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Ian Fleming kämpfte gegen die Nazis: James Bonds Erfinder war ein echter 007


Geheimagent und Nazi-Gegner
James Bonds Erfinder ist der wahre 007

Von Lars Winkelsdorf

Aktualisiert am 30.09.2021Lesedauer: 7 Min.
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Daniel Craig als James Bond, Schriftsteller Ian Fleming (Bildcollage t-online): Der Erfinder von "007" war Spion im Zweiten Weltkrieg.Vergrößern des Bildes
Daniel Craig als James Bond, Schriftsteller Ian Fleming (Bildcollage t-online): Der Erfinder von "007" war Spion im Zweiten Weltkrieg. (Quelle: Mary Evans Archive/Columbia Pictures/Prod.DB/United Archives International)

007 war nicht bloß eine Kopfgeburt. Sein Erfinder Ian Fleming kämpfte als Geheimagent gegen die Nazis. Er wollte die Nazis beim Pokern und bei einer Sauftour überlisten. Doch das ging gründlich schief.

"Keine Zeit zu sterben" heißt der neueste Film um die Allzweckwaffe in Diensten der britischen Königin. Die Rede ist hier selbstverständlich von James Bond, auch "007" genannt. Ersonnen wurde der Agent, Liebhaber und Killer 1953 von Ian Fleming. Einem Schriftsteller, der nur von der Schreibmaschine aus Abenteuer und Nervenkitzel beschrieb? Weit gefehlt!

Aber von Anfang an: Zu Beginn der Fünfzigerjahre war der Brite ein psychisches Wrack. Fleming rauchte drei Schachteln Zigaretten am Tag, er soff und war ein Frauenheld. Sein Hausarzt gab ihm einen dringenden Rat, um den Patienten wieder ins seelische Lot zu bringen: "Schreiben Sie doch mal ein Buch." Aber worüber? Das lag nahe, Fleming führte sein ausschweifendes Leben vor allem, um die erlittenen Traumata aus dem Zweiten Weltkrieg zu verdrängen. Heute würde man ihm vermutlich die Diagnose einer "posttraumatischen Belastungsstörung" ausstellen. James Bonds Geburt diente also gewissermaßen therapeutischen Zwecken.

Was soll die zweite Telefonnummer?

1939 hatte Flemings militärische Karriere im Zweiten Weltkrieg begonnen, er trat in den britischen Marinegeheimdienst ein. Hitlers Wehrmacht erschien zu diesem Zeitpunkt unbesiegbar, Großbritanniens Hoffnung lag auf dem Kanal, der das Inselreich abschirmte. Fleming kam in die Abteilung "Room 39", wurde persönlicher Assistent des Direktors Admiral John Godfrey. Also quasi ein Schreibtischspion, eine Art "Helfer für alles". Noch heute findet sich in den Telefonbüchern der britischen Admiralität aus dieser Zeit Flemings Name unter dem Kürzel "17F" als Adjutant unter der Durchwahl "-991".

Die gleiche Telefonnummer "-991" findet man in diesen Telefonbüchern allerdings zusätzlich noch an anderer Stelle: Ohne Namensnennung oder Kürzel erreichte man eine Abteilung "Special Services", die für ganz besondere Aufgaben zuständig war. Ian Flemings Rolle als Adjutant war quasi eine Tarnung für seine tatsächliche Verwendung, die selbst innerhalb der Admiralität nur wenigen bekannt war. Fleming leistete einen ganz eigenen Beitrag im Kampf gegen die Nazis, indem er sich mehr oder weniger direkt mit den unkonventionellen Methoden der Geheimdienstarbeit befasste.

1940, kurz bevor die Wehrmacht Frankreich niedergerungen hatte, sollte Fleming etwa dabei helfen, die Flotte der Grande Nation nicht in deutsche Hände fallen zu lassen. Stattdessen sollte sie von den Briten übernommen werden. Doch die französischen Admiräle verweigerten sich.

In diese Zeit fällt auch ein Ereignis, das bei James Bond später eine Rolle spielen sollte. Und zwar das Kartenspiel aus dem Film "Casino Royal", welches tatsächlich stattgefunden hat. Allerdings verlief es in Wirklichkeit anders. Flemings Plan, deutsche Agenten in Portugal im Casino von Estoril auszunehmen und so deren Operationen empfindlich zu stören, endete genau umgekehrt. Die Deutschen zockten die Briten ab – und schließlich musste der Spitzenspion Fleming aufgeben. Ferner misslang der Plan, gefangenen deutschen U-Boot-Kommandanten ihre Geheimnisse zu entlocken. Fleming wollte sie bei einer Kneipentour betrunken machen, doch dies endete im Desaster. Oder besser gesagt: im Rausch. Denn die Seebären erwiesen sich als deutlich trinkfester als gedacht.

Schnelle Autos, miese Geschäfte

Die vielen Fehlschläge Flemings ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Biografie. 1908 geboren, wuchs er mit drei Brüdern als Sohn des 1917 im Ersten Weltkrieg gefallenen Valentine Fleming, einem Abgeordneten des britischen Unterhauses, auf. Um die Kinder kümmerte sich gelegentlich auch ein enger Freund des toten Vaters: Winston Churchill.

Am elitären Eton-College bekam er immer wieder Ärger wegen zahlreicher Affären und seiner Liebe zu schnellen Sportwagen. Danach besuchte er die ehrwürdige Militärakademie Sandhurst, die er ohne Abschluss, aber dafür mit einer hartnäckigen Geschlechtskrankheit verließ. Mehrere Jahre lang reiste Fleming anschließend durch Europa, um sein Französisch und sein Deutsch zu verbessern. Obwohl für ihn eigentlich eine Karriere im Staatsdienst vorgesehen war, wurde er stattdessen Journalist. Mit bescheidenem Erfolg. Fleming versuchte sich sodann als Investmentbanker in London. Darin war seine Erfolgsquote noch bescheidener.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Fleming so nicht nur mit einem Trauma da, sondern befand sich obendrein in der doppelten Zwickmühle, dass er sich seinen Kummer nicht einmal von der Seele reden konnte. Denn über seine Mission im Krieg öffentlich zu sprechen, wäre Hochverrat gewesen. Auch als Erfinder und Autor von James Bond hatte er sich zu hüten. Also veränderte er Daten, Orte und Namen, vertauschte die Chronologie der Ereignisse – sodass am Ende scheinbar fiktive Geschichten entstanden. Die sich erst seit wenigen Jahren durch die Freigabe von Archivmaterial und Aussagen von Zeitzeugen entwirren lassen.

So im Falle des Namens "James Bond" etwa: Einem Vogelkundler habe er den Namen entliehen, betonte Fleming immer wieder. Tatsächlich entstammt James Bonds Name eher der Agentenschule "Camp X-Ray" im kanadischen Ontario während des Krieges. Hochrangige Gäste, darunter wohl auch Fleming selbst, wurden außerhalb des Kasernengeländes in einer privaten Pension untergebracht. Genau gegenüber der "Saint James Bond United Church".

Eine Truppe für den Schattenkrieg

Bleiben wir in der Zeit des Krieges: Nach den ersten Fehlschlägen fand Fleming schließlich zu bester James-Bond-Form, erarbeitete sich einen Ruf als unkonventioneller Problemlöser. In der "Operation Goldeneye" bereitete er eine Truppe auf einen verdeckten Einsatz in Gibraltar vor. Alles für den Fall, dass die Deutschen den wichtigen britischen Hafen besetzen würden. Ebenso beriet er als Verbindungsoffizier die amerikanischen Verbündeten nach deren Kriegseintritt Ende 1941 beim Aufbau eines eigenen Geheimdienstes. Aus diesem "Office of Strategic Services" sollte später die CIA entstehen.

Im September 1942 erhielt Fleming schließlich nach monatelangen Diskussionen mit der Admiralität die Erlaubnis, seine eigene Spezialeinheit aufzustellen. Da der Geheimdienst selbst keine militärischen Einheiten befehligen durfte, wurde die "30 Assault Unit", kurz "30 AU", direkt dem "Combined Operation Headquarters" von Lord Louis Mountbatten unterstellt.

Patrick S. (Name aus Geheimhaltungsgründen von der Redaktion gekürzt) war bei der "30 AU". Er berichtete später über seine Erlebnisse, das Gesagte liegt dem Autoren vor:

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"Ich war Seemann, eingesetzt auf Kreuzern. Sie fragten, ob ich Lust hätte, aus einem Flugzeug zu springen, von U-Booten aus eingesetzt zu werden und ich sagte zu. Es war extrem hart, aber ich schaffte die Ausbildung. Wir gingen zu Scotland Yard, um zu lernen, wie man Tresore knackt, wir hatten einen polnischen Safeknacker, aus dem Gefängnis entlassen, Jonny Ramanski, er war häufig dort, entkam und wurde begnadigt, um bei uns dienen zu können, wir knackten in Rom 16 Tresore an nur einem Tag. Einige wurden in Topografie unterwiesen, hatten Sprengstoffkurse, Nahkampfausbildungen, lernten Kanufahren, U-Boote zu steuern, Fallschirmspringen, alles Mögliche. Wir endeten damit, dass wir glaubten, wir wären die Größten."

Der erste Einsatz für die neue Einheit war die "Operation Jubilee" am 19. August 1942: Mehr als 7.000 Soldaten, zahllose Flugzeuge und Schiffe führten beim französischen Dieppe einen "Landungsversuch" an der von den Deutschen besetzten Küste durch. Zusätzlich diente der Angriff einem weiteren Ziel: Der Erbeutung einer streng geheimen Enigma-Chiffriermaschine und Materials aus einer Radarstellung, wie der "Guardian" berichtete. Ian Fleming hielt sich dabei unmittelbar im Kampfgeschehen an Bord eines Zerstörers auf, um den Spezialeinsatz zu kommandieren. Trotz extremer Verluste zeigte der Einsatz, dass die Ideen des späteren Schriftstellers funktionierten.

Jagd auf die "Superwaffen"

Einer der Schwerpunkte in Flemings Sonderoperationen waren die deutschen Geheimwaffen. Von Anfang an war der Spion in das Knacken der Enigma-Geheimcodes einbezogen und gehörte zu den wenigen Offizieren mit der höchsten Geheimhaltungsstufe, die bei den britischen Codebrechern in ihrem streng geheimen Versteck Bletchley Park ein- und ausgehen durften. Flemings Enigma musste er in dem Roman "Liebesgrüße aus Moskau" noch als "Lectra" bezeichnen, denn noch bis in die Siebzigerjahre war es Staatsgeheimnis, dass die deutschen Codes dechiffriert werden konnten.

Die Raketenentwicklungen V1 und V2 der Nazis, aber auch Kleinst-U-Boote, Radar-Ausrüstung und die Atomforschung gehörten ebenso zu den Zielen der Einheit "30 AU" wie Geheimdienstmaterial der Deutschen, Forschungseinrichtungen und sogar Schlüsselpersonal wie etwa Wissenschaftler. Das "30 AU"-Mitglied Patrick S. landete im Rahmen der "Operation Overlord" 1944 in der Normandie und führte Einsätze mit diesen Zielen in vielen Ländern Europas durch:

"Wir waren eine Hit-and-run-Einheit, wir erbeuteten die Ziele, die uns gegeben wurden, die Unterlagen und Geheimnisse, bevor die Deutschen sie vernichten konnten. Wir waren in gepanzerten Jeeps unterwegs und wir stürmten einfach hinein. Manchmal, wenn die Deutschen gerade dabei waren, an einem Ende der Straße zu flüchten, sind wir gerade auf der anderen Seite reingestürmt, es war wirklich manchmal wie bei 'Cowboy und Indianer'. Darum nannte uns Fleming auch seine 'Red Indians', weil es eben schnell rein- und schnell rausging, weil die Ziele schnell erbeutet wurden."

In einer Liste von Zielen, der "Black List“, trug Fleming alle bekannten Details zu wichtigen Personen und Einrichtungen zusammen. Neben Kontaktpersonen und Aufenthaltsorten auch Details aus den Lebensläufen und die Einbindung in die Projekte der Nazis.

"Ich traf Ian Fleming ein einziges Mal, an der Westküste Frankreichs. Meiner Meinung nach sehr von sich selbst überzeugt, aber ich muss sagen, wirklich hochintelligent. Er konnte uns sogar Adressen in den Städten geben für die Ziele, die er wollte, es war wirklich erstaunlich. Er gab uns die Liste, er gab uns für eine Person eine Anschrift, ein deutscher Wissenschaftler. Als wir ankamen, fanden wir nur eine Blondine, sie war die Wissenschaftlerin." So erinnert sich der ehemalige Elitesoldat Patrick S. "Wir fanden die Dinge, die versteckt waren, und auf einer Pilzfarm fanden wir die geheimen U-Boot-Motoren und kleine Einmann-U-Boote. Bei Morlay, wo die Experten saßen, hatten sie nach Einmann-U-Booten gefragt, und wir lieferten sie. Die Erkenntnisse gingen zurück an die Admiralität. (...) Wir erbeuteten dort Unmengen an Informationen, auch die gingen sofort nach England, per Flugzeug und mit dem Schiff direkt in die Admiralität, damit sie von Ian Fleming ausgewertet werden konnten."

So trugen Ian Fleming und seine Männer dazu bei, das "Tausendjährige Reich" Adolf Hitlers zu Fall zu bringen. Nach Kriegsende wurde die Spezialeinheit aufgelöst – und Ian Fleming wieder Zivilist. Er erwarb ein Anwesen auf Jamaika, das er "Goldeneye" taufte. 1961 starb der Vater von James Bond an den Folgen eines Herzinfarkts. Die "30 AU" wurde 2010 übrigens vom britischen Militär als "30 Commando Information Exploitation Group" wieder aufgestellt. Für den Kampf gegen den Terror.

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