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Berlin: Carl Philipp Trump will mit LSD die Welt retten und Krankheiten heilen


Legaler Handel mit LSD-Ableger
Carl Philipp Trump will mit LSD die Welt retten und Krankheiten heilen

  • Daniel Mützel
von Daniel Mützel

Aktualisiert am 01.03.2021Lesedauer: 5 Min.
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Carl Philipp Trump: Er verkauft in seinem Berliner Büro einen LSD-Ableger.Vergrößern des Bildes
Carl Philipp Trump: Er verkauft in seinem Berliner Büro einen LSD-Ableger. (Quelle: Daniel Mützel)

Der Berliner Carl Philipp Trump verkauft legal einen LSD-Ableger und will damit die Menschheit retten. Der Start-up-Gründer schwört auf die Heilkraft der Designerdroge, mit der man zum besseren Menschen wird. Mögliche Risiken verharmlost er.

Carl Philipp Trump läuft rastlos durch sein Berliner Büro. Zwischen Mindmaps über neue Projektideen, sorgsam portionierten Drogentütchen und einer goldenen Gorillastatue fuchtelt er wild mit den Händen. Trump hat sich in Rage geredet. Der Zoll habe eine Großbestellung aus den Niederlanden abgefangen. "Das war eine richtig teure Lieferung: Insgesamt 25.000 Tabs." Seine Kunden saßen wochenlang auf dem Trockenen.

Der Grund für die Hartnäckigkeit der Zöllner könnte etwas mit Trumps ungewöhnlicher Geschäftsidee zu tun haben. Der Berliner Unternehmer, laut eigenen Angaben über mehrere Ecken mit Ex-US-Präsident Donald Trump verwandt, hat ein bemerkenswertes Start-up gegründet: Von seiner Wohnung im Szenekiez Friedrichshain aus verkauft er 1CP-LSD, einen legalen Ableger des Halluzinogens LSD.

Sein "LSD.Shop" bietet Tabs mit je 100 Mikrogramm des psychoaktiven Wirkstoffs ("full tripping"). Zehntausende Trips hat er bereits an Käufer im ganzen Land vertrieben, sagt er – allein in den letzten vier Wochen.

Dem Gesetz immer einen Trip voraus

Dass man in Deutschland einen LSD-Klon völlig legal verkaufen kann, hat nicht nur mit dem Einfallsreichtum halbseidener Chemieunternehmen zu tun, die seit einigen Jahren für einen regelrechten Boom psychotroper Substanzen gesorgt haben und Drogengesetze geschickt zu umgehen wissen. Sondern es ist auch einer restriktiven Drogenpolitik geschuldet, die maßgeblich auf Verbote setzt – aber mit dem Verbieten nicht hinterherkommt.

Rund 50 bislang unbekannte Designerdrogen kommen laut Europäischem Drogenbericht jedes Jahr auf den Markt, darunter Amphetamine, Opioide oder Halluzinogene wie Trumps LSD-Imitat. Doch bis ein Stoff auf der schwarzen Liste des deutschen Betäubungsmittelgesetzes landet, ist längst ein neuer im Umlauf.

Das Gesetz über Neue Psychoaktive Stoffe (NpSG) sollte das Wettrüsten mit den Dealern eigentlich beenden, indem es nicht mehr einzelne Drogen, sondern ganze Stoffgruppen kriminalisiert. 2019 wurde das Gesetz um die Klasse der Tryptamin-Derivate erweitert, um den damals in der Szene beliebten LSD-Ableger 1P-LSD zu verbieten. Doch eine minimale Veränderung an der molekularen Struktur der Ursprungssubstanz reichte – und ein neues, vom Gesetz nicht erfasstes LSD-Pendant erblickte das Licht der Welt: 1CP-LSD.

33-jähriger setzt Hunderttausende Euro um

Das Bundesgesundheitsministerium betrachtet das Auftreten immer neuer psychoaktiver Stoffe mit Sorge. Ein "großer Teil" der Substanzen würde vom Gesetz erfasst, so die Behörde auf Anfrage, in anderen Worten: nicht alle. "Skrupellos agierende Akteure des Drogenmarktes" missbrauchten dieses "dynamische Geschehen", doch arbeite man bereits an einer Neuregelung, die künftig auch 1CP-LSD verbietet.

Bis das geschieht, nutzen findige Unternehmer wie der Berliner Carl Philipp Trump die Gesetzeslücke, um LSD im großen Stil zu verkaufen. Knapp 240.000 Euro hat der 33-Jährige im vergangenen Monat umgesetzt, sagt er – Tendenz steigend. Und sollte sein Produkt tatsächlich demnächst verboten werden, rechnet er bald mit einer neuen marktfähigen LSD-Variante seines niederländischen Lieferanten.

Wundermittel oder Chemiekeule

Dabei geht es dem Jungunternehmer nicht primär darum, reich zu werden. "Ich will Gutes tun." Trump ist überzeugt: Durch LSD wird man zum besseren Menschen. Eine psychedelische Erfahrung stelle die Welt und das eigene Denken komplett infrage. Sein Ziel sei ein "Amazon für LSD", um das Halluzinogen in der breiten Masse zu verankern. "LSD ist Liebe, Magie, Kunst", steht auf seiner Website.

Ganz risikofrei ist der Trip zum besseren Menschen jedoch nicht. LSD gehört zu den stärksten psychotropen Substanzen auf dem Markt. Nicht jeder kommt auf 12 Stunden lange Trips klar, die neben Halluzinationen Schübe extremer Euphorie, Reizüberflutung, Ich-Auflösung oder Paranoia erzeugen können.

Der Blogger Pascal Ebersbach, der auf seiner Website über Wirkungen und Risiken von Drogen aufklärt, hatte mit 1CP-LSD seinen ersten Horrortrip: Neben visuellen Wahrnehmungsverschiebungen hatte er akustische Halluzinationen, die ihm in Endlosschleife denselben Sound vorspielten und ihn fast "in den Wahnsinn getrieben" hätten, erzählt er auf Anfrage. Hinzu kamen Schmerzen in der Brust, die sich fast wie ein Herzinfarkt angefühlt und bis zum nächsten Tag angedauert hätten. Ebersbach, der sich selbst als "erfahrener Konsument" bezeichnet, rät Anfängern daher von 1CP-LSD ab. Die Wirkung sei "enorm" und schwer einzuschätzen.

Jugend forscht

Auch Trump weiß, dass ein Trip nach hinten losgehen kann, insbesondere bei psychisch vorbelasteten Menschen oder Minderjährigen. Er selbst landete bereits mit einer Psychose in der Psychiatrie, auch wegen LSD. "Das war eine unschöne Erfahrung", erzählt er trocken.

Vor solchen Risiken explizit warnen wolle er dennoch nicht. Diese seien extrem unwahrscheinlich und selbst wenn: "Dann bist du halt ein paar Wochen in der Psychiatrie und hast eine Psychose. So schlimm ist das ja auch nicht."

Jeder Kunde sei im Prinzip sein eigener Forscher: 1CP-LSD sei eine "Forschungschemikalie", mit der jeder selbst seine Erfahrungen machen müsse. Immerhin rät er auf seiner Website dazu, den Stoff nicht “kopflos" zu konsumieren. Kunden, die persönlich vorbeikommen, weise er zudem auf die Potenz des Mittels hin. Fragt er wenigstens nach dem Mindestalter seiner Käufer? "Muss ich nicht."

Der feine Unterschied

Wer bei Trump bestellt, muss das Risiko also selbst tragen. So weit, so normal im Drogengeschäft. Was unterscheidet ihn dann überhaupt noch etwas vom Dealer im Park oder im Darknet? "Sicherer ist es bei mir. Im Darknet weißt du nie, von wem du kaufst. Beim LSD.Shop stehe ich mit meinem Namen dafür ein." Doch wofür eigentlich?

Denn was 1CP-LSD genau ist, wurde bislang kaum erforscht. Trump bewirbt es als LSD-Derivat, das sich im Blut als reines LSD auflöst. Als Beleg dient ihm eine interdisziplinäre Studie aus dem vergangenen Jahr. Doch so sicher wie Trump sind sich nicht einmal die Verfasser der Studie. Einer der Autoren, der US-Toxikologe Jason Wallach, sagt auf Anfrage, dass es sich bei 1CP-LSD "wahrscheinlich" um ein LSD-Derivat handle, es aber noch keine gesicherten Erkenntnisse gebe.

Möglich sei, dass der Stoff darüber hinaus eigenständig mit diversen Rezeptoren im Körper interagiere. Zudem könne sich ein Derivat in punkto "Potenz, Dauer, Intensität und Nebenwirkungen" teils stark von der Originalversion unterscheiden. Sein Co-Autor, der Neurobiologe Adam L. Halberstadt, betont die begrenzte Aussagekraft ihrer Analyse, bei der 1CP-LSD lediglich in Blutproben getestet wurde. Klarheit könne jedoch nur eine klinische Studie am Menschen bringen. Doch die gibt es noch nicht.

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"Verstehe nicht, was da steht"

Die Unsicherheit der Wissenschaftler teilt er nicht. "Die schreiben das ja immer so vage." Dass er als Nicht-Chemiker eigentlich gar keine Ahnung davon hat, was er verkauft, stört ihn nicht. Auch das Produktdatenblatt seines niederländischen Lieferanten, der auf seiner Website betont, die Chemikalie sei nicht für den menschlichen Konsum, scheint er nicht einmal gelesen zu haben ("Verstehe nicht, was da steht").

Statt auf mehr Erkenntnisse zu warten, will Trump die Dinge endlich angehen. Der 33-Jährige steckt voller Ideen und Aktionismus. Mit seinem Nebenprojekt, der Gutmenschen-Organisation, hat er sich hehre Ziele gesetzt: Kampf gegen Welthunger, Obdachlosigkeit und sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Er sieht sich als Visionär, der keine Zeit habe zum "Rumdebattieren".

Sein nächstes Projekt ist aber erst mal bescheidener: Nachschub besorgen. Weil der Zoll seine Ware weiterhin nicht rausrückt, will Trump nun den Stoff persönlich beim Großdealer in den Niederlanden abholen. Auch nicht ohne Risiko, gibt er zu, aber er kann seine Kunden nicht länger warten lassen. Von seinem Produkt seien die "total begeistert".

Verwendete Quellen
  • Besuch im Büro und persönliches Gespräch mit Trump
  • Gespräche mit den beiden Forschern, einem Konsumenten/Blogger
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