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"Markus Lanz": Steinbrück wirbt um Verständnis für Regierungsfehler


Ukraine-Talk bei Lanz
"Da nützt ihnen ein atomarer Sprengkopf herzlich wenig"

Von Daniele Raffaele Gambone

Aktualisiert am 07.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Sarah Pagung bei einem TV-Auftritt: Die Russland-Expertin sieht viele Gründe gegen einen Atomwaffeneinsatz.115770568Vergrößern des Bildes
Sarah Pagung bei einem TV-Auftritt: Die Russland-Expertin sieht viele Gründe gegen einen Atomwaffeneinsatz. (Quelle: Eventpress Stauffenberg via www.imago-images.de)

Der Ukraine-Krieg stellt Deutschland vor große Herausforderungen: Russland-Expertin Sarah Pagung analysierte bei "Markus Lanz" die Atomstrategie von Wladimir Putin.

Dass Russlands Krieg gegen die Ukraine das Leben in Deutschland nachhaltig beeinflussen würde, war schon lange abzusehen. Wie genau er sich gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch auswirken könnte, zeichnet sich inzwischen immer deutlicher ab. Moderator Markus Lanz diskutierte vor diesem Hintergrund am Donnerstagabend im ZDF mit seinen Talkgästen, worauf man sich hierzulande wird einstellen müssen und weshalb es kaum Szenarien für ein Ende des Konflikts mit Wladimir Putin gibt.

Der russische Präsident sei mit der Drohung einer Nuklearwaffe und mit seiner Energiewaffe "auf dem Weg, uns zu erpressen", sagte der Sozialdemokrat Peer Steinbrück. Dem zu widerstehen, definierte er als Aufgabe für die ganze Zivilgesellschaft.

Auf die ökonomischen Konsequenzen konzentrierte sich der Journalist Michael Bröcker. "Wir werden in eine Situation hineinkommen, wo es dramatische Verlierer geben wird. Und es wird richtig teuer, und es wird auch für manche richtig eng", prognostizierte der Volkswirt. Bundeskanzler Olaf Scholz riet er in diesem Zusammenhang dazu, nichts zu versprechen, was er nicht halten könne.

Die Russland-Analystin Sarah Pagung erläuterte, warum Putin von einer nuklearen Eskalation wenig zu erwarten hätte.

Die Gäste:

  • Peer Steinbrück, ehemaliger Bundesfinanzminister
  • Sarah Pagung, Russland-Expertin (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik)
  • Michael Bröcker, Chefredakteur von "Media Pioneer"

Als Peer Steinbrück vor fast auf den Tag genau vierzehn Jahren mit Regierungschefin Angela Merkel vor die Kameras trat, um als Finanzminister den Deutschen die Sicherheit ihrer Spareinlagen zu garantieren, herrschte der Eindruck einer einmalig dramatischen Krisensituation vor. Es war ein historischer Auftritt, der dem Duo viel Lob einbrachte. "Wenn wir das nicht getan hätten, hätte das einen solchen Legitimationsentzug für dieses politische System in Deutschland bedeutet, das hätten wir auf Jahre nicht überlebt", urteilte der SPD-Politiker bei "Markus Lanz" über die Zusicherung von 2008. "Wir haben nicht gepokert", betonte Steinbrück rückblickend.

Die aktuelle Situation schätzte der Akteur von damals und aufmerksame Beobachter von heute allerdings als noch gravierender ein.

Steinbrück wirbt um Verständnis für Regierungsfehler

"Es ist wahrscheinlich die schwerste und tiefgreifendste Herausforderung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, vielleicht abgesehen von der deutschen Vereinigung", resümierte der 75-Jährige. Steinbrück warb deshalb für mehr Verständnis gegenüber der Regierung, die "hochgradig im Stress sei" und der man "gelegentlich Irrtümer zubilligen" müsse. "Wir haben so etwas noch nicht erlebt", ergänzte er auf die ganze Gesellschaft bezogen.

"Diese Krise ist anders", konstatierte auch Bröcker in seinem von Moderator Lanz vorgetragenen Eingangsstatement. Sie treffe mitten in das industrielle Herz Deutschlands und habe das Zeug zur Kernschmelze für die industrielle Volkswirtschaft. Besonders pessimistisch zeigte sich der Chefredakteur von "Media Pioneer" hinsichtlich der Energieversorgung.

Journalist Bröcker: "Das ist einfach ein Drama"

"Die Gasmangellage wird so oder so kommen", meinte der Medienvertreter in der Runde. Die Menschen würden infolge der Gaspreisbremse möglicherweise den privaten Verbrauch nicht ausreichend drosseln und die Vorräte aus den Gasspeichern reichten auch nur für eine begrenzte Zeit. "Wir werden ein richtiges Problem bekommen. Es wird deutlich schlechter, bevor es wieder besser wird", so Bröckers Ausblick. Ganze energieintensive Branchen wie die Hersteller von Kautschuk, Ammoniak, Glas oder Papier könnten infolgedessen dauerhaft aus Deutschland verschwinden.

Man habe die Industrie auf billiges russisches Gas aufgebaut. "Das ist einfach ein Drama", lautete das Fazit des Journalisten, der den traditionell prorussischen Kurs Deutschlands als zentralen Fehler ausmachte.

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Pagung: Russland kann nicht erobern und halten

Die Suppe, die man jetzt auslöffeln müsse, habe man sich selbst eingebrockt, bestätigte Pagung. Man habe, "was man ohnehin nicht macht", alles auf ein Pferd gesetzt, "und das war dann auch noch Russland", kritisierte die Osteuropa-Kennerin.

Die militärisch-politische Seite des Konflikts beurteilte Pagung als ambivalent. Einerseits steige das Risiko einer nuklearen Eskalation mit der sich gegenwärtig abzeichnenden "konventionellen Niederlage" Russlands, andererseits gebe es eine Reihe von Gründen, die dagegensprächen. So würde ein Nuklearschlag Russland beispielsweise nicht dabei helfen, die militärischen Probleme in der Ukraine zu beseitigen. "Russland kann nicht erobern, nicht halten, nicht kontrollieren. Da nützt ihnen ein atomarer Sprengkopf herzlich wenig."

Daneben führte die Analystin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik an: "Das würde Russland international weiter isolieren, auch gegenüber anderen Atommächten wie China, die kein Interesse am Absenken der nuklearen Hemmschwelle haben." Der Westen habe zudem klargemacht, dass er seine Unterstützung für die Ukraine auch beim Einsatz einer Atomwaffe nicht einstellen oder zurückfahren werde. Auch sei nicht klar, inwiefern die russischen Eliten einem atomaren Schlag zustimmen würden, was zusätzlich das "Risiko für eine Gegenelite" innerhalb des Landes erhöhen könnte.

Insgesamt zeigte Pagung sich überzeugt, dass die Ukraine den Krieg gewinnen könne, und wenig zuversichtlich bezüglich der russischen Verhandlungsbereitschaft oder der Möglichkeit eines anhaltenden Waffenstillstands.

Weniger optimistisch, was einen Erfolg der Ukraine anging, war Steinbrück. Russland habe sein Militärpotenzial noch nicht ausgeschöpft, lautete sein Einwand. Dennoch machte der Sozialdemokrat sich bereits darüber Gedanken, was es für Deutschland heißen könnte, als mögliche Garantiemacht für "die staatliche Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine" einstehen zu müssen. Und sein erweiterter Blick auf weitere Herausforderungen wie den Umgang mit dem Klimawandel oder dem geopolitischen Konflikt zwischen China und den USA machte noch einmal deutlich: Es kommen weitere schwer zu bewältigende Aufgaben auf Deutschland zu.

Verwendete Quellen
  • zdf.de: "Markus Lanz" vom 6. Oktober 2022
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