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Bachmut: Putins Soldaten beklagen prekäre Zustände


Putins Soldaten über dramatische Frontlage
"Menschen laufen weg, sie erhängen sich"


Aktualisiert am 21.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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Russische Soldaten in der Ukraine (Archivbild): Serbische Söldner beschweren sich über Diskriminierung.Vergrößern des Bildes
Russische Soldaten in der Ukraine (Archivbild): Putins Armee beklagt prekäre Zustände. (Quelle: Alexander Polegenko/imago-images-bilder)

Kremlchef Putin behauptet, die ukrainische Gegenoffensive verlaufe schlecht. Doch Berichte seiner Soldaten zeichnen ein anderes Bild – demnach hat vor allem die russische Armee mit erheblichen Problemen zu kämpfen.

Kaputte Waffen, dürftige Ausrüstung, undurchdachte Befehle: Die russische Armee erlebt im Kampf um Bachmut in diesen Tagen herbe Rückschläge. Im Gegensatz dazu melden die Ukrainer immer wieder Erfolge: Besonders mit der Rückeroberung der Ortschaften Klischtschijiwka und Andrijiwka rühmte sich Wolodymyr Selenskyjs Armee am Wochenende.

Auch wenn Oberst Markus Reisner die ukrainischen Durchbrüche im Gespräch mit dem Nachrichtensender n-tv zuletzt relativierte und anzweifelte, dass die Erfolge wirklich so groß seien, zeigt sich zunehmend: Die Ukrainer setzen die Russen an mehreren Frontabschnitten aktuell stark unter Druck – und könnten das seit Monaten umkämpfte Bachmut in der Ostukraine womöglich sogar zurückerobern.

Eine komplette Einkreisung der Stadt in der Region Donezk durch die ukrainischen Truppen – wie von ukrainischen Armeeführern angekündigt – ist zwar derzeit noch nicht absehbar. Doch die schrittweisen Fortschritte der ukrainischen Armee geben Grund zu der Annahme, dass sich in den kommenden Wochen eine neue Dynamik um Bachmut entwickeln könnte.

Gegenoffensive kommt wohl voran

Wie die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) in ihrem neuesten Bericht erklärt, setzen die ukrainischen Streitkräfte ihre Offensive in der Nähe von Bachmut und im westlichen Gebiet Saporischschja fort. Demnach teilte der ukrainische Generalstab mit, dass die Armee dem Gegner erhebliche Verluste zugefügt habe – sowohl den Soldaten als auch deren Ausrüstung.

Auch das britische Verteidigungsministerium bekräftigte im Geheimdienstbericht am Mittwoch, dass die ukrainische Gegenoffensive vorankommt. Die Rückeroberung der Dörfer Klischtschijiwka und Andrijiwka südlich der Stadt bringe die ukrainischen Truppen näher an eine der Hauptversorgungsrouten der russischen Besatzer heran, die Straße T 05-13. "Russland hält jedoch weiterhin die Eisenbahnlinie, die zwischen Klischtschijiwka und der T 05-13 entlang einer Böschung verläuft und ein leicht zu verteidigendes Hindernis darstellt", hieß es in London weiter.

Russische Verteidigung soll geschwächt sein

Sowohl die Analysten des ISW als auch das britische Verteidigungsministerium stellen fest, dass die russische Verteidigung von Bachmut geschwächt ist. Das zeige sich unter anderem an der Verlegung von russischen Luftlandetruppen an die Front im südukrainischen Saporischschja, offenbar um die Verteidigung vor Ort zu stärken. Die ISW-Experten wollen beobachtet haben, dass ein Teil der 83. Luftlandebrigade in Saporischschja operiere. Es sei jedoch nicht klar, wie groß dieser Teil ist. Die Ukraine hatte zuletzt vermeldet, dass diese Einheit vollständig ihre Kampfkraft verloren haben soll.

Zudem berichtete das ukrainische Militär, dass Russland weiterhin versuche, Andrijiwka zurückzuerobern. Dies sei bislang aber nicht gelungen. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen, doch Berichte von Soldaten, die russische Militärblogger veröffentlichten, machen die schwierige Lage von Wladimir Putins Truppen deutlich.

"Schlecht durchdachte" Befehle

Demnach kämpfen die Russen unter widrigsten Bedingungen in der Region. Die russische Militärführung gebe "schlecht durchdachte" Befehle. So sollten die Streitkräfte verlorenen Boden dringend zurückerobern, ohne die Voraussetzungen für einen solchen Gegenangriff zu haben. Die Militärblogger behaupteten weiter, die Militärführung lasse den Soldaten keine genauen Informationen zukommen.

Ein Video, das auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) kursiert, untermauert diese Aussagen. Zu sehen sind rund 20 Männer, teils in Militäruniform, teils in ziviler Kleidung, die laut eigener Aussage dem 1442. Regiment des 1. Bataillons angehören. Ein Mann beklagt: "Sie haben praktisch die gesamte Infanterie getötet." Seine Kameraden und er seien eigentlich für die Artillerie ausgebildet worden, doch nun würden sie als Bodentruppen eingesetzt. Wann genau die Aufnahmen entstanden sind, ließ sich nicht überprüfen, doch auch das ISW berichtete über das Video.

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"Die Munition ist schrecklich"

Der Kämpfer kritisiert auch die Ausrüstung: "Die Munition ist schrecklich. Sie fliegt nicht und wenn sie fliegt, explodiert sie nicht." Die Militäranalysten gehen davon aus, dass die russische Verteidigungsindustrie die Produktion von Granaten beschleunigen will und deshalb die Qualität schleifen lässt.

Die Soldaten des 1442. Regiments berichten über weitere Rückschläge. Am Morgen habe sich ein Kämpfer aus einer anderen Einheit umgebracht. "Vielleicht, weil er Angst hatte. (...) Menschen laufen weg, sie erhängen sich." Seit einem Jahr hätten die Streitkräfte keinen Urlaub gehabt. "Wenn wir nicht aufgeben, schicken sie uns in den sicheren Tod", warnt ein Mann. "Unsere Familien erwarten uns lebend zurück, also wollen wir auch am Leben bleiben. Entweder leben oder sterben – aber wofür sterben?", fragt er.

Mit Blick auf die ukrainische Armee sagt er: "Sie werden die Männer einfach töten!" Viele verwundete Kameraden würden nicht abgezogen. "Sie verbluten und sterben." Manche Verletzte kämen zwar ins Krankenhaus, aber wenn sie nur leicht verletzt seien, müssten sie direkt zurück an die Front. "Dann werden sie erneut in den sicheren Tod geschickt", prangert der Soldat in dem Video an.

Putin verbreitet Narrativ der erfolglosen Gegenoffensive

Laut dem ISW berichteten die Kämpfer außerdem, dass die Moral der Einheit nach den Erfolgsmeldungen der Ukraine sehr niedrig sei. Ein weiteres Manko: Die russischen Truppen müssen sich laut den Aussagen mit Handfeuerwaffen verteidigen – während die ukrainische Armee über Artillerie verfügt und damit militärisch überlegen ist.

Die mangelnde Ausrüstung und prekäre Lage der russischen Soldaten steht immer wieder im Fokus des Angriffskrieges. Angehörige der Streitkräfte kritisieren Kremlchef Putin zunehmend für die Zustände an der Front – doch der verbreitet das Narrativ, dass alles nach Plan laufe, und die Ukraine mit ihrer Gegenoffensive scheitere.

Verwendete Quellen
  • understandingwar.org: "RUSSIAN OFFENSIVE CAMPAIGN ASSESSMENT, SEPTEMBER 20, 2023" (englisch)
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • twitter.com: Beitrag von @JayinKyiv vom 20. September 2023
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