Bewegung in Richtung gemeinsamer Ziele bringen könnte.

Man freue sich "auf ein produktives Treffen", sagte Sullivan noch und verwies darauf, dass sich Biden und Xi schon lange kennen würden. "Ihre Gespräche sind direkt, sie sind unkompliziert und Präsident Biden glaubt, dass es keinen Ersatz für persönliche Diplomatie zwischen Staatslenkern gibt, um diese komplexe Beziehung zu managen."

Fakt ist: Die Liste an Problemen in dieser komplizierten Beziehung bleibt lang und die amerikanische Bevölkerung ist sich dessen ziemlich genau bewusst. Die Umfrage des Chicago Council on Global Affairs offenbart, auf welchen Feldern die Wählerinnern und Wähler von ihrer Regierung deutlich mehr erwarten, als bislang nach ihrer Ansicht getan wurde.

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Ein kleiner Teilerfolg für Biden

Bei China geht es um die großen Linien und um die Dominanz in der Welt. Die daraus resultierenden Probleme können kaum bei einem einzelnen Treffen gelöst werden. Was Biden aber offenbar schon vor dem Gipfel gelungen ist, könnte ihm zumindest im amerikanischen Wahlkampf etwas Luft verschaffen. Denn Xi erklärt sich wohl dazu bereit, den Kampf der Amerikaner gegen die harte und gefährliche Droge Fentanyl zu unterstützen.

Demnach will China verstärkt gegen Chemieunternehmen im eigenen Land vorgehen, die Komponenten exportieren, die für die Herstellung von Fentanyl benötigt werden. Der Ursprung des Warenstroms der Droge ist in den USA sehr genau dokumentiert. Zuletzt hatte die Biden-Regierung Sanktionen gegen chinesische Firmen verhängt.

Alleine im vergangenen Jahr verstarben rund 74.000 Amerikaner an einer Überdosis Fentanyl. Für die Bevölkerung wird das Thema daher von immer größerer Bedeutung. Biden muss hier liefern. Xi hilft ihm offenbar jetzt dabei. Was der US-Präsident seinem chinesischen Kollegen dafür geben muss, wird sich zeigen. Der Frieden in der Welt hängt maßgeblich davon ab.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Recherchen
  • Presse-Anfrage bei Congressman Mike Gallagher (GOP)
  • Pressebriefing zum APEC-Gipfel von Jake Sullivan (Englisch)
  • uscc.gov: "2023 Annual Report to Congress" (Englisch)
  • selectcommitteeontheccp.house.gov: Brief an Präsident Biden zum APEC-Gipfel (Englisch)
  • bloomberg.com: "Biden, Xi to Announce China’s Crackdown on Fentanyl Trade" (Englisch)
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