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Ukraine-Krieg | Großbritanniens Unterstützung: "Das Einzige, was funktioniert"


Britische Ukraine-Politik
"Das Einzige, was in der britischen Regierung funktioniert"


Aktualisiert am 19.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Challenger-Panzer (Archivbild): Großbritannien hat eine Lieferung angekündigt.Vergrößern des Bildes
Challenger-Panzer (Archivbild): Großbritannien hat eine Lieferung angekündigt. (Quelle: Tomasz Waszczuk)

Die britische Regierung kämpft gegen innenpolitisches Chaos. In ihrer Verteidigungspolitik verfolgt sie eine klarere Linie als Deutschland. Woran liegt das?

Ben Wallace hatte eine einfache Botschaft für die deutsche Regierung parat: "Ich weiß, dass es in der deutschen Politik Bedenken gab, dass sie nicht allein gehen wollen. Nun, sie sind nicht allein", sagte der britische Verteidigungsminister im Parlament am Montag. Zuvor hatte die britische Regierung verkündet, man werden künftig 14 Kampfpanzer des Typs Challenger 2 an die Ukraine liefern.

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Es werden die ersten Kampfpanzer westlicher Bauart sein, die künftig durch die Ukraine rollen. Deutschland solle nun anderen Ländern ermöglichen, auch Leopard-2-Panzer an die Ukraine zu liefern, meinte Wallace. Finnland und Polen seien dazu offenbar bereit, benötigen aber die Erlaubnis vom Herstellerland Deutschland: "All dies hängt derzeit von den Entscheidungen der Bundesregierung ab – nicht nur, ob die Deutschen ihre eigenen Leopard-Panzer liefern, sondern ob sie anderen die Erlaubnis erteilen oder nicht. Ich würde meine deutschen Kollegen dazu drängen."

"Das Einzige, was in der britischen Regierung gerade funktioniert"

Wallace und die britische Regierung haben mit ihrer Entscheidung den Druck auf Deutschland erneut erhöht. Dumm nur, dass er zu dem Zeitpunkt gerade keinen deutschen Kollegen drängen konnte, weil seine deutsche Kollegin Christine Lambrecht (SPD) am Montag zurückgetreten war.

Die Briten machen es in gewisser Weise Deutschland gerade vor: Trotz Brexit-Folgen, Inflation, Streiks und mehreren Wechseln in der Downing Street Nummer 10 gelingt es London, im Ukraine-Krieg eine Führungsrolle zu übernehmen – auch weil Ben Wallace im Verteidigungsministerium eine der wenigen Konstanten ist.

"Die Ukraine-Politik ist das Einzige, was in der britischen Regierung gerade funktioniert", sagt Politikwissenschaftler Ed Turner von der Aston University in Birmingham im Gespräch mit t-online. Was also macht das ansonsten viel kritisierte Land anders als Deutschland? Und was könnte der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius von seinem britischen Kollegen lernen?

Lieferungen schon vor der Invasion

Wer sich die Militärhilfen der westlichen Staaten genauer ansieht, wird bemerken, dass die Briten nicht nur bei den Kampfpanzern vorgeprescht sind. Bereits Ende Januar – viele westliche Politiker und Experten hielten einen russischen Angriff auf die Ukraine noch für sehr unwahrscheinlich – hatte London bereits die ersten Waffenlieferungen beschlossen: Am 17. Januar sprach Außenministerin Annalena Baerbock noch in Kiew davon, deutsche Waffen in der Ukraine seien kein Thema und begründete das mit der deutschen Geschichte.

Einen Tag später versprach das britische Verteidigungsministerium die Lieferung von leichten Panzerabwehrwaffen. Deutschland zögerte weiter – und erntete dann mit den ersten Ankündigungen Spott: Statt Munition oder Fahrzeuge versprach die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht den ukrainischen Soldaten 5.000 Helme und nannte es ein "ganz deutliches Signal."

Mehr Helme und erste Hubschrauber

Auch Großbritannien kündigte zwei Monate später die Lieferung von Helmen an, allerdings von 84.000. Dass das britische Militär später zusätzliche Hilfen an die Ukraine versprach als Deutschland, blieb aber eher eine Ausnahme: Ende November etwa verspricht London Kiew drei Kampfhubschrauber der Marke "Sea King". Es werden die ersten bemannten Fluggeräte nach westlicher Bauart sein, die die ukrainischen Soldaten nutzen. Nun folgen die Challenger-Kampfpanzer.

Doch die britische Regierung hat einen großen Vorteil. Eine Diskussion über die Waffenlieferungen findet anders als in Deutschland kaum statt: "Beim Thema Ukraine gibt es über die britischen Parteigrenzen und Medien hinweg einen sehr großen Konsens", sagt Ed Turner. Laut einer YouGov-Umfrage in 25 Ländern vom vergangenen September sprachen sich mehr als 70 Prozent der Briten etwa dafür aus, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland weiter aufrechtzuerhalten. Es war der höchste Wert unter allen Nationen, während in Deutschland 58 Prozent zustimmten.

Auch der Lieferung von schweren Waffen stimmten 57 Prozent der Briten zu, der zweithöchste Wert hinter Polen (65 Prozent). In Deutschland sieht die Situation dagegen anders aus: Laut einer Insa-Umfrage, die "Bild" Anfang Januar in Auftrag gegeben hatte, sieht die deutsche Bevölkerung die Lieferung von schweren Waffen eher skeptisch: 50 Prozent sprachen sich laut der Befragung etwa gegen die Lieferung von Kampfpanzern aus, während 38 Prozent dafür stimmten.

Für Turner hat das mehrere Gründe: In Großbritannien sei die Bindung an die Nato und die USA traditionell schon immer von großer Bedeutung gewesen. Das habe sich seit dem Brexit noch einmal verstärkt. "'Russlandversteher' wie in Deutschland gibt es bei uns eigentlich kaum", sagt der britische Experte für deutsche Politik.

Acht Posts auf Instagram

Gleichzeitig macht laut Turner der britische Verteidigungsminister einen besseren Job als seine deutsche Ex-Kollegin. Anders als Christine Lambrecht ist Ben Wallace schon länger sehr beliebt: Als Boris Johnson und Liz Truss im vergangenen Jahr ihren Rücktritt als Premier verkündeten, galt Wallace in mehreren Umfragen als Topfavorit für die Nachfolge in der Downing Street Nummer 10. Doch Wallace verzichtete zweimal auf eine Bewerbung: Er besitze bereits ein Amt, in dem er etwas bewegen könne, ließ er die Öffentlichkeit etwa wissen. Auch wolle er den zusätzlichen Medienrummel seiner Familie nicht zumuten.

Dafür, dass auch in Großbritannien der Verteidigungsminister stark im Fokus steht, meidet Wallace eher die Öffentlichkeit. Man müsse einfach seinen Job machen, um erfolgreich zu sein, sagte der Verteidigungsminister dem "Daily Telegraph" im März. Dafür werde man schließlich bezahlt, soll heißen: Auf seine Arbeit konzentrieren – und sonst nichts. "Jemand hat mich gestern in einem Artikel darauf hingewiesen, dass ich eigentlich nur acht Instagram-Posts habe", scherzte der Verteidigungsminister.

Probleme auch in der britischen Armee

"Er ähnelt ein wenig Peter Struck: Der war absolut beliebt unter den Soldaten und auch sehr bodenständig und berechenbar", sagt Ed Turner auf die Frage, welcher deutsche Politiker Wallace am ähnlichsten sei. Anders als der ehemalige SPD-Verteidigungsminister kann Wallace aber auch praktische Militärerfahrung nachweisen: Mit 21 Jahren ging er auf die Royal Military Academy nach Sandhurst und war anschließend unter anderem in Deutschland, Zypern oder Nordirland stationiert.

Einen Überminister sieht Turner in Wallace allerdings nicht. Er mache seine Sache schon gut, allerdings profitiere er auch davon, dass die britische Bevölkerung den Kurs der Regierung weitestgehend mittrage. Außerdem gebe es auch Probleme im britischen Militär, die dann doch nicht viel anders klingen als die deutschen: "Die britischen Kasernen sind in schlechtem Zustand, genau wie das Beschaffungswesen."

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