Jewgeni Prigoschin überholt Wladimir Putin – bei Internetsuchen

Der Söldnerchef Jewgeni Prigoschin interessiert die Russen mehr als Wladimir Putin. Das hat ein Vergleich von Suchanfragen ergeben.

Jewgenij Prigoschin interessiert die Russen derzeit offenbar mehr als der Kremlchef. Ein Vergleich mit Trends bei Internetsuchen in Russland zeigt: Es gibt mehr Anfragen mit dem Namen des Söldnerchefs als mit dem von Machthaber Wladimir Putin. Die russische Investigativ-Nachrichtenseite Verstka hatte die Zahlen für den autokratischen Herrscher und seinen einstigen Vertrauten untersucht.

Laut Google Trends begann das wachsende Interesse an Prigoschin Anfang Mai und erreichte Ende des Monats ein Allzeithoch. Während die Popularität des Wagner-Chefs vom 28. Mai bis 3. Juni auf dem Niveau von 100 Punkten (höchster Indikator) lag, war das Interesse am Präsidenten erheblich geringer – es erreichte nur 28 Punkte.

Auch der Internetdienst Yandex, der ebenfalls Suchstatistiken liefert, sieht laut Bericht diesen Trend. Demnach hätte es fast doppelt so viele Anfragen nach Prigoschin im Vergleich mit Putin gegeben. Noch mehr Menschen wollten offenbar wissen, wer "Putins Chef" ist – das englische Wort für Koch. Der Oligarch, Gastronom und Chef der Wagner-Truppe ist der ehemalige Koch von Diktator Putin.

Google Trends zeigt auch, woher die Anfragen kamen. Demnach kommen die Suchen nach Putin vorwiegend aus Moskau und St. Petersburg, während die für Prigoschin auffallend oft aus der Region Belgorod stammen. Dort sollen unlängst auch Poster aufgetaucht sein, auf denen sein Konterfei und der Text "Starker Führer, kein Bunker-Ängstling" zu lesen war.

Kritik an Militärs, aber nicht an Putin

Prigoschin hat in der Vergangenheit immer wieder die russische Militärführung kritisiert und ihr unter anderem vorgeworfen, nicht ausreichend Ausrüstung und Munition zur Verfügung zu stellen. Einen Vorstoß des Verteidigungsministeriums, Söldnergruppen zukünftig unter sein Kommando zu stellen, tat Prigoschin ab: ""Die Söldnergruppe Wagner wird keine Verträge mit [Verteidigungsminister] Schoigu unterzeichnen. [...] Leider haben die meisten Militäreinheiten nicht solch eine Effizienz [wie Wagner]. Und zwar genau genommen, weil Schoigu keine Militärformationen organisieren kann", ließ er verlauten.

So laut der Gründer der Söldnergruppe Wagner Kritik an Verteidigungsminister Schoigu äußert, so leise ist er, was Putin angeht. Bislang hat er diesen in seinen Tiraden, die oft auf Telegram veröffentlicht werden, ausgenommen. Anfang Mai hatte er den russischen Präsidenten zwar um mehr Munition gebeten, ihn aber nicht ausdrücklich für deren Mangel verantwortlich gemacht.

"Könnte einen Unfall haben"

Verstka sieht die PR-Aktivitäten von Prigoschin als einen Grund für das Interesse. "Der Besitzer von Wagner nahm emotionale Videos auf, in denen er der Führung der Militärabteilung direkt Versäumnisse an der Front vorwarf und auch Ultimaten stellte, in denen er versprach, seine Einheiten abzuziehen, wenn sie keine Munition erhielten. Darüber hinaus besuchte er die Region Belgorod."

Der ukrainische Berater des Innenministeriums, Anton Gerashchenko, sieht in der wachsenden Popularität des Unternehmers sogar eine Gefahr für Prigoschin: "Ich denke, bei dieser Zuwachsrate könnte Prigoschin einen Unfall haben" – und meinte damit offenbar einen Anschlag. Den Gefahren durch weitere Kritik schloss sich auch der Militärexperte Ralph Thiele gegenüber t-online an: "Wenn es maßlos wird, endet es mit dem Tod Prigoschins."