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Ukraine-Krieg: Schlacht um Bachmut konzentriert auf zwei Nachschublinien


Umkämpfte Stadt Bachmut
Kleiner Gewinn für Russland, großer Sieg für die Ukraine


28.04.2023Lesedauer: 4 Min.
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Aufnahmen aus dem Kriegsgebiet Bachmut: Ein Video offenbart die heftige Abnutzungsschlacht. (Quelle: t-online)

Früher war Bachmut eine ruhige Stadt im Osten der Ukraine. Heute stehen dort nur noch Ruinen, Bachmut ist heftig umkämpft. So ist die militärische Lage.

Im Jahr 2021 veröffentlichte die Stadtverwaltung ein Imagevideo zum 450. Geburtstag von Bachmut. Es zeigt eine lebendige Stadt: Auf einem modernen Kunstrasenplatz spielen Kinder Fußball. Am Ufer des Flusses Bachmutka trinken junge Männer und Frauen Bier, genießen das sonnige Wetter. Straßen und Plätze sind verziert mit traditionellen, ukrainischen Mustern.

Zwei Jahre später gibt es Bachmut in dieser Form nicht mehr. Seit mehr als acht Monaten belagern russische Truppen die Stadt. Anstelle von bunten Mustern ist das Stadtbild geprägt von ausgebombten Gebäuden, Kratern und Schutt.

Der Kampf um Bachmut tobt seit August 2022, als russische Truppen mit Unterstützung von Söldnern der Gruppe Wagner aus der Richtung Popasna auf die Stadt vorstießen. Doch die ukrainischen Verteidiger zogen sich nicht zurück, sie versuchten Bachmut zu halten – und bis heute ist die Stadt nicht vollständig unter russischer Kontrolle.

Bachmut: Russland soll etwa 90 Prozent der Stadt kontrollieren

Derzeit geht das amerikanische Institute for the Study of War davon aus, dass Russland etwa 90 Prozent des Stadtgebiets von Bachmut erobert hat. Um auch noch den Rest der Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen, werden die Kämpfer der Söldergruppe Wagner von der 98. Luftlandedivision unterstützt, berichtet der Militäranalyst Rob Lee vom Foreign Policy Research Institute auf Twitter.

Auch die Ukraine hat die Reihen ihrer Verteidiger laut verschiedener Medienberichte verstärkt. Wie die "Neue Zürcher Zeitung" berichtet, sollen die 93. Mechanisierte Brigade und die 3. Sturmbrigade in die Stadt geschickt worden sein und dort die Verteidiger unterstützen.

Kampf um zwei Nachschubrouten

Aktuell stehen Berichten aus der Ukraine zufolge die letzten zwei Nachschubrouten der Ukrainer im Zentrum der Kämpfe. Die nördliche der beiden Versorgungskorridore führt durch das Dorf Chromowe am westlichen Stadtrand Bachmuts. Hier sollen russische Truppen bereits mehrere Verteidigungslinien der Ukrainer durchstoßen haben und "bis auf Sturmgewehrdistanz" auf Chromowe vorgerückt sein, berichtet der Militärexperte mit dem Twitternamen "Def Mon", der den Krieg in der Ukraine seit dessen Beginn analysiert, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Der finnische Militäranalyst Emil Kastehelmi schreibt allerdings auf Twitter, die Route über Chromowe werde seit Wochen nicht mehr von der ukrainischen Armee genutzt. Grund dafür sei der anhaltende Beschuss durch die russischen Streitkräfte. Stattdessen würden die ukrainischen Verteidiger Bachmuts die Stadt über das Dorf Iwaniwske im Süden versorgen.

Schlamm und wenig Munition

Unklar ist allerdings, wie lange die Ukrainer diese Versorgungslinie noch halten können – und ob sie überhaupt passierbar ist. Denn durch Temperaturen bis zu 20 Grad und anhaltende Regenfälle ist der Boden in der Gegend um Bachmut schlammig und versumpft.

Videos beider Seiten auf Twitter zeigen die Lage der Kämpfer in den Schützengräben. Soldaten müssen durch teils knöchelhohe Schlammpfützen waten. Für schwere Waffen wie Panzer und Haubitzen dürfte es im Umland Bachmuts kein Durchkommen mehr geben.

Dazu kommt, dass einigen ukrainischen Einheiten die Munition für ihre Artillerie auszugehen scheint. Wolodymyr, der seinen Nachnamen nicht nennt, kommandiert das 17. Panzerbataillon und erklärt der britischen "BBC" am Donnerstag in einem Interview, dass er den Grad-Raketenwerfer seiner Einheit nicht mehr durchgängig mit Raketen befüllen könne, sondern jedes Ziel genau abwägen muss – sonst habe er bald keine Munition mehr.

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Die Kombination aus vorrückenden Russen und knapper Munition könnte sich für die ukrainischen Truppen in Bachmut zum Dilemma entwickeln – und dafür sorgen, dass sie die Stadt nicht mehr lange halten können.

Experte: Kampf um Bachmut hat russische Schwäche gezeigt

Für die Verteidigung Bachmuts gab es viel Kritik an der ukrainischen Militärführung – auch aus den eigenen Reihen. "Ich hoffe sehr, dass die Führung wirklich, wirklich, wirklich gut weiß, was sie in Bachmut tut", schrieb der ukrainische Kriegsreporter Illia Ponomarenko auf Twitter. Bis zu 6.000. ukrainische Soldaten starben nach westlichen Schätzungen bisher bei dem Versuch, die Stadt zu halten.

Diese Kritik versucht Philips O'Brien, Professor für Geschichte und strategische Studien an der Universität St. Andrews in Schottland, zu entkräften. Die Ukraine habe durch ihre Verteidigungstaktik eine wichtige Schwäche der russischen Armee aufgezeigt: Das Unvermögen, die ukrainischen Verteidiger Bachmuts einzukesseln. Dazu habe die "kluge" Verstärkung der Flanken an den Nachschubrouten beigetragen, so O'Brien.

"Das Letzte, was eine kompetente Armee tun würde, wäre, sich selbstzerstörerisch durch die Stadt zu kämpfen." Das aber habe Russland getan – und dadurch viele Soldaten verloren. "Das war mit Sicherheit der Grund, warum alle ukrainischen Offiziellen mir sagten, dass der Kampf um Bachmut im Interesse der Ukraine sei – und sie hatten recht", führt der Professor weiter aus.

Bachmut ist eine Ruinenstadt geworden

Am Donnerstag soll der stellvertretende russische Ministerpräsident Marat Chusnillin die Front in Bachmut besucht haben. In einem Video, dessen Echtheit nicht abschließend von t-online geklärt werden kann, soll Chusnillin über Bachmut sagen: "Die Stadt ist beschädigt, aber wir können sie wieder aufbauen."

Ob das stimmt, darf man anzweifeln. Videos, die in der vergangenen Woche in Bachmut aufgenommen wurden, zeigen eine komplett zerstörte Stadt. Nahezu kein Haus ist von den monatelangen Kämpfen verschont geblieben.

Die meisten Einwohner sind in andere Teile der Ukraine oder ins Ausland geflüchtet. Und so wird es vermutlich sehr lange dauern, bis Kinder wieder Fußball in Bachmut spielen und Erwachsene Bier am Ufer des Flusses Bachmutka trinken.

Verwendete Quellen
  • Twitterprofile: @PhilippsPOBrien, @GirkinGirkin, @emilkastehelmi, @defmon3, @RALee85
  • bbc.com: "Ukraine war: Bakhmut defenders worry about losing support" (Englisch)
  • nzz.ch: "Erbitterte Kämpfe ohne Sieger: Die Verteidiger von Bachmut klammern sich an eine enge 'Strasse des Lebens'"
  • youtube.com: "ВОЙНА. ДЕНЬ 422. МОЩНАЯ АВИАБОМБА ВЗОРВАЛАСЬ В БЕЛГОРОДЕ/ ГЕНСЕК НАТО В КИЕВЕ/ КРУШЕНИЕ ВЕРТОЛЕТА РФ" (Russisch)
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