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Honeckers Briefwechsel aus der U-Haft


Aufgetauchter Briefwechsel
Honecker schmachtete: "Lass Dich umarmen"

dpa, dpa-afx, mvl

27.07.2017Lesedauer: 3 Min.
1992 war Honecker nach Moskau geflüchtet.Vergrößern des Bildes1992 war Honecker nach Moskau geflüchtet – hier betritt er nach seiner Überstellung den Hof der Berliner U-Haftanstalt Moabit. (Quelle: Peter Kneffel/dpa-bilder)
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Ein neues Buch zeigt eine andere Seite des einstigen SED-Chefs Erich Honecker. Eine westdeutsche Lehrerin schickte ihm Bücher ins Gefängnis, in Briefen lobte er sie als "meine liebe kleine Genossin". Jetzt ist ein Buch mit der gegenseitigen Korrespondenz erschienen.

Vor knapp 25 Jahren, am 29. Juli 1992, wurde Honecker nach langem diplomatischen Tauziehen von seiner letzten Fluchtstation Moskau nach Deutschland geflogen. In Berlin kam er in Untersuchungshaft, später musste er sich vor Gericht verantworten. Im Knast las der als spröde geltende Honecker den Bestseller "Fegefeuer der Eitelkeiten" von Tom Wolfe und hörte die Musik des Komponisten Antonio Vivaldi. Diese "geistige Nahrung" hatte ihm die "liebe Genossin" Eva Ruppert aus dem Westen in die Justizvollzugsanstalt Moabit geschickt.

Zu Honeckers 80. Geburtstag habe ihn Ruppert zum ersten Mal in Moabit besucht, erklärt Frank Schumann, der den Briefwechsel zwischen Honecker und Ruppert nun im Buch "'Liebe Eva'. Erich Honeckers Gefängnisbriefe" herausgebracht hat. Es habe sich eine intensive Korrespondenz entwickelt, so Schumann.

Noch im Jogginganzug Haltung bewahrt

Ihre erste Begegnung mit Honecker beschreibt Ruppert mit wechselseitiger Sympathie: Der einstige starke Mann der DDR sei wesentlich kleiner gewesen als er im Fernsehen wirkte. Selbst im Jogginganzug habe Honecker noch Haltung bewahrt. "Er hat mich stets beeindruckt", so Ruppert. Die DDR sei die größte Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung gewesen, sie habe nur positive Eindrücke gehabt, schreibt die Lehrerin: "Für mich war Honecker die DDR."

Der Ton in den Briefen wurde im Laufe der Zeit immer vertrauter. "Lass Dich umarmen, Erich", unterzeichnete Honecker einen Brief vom 5. September 1992. Oder schrieb wenige Tage später "meine liebe kleine Genossin". Verleger Schumann meint, wären die beiden Teenager gewesen, hätten sie sich verknallt. Nach Ansicht des Verlages sind die Briefe von zeitgeschichtlicher Bedeutung – sie zeigten das Innenleben Honeckers während der 169 Tage dauernden Haft. Nirgendwo anders habe er seine Gefühle so offenbart wie in diesen Briefen.

"Liebe compañera"

Honecker sammelte Rupperts Antworten in einem Hefter und bekannte: "Deine Briefe bereichern meine Gedanken und Gefühle." Oder ein anderes Mal: "Liebe compañera, ich habe jede Zeile Deines Briefes in mich aufgenommen." Rupperts Begeisterung für Honecker ging wiederum so weit, dass sie ein Solidaritätskomitee für den Gefangenen mit begründete. Die gegenseitigen Briefe habe die heute 84-Jährige dem Verlag Edition Ost aber erst vor kurzem übergeben.

Anfang 1993 wurde der Prozess gegen Honecker wegen dessen Krebserkrankung letzten Endes eingestellt. In einem Brief an Ruppert offenbarte er am 5. Oktober 1992 viel Persönliches: "So ist es, liebe Eva, alles kann man mit eisernem Willen doch nicht bezwingen – den Krebs, der in mein Leben eingreift, schon gar nicht. Wenn ich ein Christ wäre, würde ich sagen: alles andere liegt bei Gott."

Gorbatschow war ein Verräter

Honecker reiste nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis zu seiner Frau Margot ins chilenische Exil, wo er am 29. Mai 1994 im Alter von 81 Jahren starb. Einsicht, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen ist, zeigte Honecker nicht.

Bereits 2012 kamen "Letzte Aufzeichnungen" heraus, die er ebenfalls in der Untersuchungshaft geschrieben hatte. In dem Gefängnis-Tagebuch notierte der ehemalige SED-Chef: "Eine Diktatur, wie man sie der DDR unterstellt, hat so nicht existiert." Die Perestroika sei ein Unglück, Michail Gorbatschow ein Verräter. Und: "Die BRD ist kein Rechtsstaat, sondern ein Staat der Rechten."

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