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LNG-Terminal auf Rügen: Inselbewohner kämpft gegen die Energielobby


Streit um LNG-Terminal
"Fukushima galt auch als sicher"

Von Jannik Läkamp

Aktualisiert am 24.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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LNG-Spezialschiff vor Rügen: Vielen Anwohnern ist das Vorhaben ein Dorn im Auge. (Quelle: Jens Koehler/imago images)

"Diktatorisch wie in der DDR": Weshalb ein Rügener nicht aufhören wird, gegen das geplante LNG-Terminal vor der Insel zu kämpfen.

Am Samstag wollen Hunderte Aktivisten zusammen mit Rügenern gegen das geplante LNG-Terminal auf der Insel protestieren. Einer der erbittertsten Gegner des Bauvorhabens ist Michael Schade. Ihn erinnert das Vorgehen der Regierung in dieser Frage an die DDR-Diktatur.

t-online hat sich mit dem Wahl-Rügener direkt am Strand in Prora getroffen. Denn dass es den noch lange geben wird, hält Schade für ausgeschlossen, wenn es mit den Plänen so weitergeht. Und auch die Inselbewohner werden seiner Meinung nach unter dem geplanten Flüssiggasterminal zu leiden haben.

"Wenn das LNG-Terminal kommt, will keiner mehr nach Rügen"

"Einer der schönsten Strände Deutschlands ist in Gefahr", sagt der 68-Jährige. Und damit meint er im Grunde seinen Garten. Denn Schade lebt seit gut zwei Jahren direkt am Strand von Prora, im Block eins der durch die Nationalsozialisten erbauten und inzwischen umfassend renovierten "Kraft durch Freude"-Anlagen. Inzwischen ist er der Sprecher einer Initiative gegen das LNG-Terminal, die in seinem Block entstand. Grund für seine Sorge um den Strand ist, dass der Hafen von Mukran für das geplante Terminal ausgebaggert werden muss, zu flach ist die Fahrrinne aktuell.

Das führe dazu, dass die Strände ringsum versteinern, also statt Sand nur noch Kiesel und Steine zu finden sind. Rund um Mukran sei das schon passiert, nun befürchtet Schade, dass es in wenigen Jahren auch die berühmte Proraer Strandpromenade treffen wird. Eine Einschätzung, die auch von Experten geteilt wird. Auch Milena Pressentin von der Deutschen Umwelthilfe (DHU) warnte am Freitag auf einer Pressekonferenz vor der Versteinerung des Strandes – und der massiven Beeinträchtigung von Hering, Kegelrobbe und Co. durch den Bau.

"Dann kommen auch keine Touristen mehr", sagt Schade. "Wenn das LNG-Terminal kommt, will keiner mehr nach Rügen" Die Urlauber würden durch die Bautätigkeit und die Betriebsamkeit vor der Insel ohnehin abgeschreckt, die Besucherzahlen gingen kontinuierlich zurück, so Schade. "Wer möchte schon im Industriegebiet Urlaub machen?" Eine Tragödie für viele auf der Insel, nicht nur für die durch Corona bereits gebeutelte Hotel- und Gastroszene auf Rügen.


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"Fukushima galt auch als sicher"


Michael Schade


"Viele haben hier ihren Zweitwohnsitz, den sie vermieten, wenn sie nicht da sind – und nur so den Kredit dafür abzahlen können. Hier wohnen bei weitem nicht nur Millionäre", so Schade. "Wenn das nicht mehr geht, weil keine Touristen mehr kommen, ist auch mal schnell die Lebensgrundlage weg. Da hängen Existenzen dran."

Neben der Zerstörung des berühmten Strandes sei jedoch auch die Licht- und vor allem Lärmbelästigung ein großes Problem. Freunde Schades könnten nur noch bei geschlossenem Fenster schlafen, auch im Sommer. "Am Strand sieht und hört man alles."

Hinzu komme, dass das Terminal die Umwelt gefährde. "Ich habe Angst vor einer Umweltkatastrophe, wenn das LNG-Terminal gebaut wird. Flüssiggas ist der beste Klimakiller, den es gibt", so Schade. Außerdem sei ein solches LNG-Terminal schlichtweg gefährlich, findet der Rentner. Als Teil der kritischen Infrastruktur sei es ein lohnendes Ziel für "Terroristen und Kriminelle. Man muss sich nur anschauen, was mit Nord Stream 2 passiert ist."


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"Wenn so ein Tanker hochgeht, fallen hier die Scheiben raus – im besten Fall"


Michael Schade


Zudem könne das Bauprojekt als noch so sicher gelten – Störfälle könnten schlichtweg nicht ausgeschlossen werden. Zuletzt war es etwa im Juni 2022 zu einer Explosion und einem Brand in einer LNG-Anlage vor Quintana in Texas gekommen, als eine unter Überdruck stehende Pipeline gerissen war. Schades pragmatischer Kommentar dazu: "Fukushima galt auch als sicher."

"Wenn so ein Tanker hochgeht, fallen hier die Scheiben raus – im besten Fall. Wer will schon auf so gefährlichem Posten leben oder Urlaub machen?" Hinzu komme, dass Rügen Schades Auffassung nach auf so einen Fall gar nicht vorbereitet sei. "Wo ist das nächste Krankenhaus, das so schwere Verbrennungen behandeln könnte? Hamburg? Wie viele Hubschrauber gibt es für den Notfall hier? Ist das Notfallkonzept wirklich so ausgereift?" Außerdem hat Schade gute Kontakte zur lokalen Berufsfeuerwehr. "Soweit ich weiß, sind sie nicht in Notfallpläne eingebunden. Nichts ist vorbereitet."

Der 68-Jährige fühlt sich deshalb von der Politik nicht gehört, allein gelassen. "Die Regierung hat von Anfang an diktiert, trotz unserer Gegenargumente. Es hat nie einen richtigen Dialog gegeben." Für Schade ist die Notwendigkeit des LNG-Terminals zur Versorgungssicherheit in Deutschland schlicht nicht gegeben.

"Diktatorisch wie in der DDR"

Eine Meinung, die er sich unter anderem mit dem renommierten Wirtschaftsforscher Prof. Dr. Christian von Hirschhausen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) teilt. "Das fossile LNG-Projekt Mukran ist energiewirtschaftlich nicht notwendig und wird nicht dringend für die Versorgungssicherheit im Winter 2023/24 benötigt. Das Projekt ist klimapolitisch nicht sinnvoll", so der Wissenschaftler. "Die Bundesregierung sollte den Ausbau von LNG-Infrastruktur stoppen."

Dass das geschieht, hält Schade jedoch für fraglich. Die Entscheidung für das LNG-Terminal sei "diktatorisch wie in der DDR. Die Argumente der Regierung sind vorgeschoben." Diese Sturheit, wie Schade es ausdrückt, spiele sogar der AfD in die Karten. Dennoch wollen sich der 68-Jährige und seine Mitstreiter nicht aufhalten lassen. "Wir geben nicht auf. Solange ich kann, werde ich kämpfen."

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Über die Unterstützung der Klimaaktivisten von "Ende Gelände" ist Schade daher sehr dankbar. Und er hat eine klare Meinung zu den Aktivisten. "Ich verurteile Extremismus. Aber wenn sie demokratisch demonstrieren, finde ich das gut. Man muss ihren Mut bewundern. Auch wenn ich jeden Autofahrer verstehen kann, der wütend ist, weil er wegen der 'Letzten Generation' im Stau steht."

Trotz seines unermüdlichen Einsatzes für seine Wahlheimat steht für den geborenen Berliner eines fest. "Wenn ich noch mal die Wahl hätte, mit dem Wissen von heute würde ich nicht noch mal nach Rügen ziehen."

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Interview mit Michael Schade
  • wiwo.de: Hier haben Brände die so wichtigen LNG-Terminals ausgeschaltet
  • Pressekonferenz von "Ende Gelände" am 22.09.2023
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