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Machtkampf im Kreml: Putin entlässt General – Kritik


"General Armageddon" muss gehen
Damit sendet Putin ein Signal

Von t-online, cc

Aktualisiert am 23.08.2023Lesedauer: 4 Min.
Russlands Autokrat: Wladimir Putin befeuert die Machtkämpfe hinter den Kulissen des Kreml.Vergrößern des BildesRusslands Autokrat: Wladimir Putin befeuert die Machtkämpfe hinter den Kulissen des Kreml. (Quelle: Mikhail Klimentyev)
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Putin entlässt wohl einen wichtigen General, nachdem dieser bereits seit Monaten abgetaucht war. Damit sendet der Kremlherrscher erneut ein Signal.

Wladimir Putin räumt offenbar weiter auf. Der Mann im Kreml soll den prominenten General Sergej Surowikin nun doch kaltgestellt haben. Das berichten ukrainische Medien wie auch russische Militärblogger übereinstimmend. Demnach gebe es sogar schon einen Präsidentenerlass, dieser sei allerdings noch nicht öffentlich gemacht worden.

Bereits im Juli, kurz nach dem versuchten Aufstand der Wagner-Söldner unter Führung des Oligarchen Jewgeni Prigoschin hatte es Spekulationen über eine Entmachtung Sorowikins gegeben. Der ranghohe Militär hatte sich durch sein brutales Vorgehen den Spitznamen "General Armageddon" erworben, weil er die russischen Truppen unter anderem in Tschetschenien und später in Syrien mit besonderer Härte gegen die dortige Opposition vorgehen ließ.

In der Ukraine war er bis Januar 2023 wesentlich für der Errichtung der massiven Verteidigungsanlagen verantwortlich, an der sich die ukrainischen Streitkräfte seit Monaten die Zähne ausbeißen. Die dreireihigen Schutzwälle werden daher unter russischen Militärs auch "Surowikin-Linien" genannt.

Der 56-jährige Kommandeur war von Oktober 2022 bis Januar 2023 Oberbefehlshaber der russischen Einheiten in der Ukraine. Surowikin werde abgesetzt, bleibe aber unter der Verfügungsgewalt des Verteidigungsministeriums, schrieb der Ex-Chefredakteur des aufgelösten liberalen Radiosenders Echo Moskwy, Alexej Wenediktow, am Dienstag auf seinem Telegram-Kanal.

Unzweideutiges Signal aus dem Kreml

Das Surowikins Absetzung nun quasi offiziell gemacht wurde, kommt wohl nicht von ungefähr. Der Schritt passt zu einer Reihe weiterer Entscheidungen des russischen Machthabers Putin.

So hatte sich der Diktator am Samstag erst mit seinen zwei wichtigsten Generälen getroffen, wie Bilder des russischen Staatsfernsehens zeigten: Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow. Der Ort des Treffens war dabei aufschlussreich, denn das Treffen fand in Rostow am Don statt, an ebenjenem Ort, wo Ende Juni 2023 die mutmaßlich von Prigoschin initiierte Wagner-Meuterei begonnen hatte.

Zwei Tage später tauchte dann ein Video von Prigoschin auf, das diesen nicht mehr in Belarus zeigte, wo er nach dem gescheiterten Putschversuch geflohen war, sondern in einem afrikanischen Land. Das Video soll in Mali aufgenommen worden sein. In dem knapp einminütigen Clip versichert Prigoschin in ungewohnt demütigem Ton, seine Mission in Afrika erfüllen zu wollen und warb dafür um weitere Kämpfer für seine Söldnereinheit. Die Mission wird sehr wahrscheinlich vom Kreml unterstützt, denn Putin baut seine Unterstützung geopolitisch und wirtschaftlich wichtiger afrikanischer Staaten seit Jahren kontinuierlich aus. Mit der Hilfe der Wagnertruppe.

Das Signal, das der ehemalige KGB-Agent Putin mit der Absetzung Surowikins nun mutmaßlich sendet, könnte klarer nicht sein: Er stärkt seinen umstrittenen obersten Militärs, Schoigu und Gerassimow, den Rücken. Zugleich schickt er mutmaßliche Prigoschin-Sympathisanten wie Surowikin ins Exil. Insbesondere Putins langjähriger Vertrauter Schoigu dürfte sich angesichts dieser Entwicklung die Hände reiben. Er geht aus dem Konflikt mit Prigoschin und der Wagner-Fraktion deutlich gestärkt hervor.

Dass Prigoschin überhaupt noch lebt, wenn auch vorerst im afrikanischen Exil, hat er wohl dem Umstand zu verdanken, dass seine Kontakte zu afrikanischen Autokraten etwa in Mali, dem Tschad, der Zentralafrikanischen Republik oder im Niger, äußerst wertvoll für den Kreml sind.

Prigoschin offenbar in erheblichen Schwierigkeiten

"General Armageddon" hatte solche Privilegien offenbar nicht. Surowikins Ablösung als Chef der Luft- und Raumfahrttruppen kam daher nicht überraschend, wie auch der in der Regel stets gut informierte russische Militärblog "Rybar" festhält. Offenbar gefällt dieser Schritt Putins aber nicht jedem. Bei weiten Teilen der russischen Truppen war Surowikin beliebt. "In der jetzigen Lage ist es schlecht, dass die Kommandeure, die bei den Soldaten beliebt sind, zurücktreten, abgelöst oder in unbefristeten Urlaub geschickt werden", so die Analysten von "Rybar" bei Telegram.

Allerdings soll auch die Wagner-Gruppe um ihr Überleben kämpfen. Wie die US-Denkfabrik "Institute for the study of war" (ISW) in ihrem jüngsten Lagebericht angibt, versuchen Wagner-nahe Kanäle die Bedeutung der Söldnergruppe auf dem afrikanischen Kontinent zu propagieren und ihren Einfluss im Niger auszuweiten.

Seit dem Putschversuch Ende Juni hat Prigoschins Privatarmee zudem offenbar erhebliche Finanzierungsschwierigkeiten, der Kreml hatte seine Gelder für die Söldner im Juli offiziell eingestellt. Putin und seine Generäle versuchen stattdessen, Wagner-Kämpfer in die reguläre russische Armee einzugliedern, was diese jedoch bislang vehement ablehnen.

Laut russischen Insidern soll insbesondere Verteidigungsminister Schoigu einen finalen Schlag gegen Wagner vorbereiten. Gerade Schoigu war während der Belagerung des ukrainischen Bachmuts durch Wagner-Truppen monatelang zur Zielscheibe der Kritik durch Prigoschin geworden. Der Wagner-Boss hatte Putins Verteidigungsminister beinahe täglich beschimpft und verunglimpft. Mit der neuerlichen Rückendeckung durch den Kremlherrscher könnte Schoigu nun darangehen, die Privatarmee des Oligarchen Prigoschin endgültig obsolet zu machen und sie in Afrika durch reguläre russische Truppen zu ersetzen.

Allerdings fehlt Schoigu bislang wohl das dafür notwendige Personal und die nötigen Strukturen, wie russische Experten berichten. Stattdessen beschränkt sich die Fraktion um Schoigu und Gerassimow wohl darauf, die Wagner-Söldner durch entsprechende Propagandakampagnen zu diskreditieren und einen Keil zwischen ihre führenden Kommandanten zu treiben.

Verwendete Quellen
  • politico.eu: "Russia’s ‘General Armageddon’ sacked as head of aerospace forces" (englisch)
  • understandingwar.org: "Russian Offensive Campaign Assessment, August 21, 2023" (englisch)
  • newsweek.com: "Russian General Behind 'Surovikin Line' Mysteriously Vanishes" (englisch)
  • nytimes.com: "Russian General Knew About Mercenary Chief’s Rebellion Plans, U.S. Officials Say" (englisch)
  • nytimes.com: "Russian Military Hit by Uncertainty as One General Is Killed and Another Remains Absent" (englisch)
  • meduza.io: "Who's behind Rybar? The Bell unmasks one of Telegram's most widely-cited pro-Kremlin military analysis channels" (englisch)
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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