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Intim im Schützengraben: Was Prostituierte über Putins Soldaten berichten


Illegale Prostitution in Russland
So brutal treten Putins Soldaten im Bordell auf

Von t-online, cc

Aktualisiert am 18.07.2023Lesedauer: 4 Min.
Russische Prostituierte und Tänzerinnen in einem Club in Moskau (Archivbild).Vergrößern des BildesRussische Prostituierte und Tänzerinnen in einem Club in Moskau (Archivbild): Die Situation für die Frauen hat sich seit dem Krieg noch mehr verschlechtert. (Quelle: MAXIM ZMEYEV/AFP via Getty Images)
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Sie kennen die intimsten Vorlieben russischer Soldaten: Nun haben Sexarbeiterinnen darüber gesprochen, wie der Krieg die Männer verändert – und wie die Frauen darunter leiden.

Russlands Sexarbeiterinnen nehmen seit dem Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine eine ganz besondere Rolle in der Gesellschaft ein, denn sie sind in dieser Extremsituation nicht selten eine wichtige Anlaufstelle für Fronturlauber und Kriegsheimkehrer. Sie kümmern sich um die mentalen Kollateralschäden. Prostituierte verschaffen den geplagten und verwundeten Soldaten Erleichterung, und diese erleichtern sich bei den Prostituierten, indem sie sich ihnen öffnen und von ihren Erfahrungen im Schützengraben berichten.

Diesen Umstand machten sich das russische Investigativmagazin "The Insider" und die polnische Zeitung "Gazeta Wyborcza" zunutze. Ihre Reporter interviewten zahlreiche russische Prostituierte und befragten sie nach ihren Erfahrungen mit russischen Streitkräften. Die Gespräche förderten Erstaunliches zutage.

Dem Bericht zufolge sind viele Männer seit dem Ausbruch des Krieges im Februar 2022 aggressiver geworden. Einige kämen nun in kugelsicheren Westen, manche Freier brächten auch ihre Waffen mit. Zudem kämen manche Männer nicht mehr nur alleine, um die Dienste in Anspruch zu nehmen, sondern in der Gruppe. Eine Sexarbeiterin namens Kristina erzählte der "Gazeta Wyborcza", dass ein Freier im Bordell plötzlich eine Handgranate aus der Tasche gezogen und gedroht habe, sie zu zünden. Erst als der Freund des Freiers eingriff, habe sich die Situation beruhigt.

Stets der Willkür der Freier und der Behörden ausgesetzt

Die Situation von Prostituierten in Russland war schon vor dem Krieg schlecht. Oft arbeiten sie unter sehr schwierigen Bedingungen, ohne staatlichen Schutz oder ausreichende Gesundheitsversorgung. Sexarbeiterinnen, auch wenn ihr Präsident meint, dass sie zu den besten der Welt zählen, genießen im Land keine Rechte. Denn Prostitution ist illegal. Auch die Organisation von Prostitution steht unter Strafe. Dennoch gibt es sie. Sexarbeiterinnen gehen ihrem Geschäft im Dunkeln nach – ein gefährlicher Job, stets der Willkür der Zuhälter oder der Behörden ausgesetzt.

Der Krieg hat diese Situation verschlimmert, wie auch eine Prostituierte namens D. "The Insider" erzählt. Weil viele Männer an der Front in der Ukraine sind, sei die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen gesunken. Einige Prostituierte hätten daher damit begonnen, die Preise zu senken oder sich auf gefährliche sexuelle Praktiken einzulassen, so D. Das ziehe wiederum jene Männer an, die sich unter normalen Umständen den Gang ins Bordell gar nicht leisten könnten, darunter auch Junkies.

"Sie sind betrunken oder stehen unter dem Einfluss von Drogen", sagt D. dem Magazin. Die Sexarbeiterin möchte anonym bleiben, weil sie um ihre Sicherheit fürchtet. "Normalerweise würden sie diese Freier ablehnen, aber jetzt bleibt ihnen nichts anderes übrig. Keine Männer heißt keine Arbeit. Und keine Arbeit heißt kein Geld. Und momentan sind die Männer im Krieg."

Freier haben teils schwere psychische Störungen

Sie habe selbst in den von den Mobilisierungsmaßnahmen des russischen Militärs weniger stark betroffenen Städten wie St. Petersburg oder Moskau Anzeigen gesehen, die mit einem Discount für Soldaten werben. Offenbar wollten die Zuhälter auf diese Art Profit aus dem Krieg schlagen.

Auch die Vorlieben der Freier hätten sich geändert. So wollten einige, dass die Prostituierte sich als "böse Ukrainerin" ausgibt, um sie im Bett bestrafen zu können. Sie verlangten nach diesem Rollenspiel, um ihre Wut und ihren Hass auf das Nachbarland abreagieren zu können, so D. zu "The Insider".

Die Sexarbeiterin Angela aus Nowosibirsk berichtet, dass einige Zuhälter neue Bordells bewusst in der Nähe von Militäreinrichtungen und Rekrutierungsbüros eröffnet hätten – geduldet von den lokalen Polizeibehörden. Dort müssten die Prostituierten ganz gezielt Soldaten "bedienen". Zum Teil hätten diese nach ihrem Fronteinsatz schwere posttraumatische Belastungsstörungen.

"Die Männer sagen, dass der Einsatz an der Front die Hölle sei. Dennoch kehren sie wieder dorthin zurück", sagt eine der Sexarbeiterinnen namens K. "The Insider". Ein junger Freier habe demnach ständig Whiskey getrunken und russische Propagandalieder gehört, während er ihre Dienstleistung in Anspruch nahm. "Er war nicht verrückt, aber total gehirngewaschen. Wie diese Leute bei Isis, die sich für ein Selbstmordattentat vorbereiten."

Flüchtlinge aus der Ukraine verschärfen die Situation zusätzlich

Inzwischen bieten die Prostituierten auch virtuelle Dienstleistungen an. Über ihr Smartphone telefonieren russische Soldaten sogar während eines Fronteinsatzes mit den Sexarbeiterinnen. Ein zehnminütiges Telefonat kostet 1.000 Rubel (ungefähr 9 Euro). Eine Prostituierte berichtet von einem Klienten, der häufig aus dem Schützengraben anrufe. Während er ihr seine intimsten sexuellen Fantasien mitteile, schlügen um ihn herum Granaten ein, berichtet die Frau "The Insider".

Gleichzeitig wird der Druck der Behörden auf die Sexarbeiterinnen in Russland offenbar immer größer. "Normalerweise bekommen in Moskau 30 bis 40 Prostituierte pro Monat eine Geldbuße auferlegt", sagt Marina Awramenko, die für eine Hilfsorganisation in Krasnojarsk arbeitet, der "Gazeta Wyborcza". "Im vergangenen November waren es dagegen 1.000".

Zudem verschärften auch die zahlreichen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine die Situation. Viele der Frauen, die vor dem Krieg nach Russland geflohen sind, könnten sich nur durch Prostitution über Wasser halten. Und das verschlimmere wiederum die Situation der einheimischen Prostituierten. Rund 1,3 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben seit Kriegsbeginn aus der Ukraine nach Russland geflüchtet, darunter überdurchschnittlich viele Frauen und Kinder.

Dass sich das Regime des autokratischen Machthabers Wladimir Putin mit der schwierigen Situation der Prostituierten in Russland beschäftigen dürfte, steht nicht zu erwarten. In einem Fernsehinterview von 2018 äußerte sich Putin über das älteste Gewerbe im Land anerkennend.

Damals schwärmte der Kremlherrscher von den Vorzügen russischer Prostituierter, obwohl deren Beruf ja offiziell verboten ist: "Sie zählen zu den besten der Welt, das ist klar", gab er zu Protokoll. Woher er seine Expertise bezog, sagte der Autokrat nicht.

Verwendete Quellen
  • standard.co.uk: "Vladimir Putin: Russian prostitutes are the best in the world" (englisch)
  • theins.ru: ""It is truly shocking to see how much they've been brainwashed": confessions of sex workers who cater to Russian soldiers" (englisch)
  • worldcrunch.com. "Russian Sex Workers — Invisible Victims Of The War In Ukraine" (englisch)
  • meduza.io: "The lives of Russia's sex workers today" (englisch)
  • data2.unhcr.org. "Refugees from Ukraine recorded in Europe" (englisch)
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