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Experten-Interview: Tornados in Winterstürmen - eine verheerende Allianz


Experten-Interview
Tornados in Winterstürmen - eine verheerende Allianz

wetter-info, von Rickmer Flor

Aktualisiert am 30.11.2013Lesedauer: 3 Min.
Sturmschäden auf einer Landstraße bei Ilmenau: Orkantief Kyrill war 2007 der schwerste Orkan seit JahrzehntenVergrößern des BildesSturmschäden auf einer Landstraße bei Ilmenau: Orkantief "Kyrill" war 2007 der schwerste Orkan seit Jahrzehnten (Quelle: Archivbild/dpa)
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Sie heißen "Kyrill", "Emma" und "Christian": Orkantiefs, die in manchen Wintermonaten enorme Schäden in Europa anrichten - auch in Deutschland. Unwetterexperte Thomas Sävert erforscht die Winterstürme, und ist einem ihrer Geheimnisse auf die Spur gekommen: Gefährlichen Tornados, die sich kaum sichtbar in der Sturmfront bilden. Eine verheerende Allianz mit manchmal tödlichem Folgen.

Nicht in jedem Jahr sind die Auswirkungen dramatisch, wenn Stürme zwischen Oktober und März über uns hinwegjagen. Doch alle paar Jahre ist einer dabei, der es in sich hat.

So wie Ende Oktober 2013, als Orkantief "Christian" über den Norden zog - der schwerste Sturm dort seit fast 15 Jahren. Die Wetterstationen registrierten Rekordböen mit bis zu 191 Kilometern pro Stunde auf einigen Nordseeinseln und knapp 160 km/h im Binnenland.

"Kyrill" ließ Forscher aufhorchen

Doch eine Zäsur für die Meteorologen war der 18. Januar 2007. An diesem Tag tötete Orkantief "Kyrill" elf Menschen allein in Deutschland und Dutzende in Europa. Hinzu kamen Schäden in Milliardenhöhe: Ganze Landstriche wurden verwüstet, große Gebiete entwaldet.

"Das war damals der Wendepunkt", sagte Sävert im Gespräch mit wetter.info: Der Meteorologe sah Zerstörungen, die für flächendeckende Sturmereignisse wie einen Orkan untypisch sind, massivste Schäden auf sehr eng begrenztem Raum. Sävert, der seit Jahren Wirbelstürme untersucht, war sich sicher: Das ist das Werk von Tornados.

300 km/h Windgeschwindigkeit

Nach genauen Analysen der Unwetterschäden wissen die Experten heute: In der Sturmfront von "Kyrill" tobten mindestens vier Tornados - darunter drei der Stärke F3, mit Windgeschwindigkeiten bis über 300 km/h. Weitere 40 Verdachtsfälle können womöglich nicht mehr abschließend geklärt werden.

Mehrere Besonderheiten machen es den Tornadojägern bei ihrer Arbeit schwer: Zum einen ist es im Winter die meiste Zeit dunkel und Windhosen sind nur schwer oder gar nicht zu erkennen. Zum anderen sind die Muster der Schäden anders als bei Tornados, die im Sommer wüten.

Indizienprozess gegen Tornado

"In den Fronten der Sturmtiefs sind die eigelagerten Tornados viel schneller unterwegs", erklärt der Meteorologe. Entsprechend anders sehen die Schäden aus. Für die Forscher war das Neuland, und die Schadensanalyse entsprechend aufwändig. "Wir führten sozusagen einen Indizienprozess gegen die Tornados", so Sävert.

"Tornados der Stärke F3 kommen in Deutschland im Schnitt etwa alle zwei Jahre vor", sagte Sävert. "Bei 'Kyrill' waren es definitiv drei in nur zwei Stunden."

Einer von ihnen, der sognannte Lauchhamer-Tornado, raste um 19:30 Uhr in "Kyrills" Sturmfront in nur wenigen Minuten die 30 Kilometer von Elsterwerda (Südbrandenburg) über Lauchhammer nach Schwarzeheide.

500 Meter breiter Rüssel

Sein zerstörerischer Rüssel war zwischen 200 und 500 Meter breit und erreichte zweitweise die Stärke F3. Ein Augenzeuge berichtete damals: "Der Tornado sah aus wie ein großer rotierender Schneeball mit jeder Menge Dreck dazwischen." Allein in dem kleinen Ort Kahla stürzten vier gemauerte Häuser in sich zusammen.

Manchmal geht das Gros der Schäden durch einen Orkan auf das Konto von Tornados und Gewitterböen. So auch bei Sturm "Emma" am 1. März 2003. Der versicherte Schaden bezifferte sich auf 800 Millionen Euro - die Hälfte verursachten Tornados und anderer Starkwindereignisse in seiner Front.

Die Forschung ist erst am Anfang - doch schon jetzt konnten die Wetterexperten den Nachweis über 22 Tornados in Sturmfronten allein zwischen 1990 und 2013 führen. Weiter 78 Verdachtsfälle kommen hinzu.

F4-Tornado in Düsseldorf

Eines der schlimmsten Ereignisse im Zusammenhang mit Winterstürmern, auf die Sävert bei seiner Arbeit gestoßen ist, liegt schon fast 80 Jahre zurück: Am 10. Januar 1936 wütete ein F4-Tornado bei Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen. Er wehte unter anderem eine ganze Fabrikhalle um, deren Mauern einen halben Meter dick waren.

"Sowas kommt zum Glück nur selten vor", sagte Sävert. Doch die Gefahr tödlicher Tornados ist hierzulande ebenso real wie beispielsweise in den USA, von wo uns meist die schrecklichsten Katastrophenmeldungen erreichen.

Und Sävert warnt: Egal ob Sommer oder Winter, "Tornados in Deutschland sind genauso stark wie im Mittleren Westen der USA."

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