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Wagner-Aufstand: Lukaschenko der einzige Gewinner? Expertin äußert sich


Lukaschenko
Er ist der einzige Gewinner des Söldneraufstands


Aktualisiert am 27.06.2023Lesedauer: 1 Min.
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Abgeblasener Prigoschin-Aufstand: Eine Russlandexpertin erklärt, was daraus nun folgt. (Quelle: t-online)

Der Aufstand der Wagner-Söldner wirft viele Fragen auf: Eine Expertin ordnet ein, wie schwach Putin nun ist und was aus Prigoschin wird.

Kurz sah es so aus, als stünde Russland vor einem Bürgerkrieg. Doch so schnell wie sich die Wagner-Söldner von Jewgeni Prigoschin auf den Weg nach Moskau gemacht hatten, waren sie auch schon wieder verschwunden.

Sie hätten erkannt, dass alle Teile der Gesellschaft ihr Handeln geeint ablehnten, verkündete Präsident Wladimir Putin am Montag. Doch steht Russland wirklich so geschlossen hinter ihm?

"Putin ist so angeknackst wie nie zuvor in seinen Präsidentschaften", erklärt die Russlandexpertin Leslie Schübel von der Körber-Stiftung, die sich unter anderem mit internationaler Politik beschäftigt. Sie erklärt im Interview mit t-online, wie schwach Putin nach dem abgeblasenen Söldneraufstand aus ihrer Sicht ist und was die Situation für den Westen bedeutet.

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“Das Bild von Putin ist mehr angeknackst als jemals zuvor in seinen Präsidentschaften.”

Kurz sah es so aus, als stünde Russland vor einem Bürgerkrieg. Doch so schnell, wie sich die Wagner-Söldner von Jewgeni Prigoschin auf den Weg nach Moskau gemacht hatten, waren sie auch schon wieder verschwunden. Sie hätten erkannt, dass alle Teile der Gesellschaft ihr Handeln geeint ablehnten, verkündete Präsident Wladimir Putin am Montag. Hat er damit recht? Russlandexpertin Leslie Schübel ordnet die Situation ein.

“Ich glaube, die Situation ist eher, dass es den Leuten so ein bisschen egal ist. Die jahrelange Propaganda und das jahrelange Verhindern von politischem Aktivismus, von einem Gefühl von "Ich kann was verändern" hat eher dazu geführt, dass die Gesellschaft hauptsächlich erst mal abwartet, schaut – "Okay, was kommt da jetzt?" – das also teilweise auch spannend fand."

"Wir haben ja gesehen, wie dann Selfies gemacht wurden mit Prigoschin, der dann da aus Rostow rausgefahren ist. Ich glaube, das ist eher die Situation. Gleichzeitig finde ich auch spannend zu sehen, dass in den Eliten wirklich zusammengehalten wurde. Also in den Eliten, unter den Gouverneuren der Regionen haben wir gesehen, dass sich eigentlich alle, die sich öffentlich geäußert haben, auf die Seite des Regimes, auf die Seite Putins gestellt haben, auf die Seite des Verteidigungsministeriums, das ja von Prigoschin sehr herausgefordert wurde. Und das ist eher der spannende Punkt aus meiner Sicht.”

Der Vormarsch der Wagner-Söldner wirft die Frage auf, wie schwach die Position von Wladimir Putin tatsächlich ist und ob es Nachahmer geben wird. Für Leslie Schübel war Prigoschin ein Ausnahmefall: eine bekannte Figur mit Befehlsgewalt über Tausende Söldner.

“Ich denke nicht, dass wir mit Aufständen, bewaffneten Aufständen rechnen müssen, aber das Bild von Putin ist mehr angeknackst als jemals zuvor in seinen Präsidentschaften. Die Leute haben jetzt gesehen, dass es eventuell eine Alternative gibt. Ob die besser ist oder schlechter sei dahingestellt. Aber diese Unvermeidlichkeit, diese Unhinterfragbarkeit von Putins Macht, die hat auf jeden Fall gelitten.”

In seiner Rede am Montag sicherte der Kremlchef den beteiligten Söldnern zu, ohne Strafe in der regulären Armee dienen zu können oder sich nach Belarus absetzen zu dürfen. Das wirkt ungewohnt milde für den russischen Präsidenten.

“Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation weiter entwickelt und inwiefern die Soldaten tatsächlich sich dann frei bewegen können und inwiefern Prigoschin in Belarus dann weiter nach eigenen Vorlieben walten und schalten kann. Ich denke, es ist nicht ausgeschlossen, dass da noch was passiert. Wir haben ja gesehen, dass Putin auf jeden Fall nicht glücklich war mit der Gesamtsituation. Aber ja, eindeutig muss er da mehr Kompromisse eingehen, als es wahrscheinlich in seinem Interesse wäre. Und das ist eine Veränderung der Situation im Gegensatz zu dem, was wir in der Vergangenheit gesehen haben.”

“Verräter sind im Regime Putin selten lange noch am Leben. Gleichzeitig sehen wir momentan auch wirklich Entwicklungen, die es so in der Vergangenheit nicht gegeben hätte mit Personen, die so eingestuft wurden. Deswegen: Ich will mich nicht festlegen. Ich gehe aber davon aus, dass Prigoschin nicht langfristig so entspannt weitermachen kann, wie er das bislang immer noch tut.”

Putin könnte durchaus versucht sein, seine Stärke zu demonstrieren. Denn stark wirkte rund um den Söldneraufstand nur der belarussische Präsident Lukaschenko, der als Vermittler auftrat und Prigoschin nun offenbar Asyl bietet.

“Ich denke schon, dass Putin das nicht gefällt, dass Lukaschenko jetzt diese Rolle hat. Und man kann, denke ich, sagen, dass Lukaschenko der Einzige ist, der wirklich als Gewinner aus dieser Situation hervorgeht. Weder Prigoschin noch Putin noch irgendjemand anders in Russland oder außerhalb Russlands steht besser da durch diese Geschehnisse, außer Lukaschenko, der sich profilieren konnte als Vermittler."

"Wahrscheinlich hat er da tatsächlich eine eher technische Rolle gespielt. Aber er konnte da anbieten: "Ihr könnt nach Belarus kommen, wir bieten euch quasi Asyl." Und na ja: Lukaschenkos Einflussmöglichkeiten verändern sich natürlich auch. Sollten da jetzt wirklich große Mengen an Truppen stationiert werden und sollte er dann einen Deal mit Prigoschin haben, ihn tatsächlich in Schutz zu nehmen, würde das die Einflussmöglichkeiten Lukaschenkos auch zukünftig ausweiten. Und das kann nicht sein, was Putin gut gefällt.”

Im Ausland wurde das Chaos in Russland mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, viele hofften auf einen Sturz Putins. Doch ein solches Szenario wäre nicht zwangsläufig eine Verbesserung der Situation, meint Leslie Schübel.

“Es könnte definitiv noch schlimmer kommen. Gleichzeitig gehe ich davon aus, dass, wenn jemand wie Prigoschin sich an die Spitze putscht, er nicht die gleichen Machtmechanismen hätte, die gleichen Instrumente hätte, die gleichen Einflussmöglichkeiten hätte wie Putin. Im Grunde lebt das System Putin davon, dass er Einfluss, Macht, Geld garantiert für die Leute in seinem Umfeld, in der Elite. Also, auch Putin ist nicht komplett unabhängig davon. Und diese Leute sind momentan, meiner Einschätzung nach, nicht besonders gut zu sprechen auf Prigoschin."

"Auch immer angesprochen: die Gefahr “dann hat der jetzt auf einmal den roten Knopf für die nukleare Bombe”. Ich denke, es ist unwahrscheinlich, dass das so schnell geht. Ich sehe nicht, dass das nukleare Risiko dadurch jetzt groß gestiegen ist. Aber es würde wahrscheinlich noch mehr Unsicherheit bedeuten. Und zweifellos ist Prigoschin auch noch mehr Hardliner, was das Töten und Kämpfen in der Ukraine angeht, als es Putin ist und als es das russische Verteidigungsministerium ist. Da gibt es einige, auch einflussreiche Persönlichkeiten, die da auf der Seite Prigoschins sind. Aber insgesamt würde das noch mehr Instabilität in Russland bedeuten und vermutlich noch eine härtere Hand gegenüber der ukrainischen Bevölkerung.”

Wie es um Putins Stärke steht, was nun mit Wagner-Boss Prigoschin passieren könnte und wer vom Söldneraufstand am meisten profitiert, erfahren Sie im Video direkt hier oder oben.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Russlandexpertin Leslie Schübel vom 27.06.2023
  • Aufnahmen des Wagneraufstands via Nachrichtenagentur Reuters
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