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Bericht: Putin erlaubt Staatsmedien ein wenig Kritik


"Unsere Leute sind nicht dumm"
Lässt Putin plötzlich Kritik in den Medien zu?

Von t-online, wan

Aktualisiert am 08.10.2022Lesedauer: 3 Min.
imago 85025398Vergrößern des BildesWladimir Putin bei einem Deutschlandbesuch (Archivbild): Kritische Berichte über den Kriegsverlauf mehren sich. (Quelle: Xander Heinl/photothek.net)
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Kremlchef Putin soll Staatsmedien zumindest ein wenig Kritik erlauben. Nach einem Medienbericht soll die Stimmung damit aufgebessert werden.

Aus Russland kommen in den vergangenen Tagen immer wieder Berichte von einer offenen Kritik an Putins Kriegsstrategie. In einem Land, in dem jede Infragestellung der von Moskau als "Spezialoperation" bezeichneten Invasion bestraft wird, scheint das ungewöhnlich. Manche Beobachter vermuten, dass sich Putin-Gegner in Stellung bringen und ausloten, wie weit sie gehen können. So hatte der Tschetschenen-Machthaber Ramsan Kadyrow offen den Rückzug russischer Truppen kritisiert.

Nach einem Bericht des US-Wirtschaftsdienstes Bloomberg könnte dahinter aber auch Kalkül von Wladimir Putin stecken. Nach Informationen des Dienstes hat der Kreml einige Staatsmedien angewiesen, Fehler bei der Kriegsführung in der Ukraine einzuräumen. Hintergrund sollen Bedenken sein, dass die dauerhaft nur Erfolge vermeldende Propaganda irgendwann Zweifel aufkommen lässt. "Mit wenig Aussicht, dass ihre Streitkräfte in der Lage sein werden, die Gegenoffensive der Ukraine bald zu verlangsamen, hoffen die Behörden, dass das Auftreten von weniger Propaganda dazu beitragen kann, die öffentliche Unterstützung zu stärken", heißt es in dem Artikel.

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General: "Wir müssen aufhören zu lügen"

Nach Bloomberg-Informationen sei es eine Anpassung der Kommunikationsstrategie gewesen, die mehr oder weniger kritische Berichte über das Militär hervorgebracht haben. Der Wirtschaftsdienst beruft sich dabei auf Quellen aus dem Kreml. So wurde zuletzt eine Lagebesprechung öffentlich gemacht, bei der Karten den Rückzug russischer Truppen zeigten. Selbst TV-Moderator Wladimir Solowjow, auch als "Putins Stimme" bezeichnet, sagte nach Angaben des "Focus" unlängst in seiner Sendung: "Im wirklichen Leben würde ich mir wünschen, dass wir morgen Kiew angreifen und einnehmen. Aber ich bin mir bewusst, dass die 300.000, die sich in der Teilmobilisierung befinden, dafür Zeit brauchen."

Diese gänzlich anderen Töne sollen vom Kreml selbst erlaubt worden sein, so der Bloomberg-Bericht. "Wir müssen aufhören zu lügen", sagte Andrey Kartapolov, ein ehemaliger General, der jetzt den Verteidigungsausschuss im Unterhaus des Parlaments leitet, diese Woche in einer beliebten Online-Talkshow. "Unsere Leute sind nicht dumm."

Ob Aussagen, die so weit gehen, vom Kreml genehmigt wurden, ist unklar. Die Entscheidung Putins, die Ukraine anzugreifen, wird an sich nicht infrage gestellt. Und schon gar nicht seine Machtposition. Dennoch mehren sich Berichte über militärische Misserfolge im Süden und Osten der Ukraine.

"Gestern haben wir 16 Siedlungen in der Region Cherson verloren. Was werden wir heute verlieren?", fragte Moderatorin Olga Skabeyeva in ihrer Prime-Time-Show einen Kommandanten. "Wir manövrieren mit Rückzugselementen", war alles, was er als Antwort murmeln konnte.

Bericht über Treffen mit Militärbloggern

Putin habe laut Bloomberg seit dem Frühsommer mindestens zwei Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit einer kleinen Gruppe russischer Militärkorrespondenten abgehalten. Eines habe kurz vor der plötzlichen Einberufung von 300.000 Reservisten stattgefunden, beruft sich Bloomberg auf die mit der Situation vertrauten Personen.

Dafür spricht, dass viele sogenannte Kriegs-Blogger, die allgemein als Putin-Unterstützer und Nationalisten gelten, mittlerweile Details über Frontverläufe offen diskutieren. Die gefürchtete Wagner-Gruppe kündigte am 6. Oktober die Einrichtung ihres eigenen privaten Telegram-Kanals an. Das kann nach Einschätzung des US-Think-Tanks "Institut for the study of war" (ISW) bedeuten, dass der einflussreiche Wagner-Finanzier Jewgeni Prigoschin möglicherweise eine Stimme haben möchte, die eindeutig seine eigene ist. Damit könnte er in Konkurrenz zu Militärbloggern, aber auch zum tschetschenischen Kriegsherrn Ramsan Kadyrow stehen, die alle ihre eigenen Telegram-Kanäle haben. Allerdings tauchten am Donnerstag Videos auf Twitter auf, die die Verhaftung von Alexei Slobodenyuk zeigen sollen – dem Mann hinter den Telegram-Kanälen.

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Zuletzt hatten auf Telegram Militärblogger die Situation in Sajzewe anders eingeschätzt: Während das russische Verteidigungsministerium bereits volle Kontrolle meldete, widersprachen Blogger den Einschätzungen und sahen nur Teilerfolge, berichtet das ISW.

Der Kreml hat auf Anfragen von Bloomberg zu einer veränderten Kommunikationspolitik nicht reagiert. Auf die Frage, ob Kremlchef Putin über die offenen Diskurse wisse, antwortete Margarita Simonyan vom Staatsfernsehen: "Ich denke, es ist ihm bekannt und er versteht das sehr gut." Werden sonst Kritiker umgehend verhaftet, ist von Repressalien gegen die Kriegsblogger und TV-Moderatoren bisher nichts bekannt.

Eine andere Möglichkeit steht natürlich auch offen: Da Putin gerne die Kontrolle hat, kann es sein, dass er die kritischen Äußerungen nachträglich zu seinem Erfolg machen will. So könne der Eindruck entstehen, dass er nach wie vor fest im Sattel sitze und lediglich einen Austausch an unterschiedlichen Auffassungen zulasse.

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