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Denis Kapustin alias Nikitin: Ein Neonazi kämpft gegen Putin


Ein zweifelhafter Verbündeter
Warum russische Neonazis für die Ukraine kämpfen


Aktualisiert am 26.05.2023Lesedauer: 3 Min.
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Denis Kapustin alias Nikitin: Der russische Rechtsextremist lebte viele Jahre in Köln-Chorweiler. (Quelle: IMAGO/Vyacheslav Madiyevskyy)

Im Untergrund arbeitet Denis Kapustin seit Jahren daran, Europas Neonazis zu vereinen. Jetzt lässt er sich als Held im Kampf gegen Putin feiern.

Aus ukrainischer Sicht waren die Angriffe in der russischen Grenzregion Belgorod ein voller Erfolg. Drei Tage lang führten das "Russische Freiwilligenkorps" und die "Legion Freiheit Russlands" den Herrscher im Kreml vor. Die ganze Welt konnte sehen, dass Moskau seine Grenzen nicht gegen ein paar Dutzend Angreifer sichern kann. Eilig musste Putin Truppen aus der Ukraine abziehen, um die Eindringlinge zu vertreiben. Gejubelt haben dürften aber auch Neonazis in ganz Europa.

Mit Denis Kapustin, der sich selbst den Nachnamen Nikitin gab, präsentierte sich am Mittwoch in der Ukraine einer der bekanntesten Rechtsextremisten des Kontinents als aufrechter Kämpfer gegen die russische Tyrannei – und die demokratische Presse hofierte ihn. Für den 1985 in Moskau geborenen Kämpfer war der Auftritt ein unwahrscheinlicher Triumph, der sich politisch noch auszahlen könnte. Unwahrscheinlich deshalb, weil Kapustin bislang eher im Untergrund agierte.

In Köln lernte Kapustin die Gewalt kennen

2001 kam er mit seiner Familie als jüdischer Kontingentflüchtling nach Köln, wie der "Spiegel" recherchiert hat. Seine angeblich jüdische Identität liegt allerdings im Dunkeln und würde seinen Werdegang zum gewaltbereiten Hitler-Verehrer reichlich absurd erscheinen lassen. Die Lust an der Gewalt lernte Kapustin in der Hooliganszene des 1. FC Köln kennen. In diese Welt begab er sich später auch bei seinen Aufenthalten in Moskau, wo die Schlägerszene wohl noch viel brutaler ist.

Auch in der Ukraine hielt sich Kapustin immer wieder auf. Dort baute er Kontakte in die berüchtigte Asow-Bewegung auf. Das gleichnamige Regiment, das im Frühjahr 2022 durch die zähe Verteidigung des Stahlwerks in Mariupol weltbekannt wurde, galt bis 2014 als Sammelbecken für ukrainische Neonazis. Mit der Eingliederung der Miliz in die ukrainische Armee sollen die meisten Rechtsextremen das Asow-Regiment verlassen haben.

Kampfsport und Nazi-Klamotten

Als verbindendes Element für die Neonazis zwischen West und Ost dient Kapustin der Kampfsport. In "Mixed Martial Arts"-Clubs trainieren sie den Straßenkampf für ihren erhofften "Tag X", den Zusammenbruch der demokratischen Ordnung. Bei Turnieren und Kämpfen am Rande von Rechtsrockkonzerten vernetzen sich "Sportler" aus ganz Europa. Kapustin organisiert diese Veranstaltungen unter dem Namen "White Rex" (Weißer König), auch Kleidung mit dem Aufdruck gibt es – Kapustin selbst trug am Mittwoch eine Mütze mit dem Schriftzug.

Das Logo von "White Rex" bildet ein stilisierter Wikingerkopf vor einer "Schwarzen Sonne", die an ein Hakenkreuz erinnert und Neonazis als Erkennungszeichen dient. Auf den T-Shirts der Marke finden sich in Deutschland verbotene Nazi-Runen oder die Zahl 88 – ein Code für "Heil Hitler". Der Name "White Rex" verweist zudem auf die rassistische Ideologie von der vermeintlichen Überlegenheit einer "weißen Rasse"; diese Vorstellung hat sich auch in Russland verbreitet, obwohl das Land im Zweiten Weltkrieg selbst Opfer des deutschen Rassismus wurde.

Darum kämpft Kapustin gegen Putin

Wenn Kapustin und andere rechtsextreme Russen jetzt aufseiten der Ukraine gegen Putin kämpfen, steckt auch dahinter eine rassistische Ideologie – der sogenannte Ethnopluralismus. Was nach friedlicher Völkervielfalt klingt, bedeutet in Wirklichkeit: Jedes Volk bleibt gefälligst auf seinem eigenen Territorium und vermischt sich nicht mit anderen.

Anhänger dieser Ideologie bekämpfen Putin, weil dieser ihrer Meinung nach für ein Russland als Vielvölkerstaat kämpft, inklusive zum Beispiel zentralasiatischer Menschen, die sie als "minderwertig" betrachten; der Kampf der Ukrainer für ihren Nationalstaat erscheint den Ethnopluralisten dagegen als gerecht.

Hat Kiew die Aktion unterstützt?

Sein Leben im rechtsextremen Untergrund finanziert Kapustin womöglich nicht nur mit dem Verkauf von Nazi-Klamotten. Deutsche Ermittler verdächtigten ihn laut "Spiegel", chemische Drogen hergestellt zu haben. In der Ukraine soll er außerdem versucht haben, Waffen in Form von umgebauten Signalpistolen zu kaufen. 2019 verhängte Deutschland ein Einreiseverbot gegen den Mann. Schon ein Jahr zuvor hatte er seinen Wohnsitz in die Ukraine verlegt. Dort wurde er vorübergehend festgenommen, die Behörden sollen aber seinen Reisepass eingezogen haben.

Den hat Kapustin für die Aktion in Russland ohnehin nicht gebraucht. Im Raum steht allerdings der Verdacht, dass Kiew an den Überfällen auf einen Grenzposten und mehrere Dörfer nicht so unbeteiligt war, wie es in den offiziellen Stellungnahmen heißt. Kapustin jedenfalls behauptet, dass der ukrainische Militärgeheimdienst HUR die Aktion auf russischem Gebiet wohlwollend begleitet und unterstützt habe.

Dabei versteckten seine Männer vom "Russischen Freiwilligenkorps" ihre faschistische Ideologie am Mittwoch nicht einmal vor der versammelten Presse. Wie "Spiegel"-Reporter beobachteten, hatte sich einer der Kämpfer den Satz "Thor ist unser Donnergott" auf Deutsch auf die Brust geheftet, ein anderer soll eine "Schwarze Sonne" getragen haben. Es lässt sich bezweifeln, ob sich Kiew mit solchen Verbündeten einen Gefallen tut.

Verwendete Quellen
  • spiegel.de: Der Neonazi-Krieger (Stand: 26. Mai 2023)
  • bpb.de: Kampfsport, Runen, Rassenhass (Stand: 26. Mai 2023)
  • laender-analysen.de: Das Asow-Regiment und die russische Invasion (Stand: 26. Mai 2023)
  • cnn.com: Russian raiders of Belgorod side with Ukraine but struggle to stick to Kyiv’s official line (englisch; Stand: 26. Mai 2023)
  • spiegel.de: Mit Thor gegen Putin (Stand: 26. Mai 2023)
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