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Ukraine-Krieg | F-16-Kampfflugzeuge: Ein Luftschlag gegen Putin


Jetzt kommen F-16-Kampfflugzeuge
Ein Luftschlag gegen Putin

Von Patrick Diekmann

21.08.2023Lesedauer: 5 Min.
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F-16-Kampfjets (Symbolbild): Russland warnt vor einer Lieferung an die Ukraine.
F-16-Kampfflugzeuge: Die Ukraine bekommt Jets von Dänemark und den Niederlanden. (Quelle: Glomex)

Viele Monate hat die Ukraine gewartet, nun bekommt sie vom Westen F-16-Kampfflugzeuge. Können die Jets das Blatt für die ukrainische Armee wenden oder gar den Krieg entscheiden?

"Endlich!", werden sich viele Menschen in der Ukraine gedacht haben. Nach monatelangen Debatten soll die Ukraine aus Dänemark und den Niederlanden F-16-Kampfflugzeuge bekommen.

Die Euphorie in Kiew ist groß: "Ich bin sehr dankbar", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Besuch in Dänemark. "Sie werden frische Ergebnisse bringen für die Ukraine und den Rest Europas." Zuvor war Selenskyj auch in die Niederlande gereist, insgesamt geht die Ukraine von 61 Flugzeugen aus beiden Ländern aus.

Ohne Zweifel ist das für die ukrainische Führung ein wichtiger Meilenstein. Nach langen Debatten über Kampf- und Schützenpanzer und über Raketen und Marschflugkörper ist nun die nächste Lieferhürde für die Verteidigung der Ukraine gefallen: Der Westen liefert nun auch Kampfflugzeuge westlicher Bauart. Das gibt Selenskyj etwas Luft, baut Druck ab. Denn die Lieferung der F-16 sind ein politischer Durchbruch in einer Zeit, in der der ukrainischen Armee ein militärischer Durchbruch an den Fronten nicht gelingt.

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Noch immer bleibt die ukrainische Gegenoffensive hinter den Erwartungen Kiews und derer des Westens zurück. Deshalb braucht Selenskyj Erfolge, die der Ukraine Hoffnung machen. Westliche Kampfflugzeuge kommen da genau zum richtigen Zeitpunkt.

Doch eine Wunderwaffe sind die F-16 auch nicht. Sie werden die Fähigkeiten der Ukraine erhöhen, effektiver gegen russische Luftangriffe vorgehen zu können. Aber können sie das Blatt zu Gunsten der Ukraine wenden? Daran gibt es erhebliche Zweifel.

"Ukraine ist auf Jagdflugzeuge angewiesen"

Eines der größten Probleme: Von den 42 Jets, die die Niederlande liefern wollen, sind derzeit nur 24 einsatzbereit. Die 19 dänischen F-16-Flugzeuge sollen dagegen einsatzbereit sein. Trotzdem werden die Jets allzu bald keinen Unterschied auf den Gefechtsfeldern machen können, mit einem Einsatz kann die Ukraine erste Ende des Jahres rechnen.

Die Ukraine sieht die Lieferung dennoch als einen wichtigen Teil eines Schutzschildes gegen russische Angriffe. "Die Ukraine wird eine moderne Luftwaffe haben, unsere Piloten werden die F-16 fliegen, der Himmel wird besser geschützt sein, wir werden die Russen aus unserem Luftraum hinauswerfen", schrieb der Chef des Kiewer Präsidentenamtes, Andrji Jermak, der Selenskyj auf der Reise begleitete, im Messengerdienst Telegram.

Aber: Die ersten F-16 soll die Ukraine erst zum Jahreswechsel erhalten – deutlich später als erhofft. Die Kampfjets sollen geliefert werden, sobald die Ausbildung der ukrainischen Piloten an den Maschinen abgeschlossen ist.

In Kiew hofft man darauf, die Kontrolle über den eigenen Luftraum zurückzuerhalten. Die Ukraine will die Flugzeuge auch einsetzen, um russische Verteidigungslinien in den besetzten Gebieten im Osten und Süden des Landes zu durchbrechen. Dort kommen die Truppen am Boden auch wegen der verminten Felder nur schleppend bei ihrer Gegenoffensive voran. Doch ist das überhaupt realistisch?

Gustav Gressel

ist als Senior Policy Fellow bei der politischen Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) tätig. Er beschäftigt sich in seiner Forschung schwerpunktmäßig mit den militärischen Strukturen in Osteuropa und insbesondere mit den russischen Streitkräften.

"Die F-16 werden der Ukraine mittelfristig weiterhelfen, aber sie sind auch kein Gamechanger", sagt der Militär- und Russland-Experte Gustav Gressel t-online. Schon heute werde die ukrainische Luftwaffe oft zu Einsätzen gegen iranischen Drohnen oder gegen anfliegende Marschflugkörper gerufen. "Für einen flächendeckenden Schutz hat die Ukraine viel zu wenig Flugabwehrsysteme – deswegen ist sie auf Jagdflugzeuge angewiesen."

Gefahr für die russische Luftwaffe

Das heißt: Die ukrainischen Kampfflugzeuge erfüllen aktuell überwiegend Defensivaufgaben. Das wird wahrscheinlich auch auf die westlichen F-16 zukommen. Das ist strategisch existenziell wichtig, weil eine funktionierende ukrainische Luftwaffe es den russischen Angreifern deutlich schwerer macht, ihre Lufthoheit auszuspielen.

Diese Analyse teilt Gressel: "Wenn die ukrainische Luftwaffe eine Bedrohung für Russlands Kampfflugzeuge darstellt, dann kann die russische Luftwaffe nicht frei in den ukrainischen Luftraum eindringen und einfach ihre Bomben über ukrainischen Städten abwerfen", so der Experte. "Deshalb sind die F-16 für die Ukraine ein wichtiges Werkzeug."

Der tatsächliche Wert der F-16 auf den Gefechtsfeldern hängt aber vor allem damit zusammen, in welchem Umfang der Westen Munition für die Kampfflugzeuge liefern kann. Die Zeit eilt: "Für Su-27 und MiG-29 ist der Nachschub an Munition ein Problem für die Ukraine. Polen, Bulgarien oder die Slowakei haben mit ihren MiG-29 Luft-Luft-Lenkwaffen geliefert, aber diese sind nun fast aufgebraucht", erklärt der Experte.

Außerdem hätten russische Angriffe im Frühsommer 2023 Munitionsdepots der ukrainischen Luftwaffen getroffen und es gab größere Explosionen. "Das trifft die Ukraine natürlich besonders hart, weil man diese Munition am Weltmarkt nur schwer bekommt."

Insgesamt gilt es als unwahrscheinlich, dass die F-16 das Blatt im Ukraine-Krieg wenden kann. Sie sind lediglich ein wichtiges Puzzlestück für das Ziel der Ukraine, weitere Teile ihres Staatsgebietes zu befreien. Denn sie sollen verhindern, dass Russland seine Luftüberlegenheit besser nutzen kann. An der Tatsache, dass Wladimir Putins Luftwaffe deutlich überlegen ist, können sie wahrscheinlich wenig verändern. Denn Russland setzt die Fähigkeiten seiner Luftwaffe nur sehr sparsam ein.

Putin wusste, dass Kampfflugzeuge kommen werden

Das hat einen Grund. "Putins Luftwaffe ging enorm optimistisch in den Krieg und war schlecht auf einen langen Krieg eingestellt. Deshalb haben die Russen nicht konsequent ihre Luftüberlegenheit in den ersten Tagen genutzt", meint Gressel. "Nun geht Russland sehr vorsichtig mit seiner Luftwaffe vor, weil die Produktionszahlen von russischen Kampfflugzeugen relativ gering sind." Deshalb komme die nummerische und qualitative Unterlegenheit der Ukraine nicht zur Geltung, so der Experte.

Russland geht also nicht das Risiko ein, viele Kampfflugzeuge zu verlieren, um Frontabschnitte zu kontrollieren. Die Strategie der russischen Armee vertraut traditionell vielmehr auf die eigene Artillerie und auf mechanisierte Verbände, denn davon gab es vor Kriegsbeginn noch massenhaft altes Gerät aus dem Kalten Krieg. Bedeutet: Die russischen Kampfflugzeuge werden größtenteils eingesetzt, um Marschflugkörper aus sicherer Entfernung abzuschießen und um den Luftraum zu überwachen.

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Deshalb hat Russland noch Reserven an Kampfflugzeugen und die russische Reaktion auf die Lieferung der F-16-Kampfflugzeuge an die Ukraine fiel vergleichsweise ruhig aus. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte bereits zuvor vor dem Risiko einer weiteren Eskalation der Gewalt in dem Krieg gewarnt. Die Militärführung in Moskau hatte auch deutlich gemacht, sich durch die Waffenlieferungen des Westens nicht von den Kriegszielen in der Ukraine abbringen zu lassen.

Natürlich wird Putin mit der Lieferung westlicher Kampfjets gerechnet haben. Schließlich wurde das Thema lange debattiert und Nato-Staaten haben bereits ihre Ausbildung ukrainischer Piloten angekündigt. Es war dementsprechend ein Szenario, auf das sich der Kreml einige Monate vorbereiten konnte.

Doch auch wenn die F-16 vielleicht an den Fronten in der Ukraine nicht den großen Durchbruch erzielen werden, sind sie für Kiew trotzdem wichtig. Sie stärken nicht nur die Fähigkeiten der ukrainischen Luftwaffe, sondern öffnen auch die Tür zu weiteren Kampfflugzeuglieferungen aus dem Westen. Das ist für die Ukraine ein großer Schritt nach vorne, den sich Kiew mühsam erkämpfen musste.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Gustav Gressel
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und rtr
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