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Mathematik: 29 Zahlen lösen jahrhundertealtes Problem


Mathematik
29 Zahlen lösen jahrhundertealtes Problem

spiegel-online, Von Holger Dambeck, Seoul

Aktualisiert am 15.08.2014Lesedauer: 4 Min.
Eines der letzten, großen Mathematik-Probleme wurde geknackt.Vergrößern des BildesEines der letzten, großen Mathematik-Probleme wurde geknackt. (Quelle: imago / CTK / CandyBox)
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Lässt sich jede beliebige natürliche Zahl als Summe von vier Quadratzahlen darstellen? Solche Fragen quälen Mathematiker seit Jahrhunderten. Fields-Medaillist Manjul Bhargava hat eine allgemeine Lösung dafür gefunden. Die Geschichte seines Beweises.

Mathematik kann hinterhältig sein: Ausgerechnet die einfach aussehenden Probleme erweisen sich oft als die schwierigsten. Diese Erfahrung machen Wissenschaftler immer wieder, vor allem wenn sie versuchen, Rätsel der Zahlentheorie zu knacken. Beispielsweise die Frage, ob man jede beliebige natürliche Zahl n als Summe von vier Quadratzahlen schreiben kann - also in der Form n = a2 + b2 + c2 + d2, wobei a, b, c und d natürliche Zahlen sind.

Offensichtlich scheint das zu gelingen: Beispielsweise ist

5 = 4 + 1 + 0 + 0 oder

6 = 4 + 1 + 1 +0 und

31 = 25 + 4 + 1 + 1.

Aber lässt sich tatsächlich für jede beliebige natürliche Zahl eine solche Darstellung finden? Mit der Frage haben sich bereits der Grieche Diophantos von Alexandria und Pierre de Fermat herumgeschlagen. 1770 schließlich gelang Joseph Louis Lagrange der Beweis.

Damit war das Problem für die Mathematiker aber noch lange nicht abgehakt. Sie erweiterten die Fragestellung: Was passiert, wenn man Faktoren einführt, etwa 3a2 + 2b2 + c2 + d2? Oder zusätzlich gemischte Ausdrücke hinzufügt wie ab oder 5cd? Lässt sich durch eine solche sogenannte quadratische Form jede natürliche Zahl darstellen?

Vorarbeiten für Bhargavas Beweis

Eine verblüffend einfache Antwort darauf hat der kanadische Mathematiker Manjul Bhargava gefunden - und nicht zuletzt dafür nun in Seoul die begehrte Fields-Medaille erhalten. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jonathan Hanke hat Bhargava gezeigt, dass ein Test mit genau 29 Zahlen genügt, um die Frage zu beantworten.

Wichtige Vorarbeiten für den Beweis stammen vom indischen Mathegenie Ramanujan (1887-1920). Er hatte 1916 insgesamt 54 quadratische Formen entdeckt, mit denen sich jede natürliche Zahl darstellen lässt. Hier exemplarisch nur zwei der von Ramanujan gefundenen Formen:

3a2 + 2b2 + c2 + d2 und

7a2 + 2b2 + 2c2 + d2

29 Zahlen genügen

"Es ist ein tolles Gefühl, an Dingen zu arbeiten, mit denen sich Ramanujan schon beschäftigt hat", sagt Fields-Medaillist Bhargava. "Das bedeutet mir einiges, Ramanujan kommt ja aus dem Land meiner Eltern." 1974 in Kanada geboren, wuchs Bhargava in den USA auf. "Im Haus meiner Familie in New York war ich aber immer auch ein Stück weit in Indien." Als Schüler verbrachte er später immer wieder mehrere Monate dort.

Wie aber funktioniert Bhargavas Methode zur Lösung des alten Zahlenrätsels? Wer wissen möchte, ob sich beispielsweise mit

3a2 + 2b2 + c2 + d2 + 2ab + 5cd

jede beliebige natürliche Zahl darstellen lässt, braucht dies nur für 29 Zahlen zu überprüfen. Gelingt es mit allen 29, klappt es auch mit jeder anderen noch so großen natürlichen Zahl - dies konnte Bhargava nachweisen. Hier sind die 29 Zahlen:

1, 2, 3, 5, 6, 7, 10, 13, 14, 15, 17, 19, 21, 22, 23, 26, 29, 30, 31, 34, 35, 37, 42, 58, 93, 110, 145, 203, 290

Weil 290 die Größte ist, wird das Ganze auch als 290-Theorem bezeichnet.

Beweis mit Computerhilfe

Laien dürfte das immer noch kompliziert vorkommen. Wie soll man für jede dieser 29 Zahlen überprüfen, ob sie in der Form 3a2 + 2b2 + c2 + d2 + 2ab + 5cd darstellbar ist? Doch man kann diese Aufgabe glücklicherweise einfach an einen Computer delegieren, der binnen Sekunden alle für a, b, c, d infrage kommenden Zahlen durchprobiert.

Das geht flott, denn es gibt nur wenige Fälle. Offensichtlich muss jede der Zahlen von a bis d kleiner als 18 sein, weil das Quadrat von 18 genau 324 ist und 3a2 + 2b2 + c2 + d2 + 2ab + 5cd ansonsten auf jeden Fall größer wäre als 290.

Das 290-Theorem ist noch halbwegs zu verstehen - für den eigentlichen Beweis gilt das leider nicht. Dafür musste Bhargava sogar Computerhilfe in Anspruch nehmen, was nicht allen Kollegen gefällt. Denn Computerbeweise lassen sich nicht einfach so gedanklich nachvollziehen wie eine klassische Beweisführung auf Papier. Doch immer häufiger müssen Mathematiker bei ihren Beweisen auf Rechner zurückgreifen.

"Wir konnten durch theoretische Vorarbeiten die finalen Berechnungen am Computer deutlich reduzieren", berichtet Bhargava. Trotzdem seien 20 Desktop-Computer zwei Monate lang damit beschäftigt gewesen. "Es waren immer noch sehr viele Fälle, die einzeln untersucht werden mussten."

"Meist misslingen sie"

Die Arbeit am 290-Theorem erforderte einen langen Atem - wie fast jedes anspruchsvolle mathematische Problem. "Ich stecke eigentlich fast immer irgendwo fest", sagt Bhargava und lächelt. "Man versucht viele Dinge, und meist misslingen sie."

An eine Fields-Medaille hat der Mathematiker nicht gedacht, als er begann, sich mit dem alten Quadratzahlenrätsel zu beschäftigen. "Wir haben das 290-Theorem bewiesen, weil wir es schön fanden."

Die Ästhetik der Mathematik ist letztlich auch das, was Bhargava immer wieder aufs Neue motiviert: Er hat in den vergangenen Jahren viele gut dotierte Jobangebote aus der Finanzbranche bekommen "Aber ich bin bei der Mathematik geblieben", sagt er. Und meint damit die Princeton University, an der er Professor für Mathematik ist. "Man sollte das machen, was einem Spaß macht. Geld darf nicht das Entscheidende sein."

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