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Hambacher Forst: Geheimversteck eines sowjetischen Spions entdeckt


Spionage-Funkgerät entdeckt
Welches Unwesen trieb ein Sowjet-Agent im Hambacher Forst?


10.04.2020Lesedauer: 3 Min.
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Sowjetisches Funkgerät und der Hambacher Forst (Bildmontage): Forscher fanden ein solches Gerät nicht weit entfernt von Köln.Vergrößern des Bildes
Sowjetisches Funkgerät und der Hambacher Forst (Bildmontage): Forscher fanden ein solches Gerät nicht weit entfernt von Köln. (Quelle: Jürgen Vogel, LVR/Jannis Große/imago-images-bilder)

Eigentlich wollten Archäologen im Hambacher Forst römische Siedlungsreste untersuchen. Doch dann fanden sie das Geheimversteck eines Spions. Lohnend war die Gegend auf jeden Fall.

Wenn ein Waldstück gerodet wird und dort alte Mauern, Scherben oder gar Knochen zu Tage kommen, müssen üblicherweise die Archäologen gerufen werden. So geschah es auch, als im August vergangenen Jahres die Arbeiter bei Rodungsarbeiten für den Braunkohletagebau im Hambacher Forst Relikte der Vergangenheit auf der Baggerschaufel fanden.

Schnell konnten die herbeigerufenen Archäologen bestätigen, dass dort unweit eines Weges durch den Wald römische Siedlungsreste lagen – nichts Ungewöhnliches für die Region 30 Kilometer westlich von Köln, das von den Römern Colonia Claudia Ara Agrippinensium genannt wurde.

Doch dann stießen sie in etwa einem Meter Tiefe auf etwas völlig Unerwartetes: eine grüne Metallkiste, verschlossen mit silbernen Bolzen, mehr als zehn Kilogramm schwer und eindeutig nicht römisch.

Gruß aus dem Kalten Krieg

In der Kiste steckte ein kleinerer Koffer, ebenfalls in militärgrün. Als die Archäologen seine Schnappverschlüsse öffneten, zischte es leicht die Gummidichtung hatte das Vakuum im Inneren gehalten. Zum Vorschein kam ein nagelneues Funkgerät. Eine kleine Plakette mit der Aufschrift R-394 KM brachte die Forscher schnell auf die richtige Spur. "Wir haben da ein sowjetisches Funkgerät aus dem Kalten Krieg gefunden", berichtet Erich Claßen, Leiter des Amts für Bodendenkmalpflege des Landschaftsverbands Rheinland (LVR).

Das R-394KM ist ein mobiles Kurzwellenfunkgerät aus den letzten Tagen des geteilten Deutschlands. Entwickelt in den frühen Achtzigerjahren kam es in der Sowjetunion ab 1984, in der DDR allerdings erst ab 1988 zum Einsatz, im Jahr unmittelbar vor dem Mauerfall. Dazu passt, dass die Seriennummer des Geräts auf eine Produktion im Jahr 1987 hinweist.

Besonders pikant: Das R-394 KM war beliebt bei Agenten. "Стриж", russisch für "Mauersegler", so nannten die Spione das Gerät. Es war sowohl mit russischer als auch mit englischer Beschriftung im Umlauf. "Unser Gerät ist auf englisch beschriftet", sagt Claßen, "aber der Koffer war noch einmal in Papier eingewickelt, auf dem kyrillische Buchstaben standen."

Lohnende Umgebung

Damit nimmt die Geschichte langsam Form an: Ein Agent des Ostblocks vergrub das Funkgerät mit hoher Wahrscheinlichkeit in den letzten Monaten oder sogar Wochen des Kalten Krieges im Hambacher Forst. Entweder benutzte er ein Gerät mit englischer Beschriftung, um bei einer zufälligen Entdeckung nicht enttarnt zu werden – oder er sprach selbst kein Russisch.

Auszuspionieren gab es in der unmittelbaren Umgebung des Hambacher Forstes so einiges. In 10 Kilometer Entfernung liegt das Versuchskernkraftwerk AVR Jülich, der erste deutsche Hochtemperaturreaktor. Ähnlich weit entfernt befindet sich der Fliegerhorst Nörvenich, wo die US-Luftwaffe Atomsprengköpfe und die zugehörigen Trägersysteme, sogenannte Pershing-Raketen, stationiert hatten.

Im Krisenfall wären diese zu einer Sofortbereitschaftsstellung in der Steinheide gebracht worden – und die lag mit nur einem Kilometer Entfernung quasi in Sichtweite. Bei einer Verlegung der Waffen hätte ein Agent das Funkgerät ausgraben und Meldung machen können. Mit einer Reichweite von bis zu 1.200 Kilometern kam er damit zwar nicht bis Moskau, aber immerhin bis Warschau oder ganz bequem bis zu jedem beliebigen Standort in der DDR.

Gebraucht wurde das R-394 KM aus dem Hambacher Forst nie – es war quasi fabrikneu. Und wer der sowjetische Spion oder Agent der Stasi war, der es dort vergrub, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. "Wir haben nur Gerüchte gehört", erzählt Claßen. Nach Veröffentlichung des Fundes in der Lokalpresse meldete sich ein Mitarbeiter des Forschungszentrums Jülich und erzählte von einem Kollegen, der etwa zur Zeit des Mauerfalls auf mysteriöse Weise verschwunden sei. "Aber das herauszufinden, ist ja gar nicht unsere Aufgabe", betont Claßen, "das können und dürfen wir nicht – damit würden wir unsere Kompetenzen als Archäologen weit überschreiten."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Erich Claßen vom Landschaftsverband Rheinland
  • Cryptomuseum.com: R-394KM
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