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Ostern | Was geschah eigentlich mit dem Kreuz, an dem Jesus starb?


Mythos um die Heilige Helena
Auf der Suche nach dem Kreuz von Jesus Christus


04.04.2021Lesedauer: 5 Min.
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Kreuzigung von Jesus: Die Heilige Helena gilt als Entdeckerin des angeblichen Christus-Kreuzes.Vergrößern des Bildes
Kreuzigung von Jesus: Die Heilige Helena gilt als Entdeckerin des angeblichen Christus-Kreuzes. (Quelle: Andrea Mantegna/ullstein-bild)

Vor mehr als 2.000 Jahren wurde Jesus hingerichtet. Das Holzkreuz, an das man ihn nagelte, wurde zum Zankapfel unter verfeindeten Nationen – und machte eine Archäologin zur Heiligen.

Es begann der Überlieferung nach mit einem Traum. Der Mutter des römischen Kaisers Konstantin, Flavia Iulia Helena, erschien eines Nachts Gott höchstpersönlich und trug der damals bereits knapp 80-jährigen Greisin auf, nach Jerusalem zu reisen. Umgehend machte sie sich daraufhin auf nach Palästina. Helena war Christin der frühen Generation, kurz nach der Thronbesteigung ihres Sohnes im Jahr 306 nach Christus hatte sie sich taufen lassen.

Die Religion war damals noch jung – ein zartes Pflänzchen, das sich zwischen Kaiserkult, Judentum und zahlreichen heidnischen Göttern erst noch bewähren musste. Noch war es nicht allzu lange her, dass Jesus Christus am Kreuz gestorben war. Aber genau dieser Umstand spielte Helena in die Hände. Denn noch wussten die Bewohner Jerusalems recht genau, wo die Ereignisse um dessen Tod stattgefunden hatten.

Grabung an der Schädelstätte

Den entscheidenden Tipp erhielt Helena vom Bischof von Jerusalem. Unter dem Tempel der Venus, erzählte er der Kaisermutter, liege die Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha genannt – der Kreuzigungsort Jesu. Kaiser Hadrian habe genau dort vor 190 Jahren das Heiligtum der heidnischen Liebesgöttin bauen lassen, um dem aufkeimenden Kult um den angeblichen Messias den Garaus zu machen.

Dorthin also schickte Helena mit Schaufeln bewaffnete Arbeiter und wies sie an, den Boden aufzugraben. Dabei stießen sie unter dem Tempelboden auf einen Hohlraum, in dem drei Kreuze aus Holz lagerten. An einem von ihnen hing dem Mythos nach noch jene Holztafel mit Inschrift, die einst Pontius Pilatus dort hatte anbringen lassen: INRI, die lateinische Abkürzung für Jesus von Nazareth, König der Juden.

So erzählt zumindest der Kirchenvater Ambrosius von Mailand (339-397) die Geschichte. Mittelalterliche Quellen machen stattdessen einen Juden namens Judas zum Finder der Kreuze, der sich im Anschluss habe taufen lassen und später seinerseits unter dem Namen Judas Cyriacus das Amt des Bischofs von Jerusalem bekleidete. Einer dritten Variante zufolge wurde das Kreuz, mit dem angeblich der Heiland gekreuzigt worden war, schon viel früher entdeckt, und zwar von Protonike, einer angeblichen Ehefrau des Kaisers Claudius (10 vor bis 54 nach Christus).

Wunder als Beweis?

Diese soll mit zwei Söhnen und einer jungfräulichen Tochter nach Jerusalem gereist sein, um sich vor Ort die Stätte von Jesus' Tod anzuschauen. Kaum habe die Familie jedoch die Höhle betreten, sei ihre Tochter tot umgefallen. Ein erster Versuch, sie durch Auflegen eines der Kreuze und inbrünstiges Beten wieder zum Leben zu erwecken, scheiterte der Legende nach. Auch das zweite Kreuz brachte demnach keine Besserung. Als die verzweifelte Mutter dann aber ihre Tochter mit dem dritten Kreuz berührt habe, schlug diese die Augen auf, wurde wieder lebendig – und das echte Kreuz war gefunden.

Wie auch immer es nun entdeckt worden war: Die Kirche entschied sich für Helena als offizielle Finderin des Kreuzes und machte den 3. Mai zum Tag der Kreuzauffindung. Heute wird dieser allerdings meist am Tag der Kreuzerhöhung am 14. September mitgefeiert. Den Venustempel seines Vorgängers ließ ihr Sohn Konstantin abreißen, an seine Stelle setzte er die Grabeskirche, die am 13. September 335 geweiht wurde.

Das als wahres Kreuz angenommene Exemplar aber teilte Helena gewissenhaft auf. Ein Teil verblieb am Fundort in Jerusalem. Einen weiteren Teil schickte sie zu ihrem Sohn nach Konstantinopel. Der war zwar – anders als seine Mutter – immer noch nicht zum Christentum übergetreten, trug aber durchaus bei Schlachten christliche Symbole vor sich her und war sich auch nicht zu schade, dem Christengott für seinen Beistand auf dem Schlachtfeld zu danken. Mit in das Paket an Konstantin legte Helena noch einige der Nägel, mit denen der Heiland ans Kreuz genagelt worden sein sollte.

Falsche Bescheidenheit

Aus ihnen ließ der Kaiser sich ein Zaumzeug für sein Pferd anfertigen. Den dritten Teil des Kreuzes aber behielt Helena für sich und nahm ihn mit nach Rom – zusammen mit weiteren Schätzen aus Jerusalem, denen ein Zusammenhang mit Jesus Christus unterstellt wurde: ebenfalls einen Nagel vom Kreuz, zwei Dornen aus der Dornenkrone, eine Hälfte der INRI-Tafel, ein Stück von dem Schwamm, den ein Soldat in Essig getaucht Jesus zum Trinken gereicht hatte, den Finger des Ungläubigen Thomas, mit dem er Jesus' Wunde berührt sowie einen jener 30 verhängnisvollen Silbertaler, für die Judas den Messias verraten hatte. Die "heiligen" Funde kamen in ihre persönliche Palastkapelle in Rom, die heutige Kirche Santa Croce in Gerusalemme.

Wäre Helena doch nur nicht so bescheiden gewesen und hätte sich noch mehr des Kreuzes mit nach Hause genommen. Denn in den folgenden Jahrhunderten wurde Jerusalem zum Zankapfel konkurrierender Mächte – und mit ihm jener Holzbalken in der Grabeskirche. 614 fiel er an die Perser, 628 eroberte ihn der byzantinische Kaiser Heraklios zurück. Neun Jahre später nahmen muslimische Truppen die Stadt ein, 1099 kamen die Kreuzritter.

Bei einer Bestandsaufnahme entdeckten sie in einem versteckten Winkel der Grabeskirche eine mit Silber beschlagene Kiste mit Holzresten darin. Die Freude währte allerdings nicht lange, denn 1187 geriet die Kiste nach der Schlacht bei Hattin am See Genezareth in die Hände muslimischer Ayyubiden und ward nicht mehr gesehen.

"Unvergleichlich kostbare Edelsteine"

Dafür holten die Kreuzritter sich 1204 bei der Eroberung Konstantinopels das Kreuzstück aus dem ehemaligen Privatbesitz Konstantins zurück. "Nach der Eroberung der Stadt wurden unschätzbare Reichtümer gefunden, unvergleichlich kostbare Edelsteine und auch ein Teil des Kreuzes des Herrn, das, von Helena aus Jerusalem überführt und mit Gold und kostbaren Edelsteinen geschmückt, dort höchste Verehrung erfuhr", berichtet die Kölner Königschronik. "Es wurde von den anwesenden Bischöfen zerteilt und mit anderen sehr kostbaren Reliquien unter den Rittern aufgeteilt."

Mit den heimkehrenden Kreuzfahrern verteilten die Splitter sich alsbald in ganz Europa. Auch deutsche Kirchen und Klöster wurden mit den Souvenirs aus dem Heiligen Land beschenkt: Die Heilig-Kreuz-Kirche in Frankfurt hat eins, ebenso der Hildesheimer Dom, das Kloster Scheyern und das Heilig-Kreuz-Münster in Schwäbisch Gmünd. Ein besonders großes Stück liegt heute in der Schatzkammer der Wiener Hofburg, im unteren Schaft des Reichskreuzes des Heiligen Römischen Reiches. Die Lanzenspitze, mit der ein römischer Soldat dem Heiland in die Seite stach, leistet ihm im Querbalken Gesellschaft.

Bis heute ist Helenas Stück des Kreuzes das größte erhaltene. In ihrer Kapelle liegt es allerdings schon lange nicht mehr. Papst Urban VIII. holte es 1629 in den gerade fertiggestellten Petersdom. Zehn Jahre später stellte er der Kaisermutter noch eine monumentale Statue hinzu, geschaffen von dem Bildhauer Andrea Bolgi. In der Katholischen Kirche wird Helena für ihre archäologische Expedition nach Jerusalem als Heilige verehrt – und als Schutzpatronin der Nagelschmiede. Ob das Kreuz, das Helena entdeckt hatte, dasjenige gewesen ist, an dem Jesus Christus einst gestorben war, ist bis heute ungeklärt.

Verwendete Quellen
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