"Nicht zielführend" Gerichtsabteilungen für Schnellverfahren gegen Klimakleber aufgelöst
Die Berliner Justiz wollte kurzen Prozess mit den sogenannten Klimaklebern machen. Nun ist das Vorhaben gescheitert. Das sind die Gründe.
Zwei Abteilungen zur Bearbeitung von beschleunigten Verfahren – wie etwa die gegen die "Letzte Generation" – sind am Amtsgericht Tiergarten zum Jahresende aufgelöst worden. Diese Verfahrensweise hatte sich überwiegend als "nicht zielführend" erwiesen, teilte eine Sprecherin der Berliner Strafgerichte auf Anfrage mit. Zuvor hatte die "Welt am Sonntag" berichtet.
"Das liegt daran, dass die Beweislage in diesen Fällen oft eben nicht unbedingt klar ist, wie es das Gesetz als Voraussetzung für die Durchführung von beschleunigten Verfahren in § 417 StPO aber vorsieht." Im Verfahren gegen die "Gruppierung Aufstand der letzten Generation" müssten Fragen geklärt werden wie: Wie lang war der durch die Blockade ausgelöste Rückstau? Befanden sich etwa Krankenwagen in dem Stau? Gab es Ausweichmöglichkeiten? – Zu viele Fragen für ein schnelles Verfahren. "In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass dies im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens meist nicht geklärt werden konnte", so die Sprecherin.
Bisher doppelte Arbeit
Die Konsequenz: "Dann mussten die Verhandlungen trotz bereits erfolgter Beweisaufnahme ausgesetzt werden – und die Verfahren mussten dann in diesen Spezialabteilungen von vorne begonnen werden, sozusagen im Regelverfahren." Das habe sich als unpraktisch erwiesen, weil die oft doppelte Arbeit zu einer Überlastung dieser Abteilungen geführt habe. "Dass die Abteilungen für beschleunigte Verfahren aufgelöst wurden, ist letztlich also nur eine Umstrukturierung, um effektiver zu arbeiten."
Verfahren gegen Klimaaktivisten der "Letzten Generation", so die Sprecherin, müssten ohnehin bearbeitet werden – egal mit welchem Verfahren: "Das ist keine Belastung, das ist unsere Aufgabe." Fortan würden Anträge nicht mehr in zwei Spezialabteilungen bearbeitet, sondern würden auf 67 Abteilungen des Amtsgerichts Tiergarten auf mehrere Schultern verteilt.
Nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft sind von den 149 beschleunigten Verfahren noch 137 offen. Seit Juni seien elf Urteile ergangen – sieben Geldstrafen und vier Freisprüche. Nur die Freisprüche sind bislang rechtskräftig. 48 weitere Anträge der Staatsanwaltschaft auf beschleunigte Verfahren wurden abgelehnt.
Berlins Bürgermeister hätte sich anderen Ausgang gewünscht
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zeigte sich enttäuscht, betonte aber, dass er die Entscheidung der Richter "selbstverständlich" respektiere. Der "Welt am Sonntag" sagte er: "Ich wünsche mir aber, dass beschleunigte Verfahren gerade in solchen Fällen häufiger angewendet werden."
Der Deutsche Anwaltverein verurteilte die Forderung nach einer "Sonderbehandlung für einzelne Deliktsphänomene" als "politische, von populistischem Aktionismus getriebene Forderungen". Die Berliner Richterinnen und Richter hätten dagegen deutlich gemacht, "dass sie nicht bereit sind, rechtsstaatliche Garantien tagespolitischen Versuchen einer Einflussnahme zu opfern".
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Mit Material der Nachrichtenagentur afp