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Venus Berlin 2022: Das erleben Trockenbauer beim Betriebsausflug auf die Erotikmesse


Vulva-Waffeln und Treffen mit Pornostars
Betriebsausflug zur Erotikmesse: Mit Trockenbauern auf der Venus


Aktualisiert am 22.10.2022Lesedauer: 5 Min.
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Viel nackte Haut: Die Venus findet zum 25. Mal in Berlin statt.Vergrößern des Bildes
Viel nackte Haut: Die Venus findet zum 25. Mal in Berlin statt. (Quelle: Frederike van der Straeten)

Sexshows statt Kanufahren: Eine Gruppe Handwerker hat bei ihrem Betriebsausflug die Venus in Berlin besucht. t-online hat sie dabei begleitet.

Normalerweise ist der Trockenbau ihr Gebiet, doch im Rahmen eines Betriebsausflugs widmet sich diese Männergruppe aus dem Berliner Umland nun dem Thema Vorbau: t-online begegnet Nesthäkchen Florian und dessen Kollegen an der Besucherbar der Erotikmesse Venus, die seit Donnerstag in der Hauptstadt gastiert.

"Ich habe meiner Mama erzählt, wo die Reise heute hingeht. Sie meinte: Viel Spaß und bis heute Abend", erzählt der 23-Jährige, für den es der erste Trip zur Venus ist.

Nach zwei Jahren Pandemiepause zeigt sich das Branchenevent unter dem Motto "Reloading a legend" in neuem Design. Doch obwohl die Sause zum 25. Geburtstag etwas ruhiger daherkommt als in den coronafreien Vorjahren, ist das Treiben so wild und sexuell aufgeladen, wie man es von der Venus kennt.

Fotografierende Fans scharen sich um masturbierende Frauen

Gleich nach dem Einlass empfängt eine hell beleuchtete Webcam-Area die Herrenrunde aus dem Baugewerbe mit nackten, masturbierenden Frauen. Diese werden jedoch beinahe gänzlich von den ehrgeizig fotografierenden und meist männlichen Fans verdeckt, die sich um die mit Dildos hantierenden Damen scharen. Die Musik ist laut und elektronisch – ein DJ, der eigentlich Lehrer ist, versucht auch tanzbare Hip-Hop-Einflüsse in den Mix zu werfen.

Doch anstatt sich auf die Pornostars zu stürzen, trinken sich Florian und seine Kollegen erst mal Mut an. "Wir haben untereinander noch nie darüber gesprochen, welche Pornos die anderen mögen", erzählt Florian, während sein Chef Gert neben ihm steht. Der sieht sich das Ganze mit eher nüchterner Miene an und sagt im Brustton des Romantikers: "Gar so nackt wie hier, das ist auch nicht unbedingt mein Ding."

"Meiner Freundin habe ich gesagt, ich bin auf einer Bohrmesse"

Sein Angestellter Frank, der sich sonst eher mit dem Bau von Swimmingpools und weniger mit Bikinis auskennt, erzählt scherzhaft: "Meiner Freundin habe ich gesagt, ich bin auf einer Bohrmesse." Ganz treuherzig betont er gleich zweimal, dass er seine erste Freundin geheiratet habe. Dabei rangieren viele Attraktionen auf der Venus wirklich fernab jedes Fremdgeh-Verdachts.

So entdeckt der Herrenausflug bei einer Frischluftpause beispielsweise den Waffelstand "Mummus & Lümmels" von Yusuf und Calvin. Der eine ist Lehrer, der andere im Onlinehandel tätig – auf der Venus gehen sie einer humorvollen Geschäftsidee nach: Sie verkaufen Süßspeisen in Vulva- und Penisform.

Mit einer Portion Ironie macht Florian den "Lecktest" und kann bestätigen: Die Waffeln sind "auf jeden Fall befriedigend". Zum einen eine gute anatomische Übung für die Damenwelt, zum anderen geht Liebe ja bekanntlich durch den Magen. Und wer sich die vielen genüsslich snackenden Porno-Performerinnen an den zahlreichen Essensständen ansieht, der stellt fest: Nicht nur Koitus, sondern auch Kulinarik macht den Menschen glücklich.

Stigma Erotik: Micaela Schäfer will zum Bambi eingeladen werden

Zudem ist die Venus – bekanntlich Sammelbecken für Selbstbefriedigungsvorlagen – auch ein Ort der Begegnung.

Denn hier öffnet sich eine Branche der Öffentlichkeit, die bereits fester Teil des gesellschaftlichen Lebens ist. Ihre Akteure müssen jedoch immer noch um Respekt ringen. So regte sich Micaela Schäfer am Premierenabend beispielsweise darüber auf, dass ihr trotz bald zwei Jahrzehnten im Rampenlicht zwar zu jeder Reality-TV-Premiere der rote Teppich ausgerollt werde, "zum Bambi aber nur Veronica Ferres und Heiner Lauterbach" kommen dürften.

Auch Darstellerin Maria Mia kämpft schon lange für mehr Respekt. t-online bringt sie ins Gespräch mit Florian und seiner Herrenrunde. Für den jungen Mann ist es das erste persönliche Gespräch mit einer beruflichen Sexarbeiterin. Während seine älteren Kollegen interessiert zuhören, fragt er: " Aber es gibt doch so viele kostenlose Inhalte im Internet, warum sollte man denn dafür bezahlen?" Die Porno-Performerin kennt sich mit der Problematik gestohlener Videos aus und erwidert: "Stell dir mal vor, du würdest für deine Arbeit kein Geld bekommen."

Darstellerin erklärt ethische Pornografie

"Ja, das wäre mies", bestätigt der Venus-Neuling. Maria Mia erklärt ihm, warum die einzig ethische Pornografie jene ist, für die man bezahlt. Und fügt hinzu: "Wenn man jemanden gut findet und sie unterstützen möchte, dann sollte man auf jeden Fall direkt auf die Webseite der Person gehen und die Inhalte dort kaufen. So bleibt am meisten bei den Darstellerinnen hängen." Denn leider gebe es immer noch zu wenig rechtliche Handhabe für Herstellerinnen von Pornografie, die ihre eigenen Urheberrechte schützen wollen – ein Grund dafür sei nicht zuletzt das anhaltende Stigma der Sexbranche.

Dabei hätte die digitale Wende in der Branche dafür gesorgt, dass Plattformen, die einen hohen Anteil des Gewinns einbehalten, immer stärker von modernen Seiten wie OnlyFans abgelöst würden. Wie selbstständige Influencer könnten die Sexarbeiterinnen dort viel mehr Gewinn mit ihren kreativen Inhalten erzielen.

Neben dem Geschäftlichen nimmt sich Maria Mia viel Zeit, die persönlichen Fragen von Florian zu beantworten. "Meine Tochter wird bald 20, sie wird einen ähnlichen Prozess durchmachen und ähnliche Fragen haben", erzählt die Performerin, die mit dem Produzenten Tim Grenzwert verheiratet ist, während Florian zu der Erkenntnis gelangt, später auch mal so eine "dynamische und explosive" Beziehung haben zu wollen.

"Ich gehe nur online, wenn ich will"

Domina Lady Sybella gesellt sich nun ebenfalls zu der Runde. Sie arbeitet seit 15 Jahren als Webcam-Girl und Domina. An ihrem Job liebt sie die Flexibilität. "Ich gehe nur online, wenn ich will, und kann meinen Biorhythmus in vollen Zügen ausleben." Doch das Thema Beziehungen ist leider eine Baustelle. Sie sei schon länger solo und habe drei Arten von Typen kennengelernt: "Die einen finden die ganze Sache ein bisschen zu geil und wollen sofort wissen, wo man mich im Internet finden kann. Die zweite Gruppe reagiert mit absoluter Ablehnung. Und die Dritten, das sind die Guten, sind respektvoll interessiert und hören zu, wenn man ihnen erklärt, was hinter dieser Arbeit steckt."

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Aufklärungsarbeit im breiteren Sinne wird vor allem in der "Kinky Lounge" geleistet. Denn neben der alternativen Szene, in der sich seit Jahren bunte Tierkostüm-Fans oder Bondage-Performer ausgebreitet haben, fühlen sich auch immer mehr aktivistische Gruppen wohl. Während Florian und seine Kollegen die handgemachten Peitschen von zwei jungen Unternehmerinnen ausprobieren, wird Paulita Pappel auf die Bühne nebenan gerufen.

Zusammen mit den Venus-Stars Fiona Fuchs und Maria Mia hatte sie am Abend zuvor bei einer Podiumsdiskussion der Vereinigung "Free Speech Coalition Europe" gesessen, welche die Rechte und Freiheiten der Erotikindustrie beschützen möchte. Sexueller Ausdruck soll destigmatisiert und Sexarbeit dekriminalisiert werden.

Jan Böhmermann beauftragt öffentlich-rechtlichen Porno

In Berlin ist Pappel als Aushängeschild der alternativen Pornografie berühmt. Die Krönung ihrer Arbeit: ZDF-Schlitzohr Jan Böhmermann gab bei ihr den ersten öffentlich-rechtlichen und ethischen Porno in Auftrag. Für diesen wurden Produzentin Pappel und ihr Team im Rahmen der Erotikmesse nun mit dem Porno-Oscar ausgezeichnet. Während sich die älteren Kollegen die nächste Runde Bier holen, hört Florian zu, wie Paulita Pappel erzählt: "Ethische Pornografie bedeutet sicherzustellen, dass die Produktionsbedingungen einvernehmlich und fair sind: Dazu gehören transparente Kommunikation, faire Bezahlung und respektvolle Standards."

Einen Teil ihrer Vision, bessere Pornografie unter die Menschen und vor allem Frauen zu bringen, ist hier auf der Venus schon greifbar: Als ihr preisgekrönter Safer-Sex-Film ausgestrahlt wird, sitzen in der ersten Reihe junge Frauen auf dem Boden, während Florian und sein Chef Gert nur wenige Meter weiter im Publikum stehen.

In Momenten wie diesen fühlt sich Nacktfilmgucken auf der Venus eben auch ein bisschen nach friedlicher gesellschaftlicher Revolution an.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
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