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Fund in Argentinien: Das Märchen vom Nazi-Versteck im Dschungel


Argentinien
Das Märchen vom Nazi-Versteck im Dschungel

spiegel-online, Julia Merlot

25.03.2015Lesedauer: 3 Min.
Bei dieser Ruine soll es sich um einen Zufluchtsort der Nazis handeln.Vergrößern des BildesBei dieser Ruine soll es sich um einen Zufluchtsort der Nazis handeln. (Quelle: AP Photo/University of Buenos Aires Urban Archeology Center)
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Im Urwald von Argentinien wollen Archäologen einen Zufluchtsort für ranghohe Nationalsozialisten gefunden haben. Argentinische Medien berichteten groß, doch die Beweislage ist dünn.

Geschichten über Nazis in Südamerika erregen immer große Aufmerksamkeit, so auch vor wenigen Tagen: In der argentinischen Provinz Misiones wollen Archäologen im Dschungel drei Gebäude entdeckt haben, die geflüchteten Nazi-Kriegsverbrechern nach dem Zweiten Weltkrieg als Unterschlupf gedient haben sollten. Doch nun zeigt sich: Die Beweise für das angebliche Nazi-Lager sind dürftig.

Der Fundort ist abgelegen: Im Umkreis von rund 15 Kilometern gibt es keine Siedlung. Auch "Spiegel Online" hatte über die Entdeckung berichtet, Grundlage war ein Bericht der argentinischen Zeitung "Clarín".

Daniel Schávelzon, Leiter des Archäologen-Teams der Universität Buenos Aires und seine Kollegen verweisen auf den Fund von einer Scherbe Meißner Porzellan und einer Handvoll deutscher Münzen aus den Jahren 1938 bis 1941. Auf Nachfrage müssen sie selbst zugeben, dass das als Beweis dafür, dass die Gebäude als Nazi-Versteck errichtet wurden, nicht reicht. "Ich habe gesagt, das sei möglich", sagte Schávelzon. Es handele sich aber um eine Hypothese.

Erforschung eines Mythos

Holger Meding von der Universität Köln hält diese Hypothese für falsch, die Beweislage sei "jämmerlich dünn". Meding hat bis 1999 die Mitteleuropasektion der staatlichen Kommission zur Aufklärung von Nazi-Aktivitäten in Argentinien (CEANA) geleitet. Die argentinischen Forscher seien einem Mythos nachgegangen, der auf historisch falschen Annahmen basiert, sagt er nun.

Verschwörungstheorien rund um den Nationalsozialismus haben in Argentinien eine lange Tradition. Über angebliche Fluchtvorbereitungen der NS-Elite wurde seit Mitte des Zweiten Weltkriegs immer wieder spekuliert. "Es gibt tatsächlich Dokumente dazu", so Meding. Allerdings sei man sich inzwischen einig, dass diese auf Kriegspropaganda der Alliierten zurückzuführen sind. Es gebe keinerlei Hinweise, dass von Seiten der NSDAP oder der Reichsregierung die Flucht von Nazis nach Südamerika organisiert wurde.

Flucht nach Argentinien

Eines der Gebäude, das die Forscher nun offenbar untersucht haben, ist in diesem Zusammenhang seit Langem bekannt. In einem Video zu den vermeintlichen Nazi-Bauten in Argentinien wird ein Schild eingeblendet, das zur Casa de Bormann weist. Martin Bormann war Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP und enger Vertrauter von Adolf Hitler. Er starb 1945 in Berlin. Dennoch kursiert das Gerücht, Bormann sei nach Argentinien geflüchtet, das vermeintliche Wohnhaus wird als Touristenattraktion vermarktet.

Auch Schávelzon glaubt nach eigener Aussage nicht daran, dass Bormann in einem der drei untersuchten Gebäude gelebt hat, "es könnte aber ein anderer Nazi gewesen sein", meint er. An anderer Stelle berichten die Forscher, die Gebäude seien nie längerfristig bewohnt gewesen. Das sei damit zu erklären, dass es für Nazi-Funktionäre recht einfach war, nach Ende des Krieges unbehelligt in den Städten unterzutauchen. Laut CEANA flüchteten mindestens 180 deutsche Kriegsverbrecher nach Argentinien.

Tausende Deutsche in Argentinien

Weil die Beweise dünn sind, versucht Schávelzon seine Hypothese über die Nazi-Zuflucht in Misiones schließlich per Ausschlussverfahren zu untermauern. Er habe schlicht keine andere Erklärung für die europäische Architektur der Gebäude, als dass sie von der deutschen Luftwaffe errichtet wurden, erklärt der Forscher. Auch diese Argumentation hat allerdings Lücken. Meding kann in den Gebäuden kaum europäischen Einfluss erkennen.

Dass Deutsche bereits während des zweiten Weltkriegs Spuren in Misiones hinterlassen haben, scheint zudem wenig verwunderlich. 1937 lebten hier etwa zehntausend Reichsdeutsche, in keiner anderen Provinz Argentiniens war der Anteil der Deutschstämmigen höher als in Misiones. Einige hatten sich laut Meding in einer kleinen NSDAP-Ortsgruppe zusammengeschlossen und versucht, Propaganda für Deutschland zu machen.

Daraus ergeben sich unzählige mögliche Erklärungen, warum in der Region deutsche Münzen und Porzellan aus der Zeit gefunden werden können. "Meines Erachtens sind die argentinischen Archäologen viel zu früh an die Öffentlichkeit getreten und hätten deutlich intensiver und ergebnisoffen forschen müssen", sagt Meding. Es fehle ganz offensichtlich an solider geschichtlicher Recherche. "Was die Forscher da bislang gefunden haben sind keine belastbaren Beweise."

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