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Russischer Folterknast in Oleniwka: Ukrainer berichtet von Martyrium


35 Gefangene in kleiner Zelle
Ukrainer berichtet von Martyrium in russischem Folterknast Oleniwka


Aktualisiert am 30.08.2022Lesedauer: 3 Min.
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Russischer Soldat in einem verbrannten Gebäude im Gefängnis Oleniwka: Dort verbrannten Ende Juli mindestens 53 ukrainische Gefangene. (Quelle: IMAGO/Vadim Belozertsev)

Mehr als 50 Kriegsgefangene hat Russland in Oleniwka mutmaßlich massakriert. Jewgenij Maliarchuk überlebte den Folterknast im Donbass.

Der Name Oleniwka steht für eines der schlimmsten mutmaßlichen Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine. In der Nacht zum 29. Juli verbrannten mindestens 53 ukrainische Gefangene in dem berüchtigten Straflager, mehr als 100 wurden verletzt. Moskau behauptete, die Ukrainer hätten das Gefängnis bombardiert, doch das haben Fachleute als Lüge entlarvt. Wahrscheinlicher ist, dass russische Soldaten den Schlafsaal der Gefangenen niederbrannten, um die Spuren ihrer Verbrechen zu tilgen. Doch jetzt berichtet ein früherer Insasse vom Leiden und Sterben in Oleniwka.

Jewgenij Maliarchuk kam nach eigenen Angaben Ende April in die Strafkolonie 120, wie das Gefängnis offiziell heißt. Prorussische Separatisten hätten ihn gefangen genommen, als er versuchte, Zivilisten aus dem belagerten Mariupol zu bringen, wie Maliarchuk der unabhängigen russischen Zeitung "The Moscow Times" erzählt. "Ich konnte nicht glauben, dass solche Zustände wie Oleniwka im 21. Jahrhundert noch existieren", schildert er seine ersten Eindrücke. "Als wir ankamen, mussten wir erst mal mehrere Stunden in der Hocke verbringen, einige Gefangene wurden geschlagen, die Wachen zwangen uns, uns auszuziehen und schrien uns an. Das war psychologische Folter", sagt Jewgenij Maliarchuk.

"Ich konnte jetzt immerhin die Sonne sehen"

Die nächsten drei Wochen verbrachte er mit 35 anderen Gefangenen in einer Zelle, die für sechs Häftlinge ausgelegt war: "Wir konnten nicht mal gleichzeitig sitzen, sieben oder neun Leute mussten immer stehen. Wir schliefen in drei Schichten, wobei wir auf dem Betonboden lagen und die Beine anziehen mussten, damit mehr Leute schlafen konnten." Aus der Nachbarzelle hätten sie immer wieder Rufe nach einem Arzt gehört, weil Gefangene wegen Sauerstoffmangels oder des Gestanks aus der Toilette ohnmächtig wurden. Medizinische Hilfe hätten sie aber nur von gefangenen ukrainischen Ärzten erhalten.

Nach drei Wochen in der überfüllten Zelle wurde Jevgenij Maliarchuk in eine zweistöckige Baracke mit etwas besseren Bedingungen verlegt: "Ich konnte jetzt immerhin rausgehen und die Sonne sehen", berichtet er. Er teilte sich die Etage mit 22 anderen Zivilisten, während die erste Etage mit mehr als 200 Soldaten völlig überbelegt war. "Die Kriegsgefangenen mussten prorussische Lieder singen, wohl, um sie ideologisch 'umzuerziehen'", sagt Jewgenij Maliarchuk. Anfang Juli sei er dann ohne weitere Erklärung freigekommen und befindet sich jetzt in Westeuropa.

Mehrere Ex-Insassen berichten von Folter in Oleniwka

Jewgenij Maliarchuk ist nicht der erste und nicht der einzige Überlebende, der die Schrecken von Oleniwka dokumentiert. Die Unternehmerin Anna Vorosheva berichtete dem "Guardian" von den Schreien gefolterter Soldaten, die sie während ihrer Gefangenschaft ständig hörte. Ähnliches schilderte der Zivilist Vitaliy Sytnikov der "New York Times". Und von "schwerer Folter" berichteten vorige Woche auch freigelassene Ex-Insassen auf einer Pressekonferenz in Kiew.

Nach dem Fall von Mariupol Mitte Mai nahm die russische Armee nach eigenen Angaben 2.500 ukrainische Soldaten gefangen, die sich im Asow-Stahlwerk verschanzt hatten. Darunter sollen auch mehr als 500 Angehörige des Asow-Regiments gewesen sein, gegen das die russische Propaganda besonders gehetzt hatte. Die meisten der Gefangenen sollen nach Oleniwka gebracht worden sein, bestätigt Jewgenij Maliarchuk.

Putin-Freund Steven Segal in Oleniwka

Auf den Bildern aus Oleniwka von Ende Juli erkannte Maliarchuk auch das abgebrannte Gebäude, in dem die 53 Gefangenen verbrannt waren: "Das war ein Warenlager", erinnert er sich. "Während meiner Zeit in Oleniwka war das ganze Areal verlassen und in dem Gebäude lebte niemand. Die Gefangenen müssen mit Absicht dorthin gebracht worden sein."

Auch die Staatsanwaltschaft der Ukraine geht von einem vorsätzlichen Kriegsverbrechen der Russen aus. Laut Kiew wurden die Gefangenen wahrscheinlich mit einer thermobarischen Waffe getötet. Mehr zur perfiden Wirkung dieser geächteten Waffen lesen Sie hier. Der Kreml verhindert bislang eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle und lässt keine internationalen Ermittler an den Ort des Geschehens. Stattdessen besuchte der abgehalfterte Actionfilmheld und Putin-Freund Steven Segal das Gelände in Oleniwka, um dort die Propagandalügen des Kreml nachzubeten.

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