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So viel kostet Wahlkampf: Fünf Bundestagskandidaten legen ihr Budget offen


Wer hat was im Wahlkampf?
Fünf Bundestagskandidaten legen ihr Budget offen

  • Matti Hartmann
Von Matti Hartmann

Aktualisiert am 10.09.2021Lesedauer: 6 Min.
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Fünf Direktkandidaten für den Bundestag, die über ihr Wahlkampfbudget sprechen: Ana-Maria Trăsnea (SPD), Laura Sophie Dornheim (Grüne), Udo Wolf (Linke), Lucia Schnell (Linke) und Kevin Kratzsch (CDU).Vergrößern des Bildes
Fünf Direktkandidaten für den Bundestag, die über ihr Wahlkampfbudget sprechen: Ana-Maria Trăsnea (SPD), Laura Sophie Dornheim (Grüne), Udo Wolf (Linke), Lucia Schnell (Linke) und Kevin Kratzsch (CDU). (Quelle: photothek/Future Image/Emmanuele Contini/Piero Chiussi/Christoph Soeder/imago images/dpa)

Wahlkampf kostet Geld. Was einzelnen Bundestagskandidaten zur Verfügung steht und was sie mit ihrem Budget genau machen, wird allerdings meist nicht öffentlich bekannt. Für t-online haben mehrere Kandidaten ihre Mittel aufgedeckt

In den zwölf Berliner Bundestagswahlkreisen treten Dutzende Direktkandidaten gegeneinander an. Um auf sich aufmerksam zu machen, organisieren sie Veranstaltungen, hängen Plakate auf, verschicken Postwurfsendungen und buchen Anzeigenplätze im Internet. Einige laden Wähler auf ein Eis ein, andere spendieren Bier oder mieten einen Kletterturm. Das alles kostet Geld.

Und so unterschiedlich die Chancen der Kandidaten sind, bei der Wahl am 26. September in ihrem Wahlkreis die meisten Erststimmen zu holen, so verschieden sind sie auch finanziell aufgestellt. Von 2.000 bis 50.000 Euro Wahlkampfbudget ist alles dabei.

CDU-Underdog aus Friedrichshain-Kreuzberg: "Ich kandidiere ja nicht aus Kalkül"

Als der "Spiegel" kürzlich Kevin Kratzsch porträtierte, taufte ihn das Magazin den "wohl hoffnungslosesten CDU-Bewerber in der Republik". Kratzsch sieht das nicht ganz so und macht sich selbst Mut: "Die Hoffnung stirbt zuletzt", sagt er t-online. Und: "Ich kandidiere ja nicht aus Kalkül, sondern weil ich für Werte einstehe."

Kratzsch tritt in Friedrichshain-Kreuzberg an. 2017 holte hier der CDU-Kandidat Timur Husein 12,2 Prozent der Erststimmen, der Wahlkreis ging zum vierten Mal in Folge an die Grünen. Kratzsch, CDU-Mitglied seit seiner Jugendzeit, hat rund 30.000 Euro zur freien Verfügung, um diese Serie zu brechen. Hinzu kommt noch eine Sachspende, deren Wert der Kandidat auf etwa 10.000 Euro beziffert: Ein Bekannter hat mehrere Plakate gespendet und diese auch aufgehängt.

Im Hauptberuf ist Kratzsch Veranstaltungsunternehmer und Schausteller, seine Langosch- und Crêpes-Buden schickt er auf Jahrmärkte quer durch die Republik. Finanzielle Unterstützung erhalte er vor allem von Unternehmerkollegen aus seiner Branche, sagt er. Außerdem bekomme er Geld von den drei CDU-Ortsverbänden im Bezirk.

Wohin sein Kapital fließt, überschlägt er grob: Etwa die Hälfte gebe er für klassische Werbemittel aus, also für große und kleine Plakate und Flyer. Rund ein Viertel stecke er in Onlinewerbung, darin enthalten seien die Kosten für einen Videodreh und für Anzeigen bei Facebook und Instagram. Das letzte Viertel ist für Stände und Aktionen reserviert: Beispielsweise kaufte Kratzsch Späti-Bier, um es auf dem Boxhagener Platz unter die Leute zu bringen.

Aussichtsreicher Linken-Kandidat in Pankow: Wahlkampf mit Kletterturm

Umgekehrte Vorzeichen in Pankow: Hier ist Udo Wolf von den Linken alles andere als ein Außenseiter. Der langjährige Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus folgt als Bundestagsdirektkandidat auf Stefan Liebich, der im Berliner Norden von 2009 bis 2017 drei Mal hintereinander siegte.

So viel zahlen die Parteien insgesamt für Wahlkämpfe
In vom Bundestag veröffentlichten Rechenschaftsberichten der Parteien geben diese Auskunft über ihre gesamten Wahlkampfkosten. Im Bundestagswahlkampfjahr 2017 waren dies:
CDU/CSU 71,0 Mio. Euro
SPD 56,2 Mio. Euro
FDP 17,5 Mio. Euro
Grüne 15,8 Mio. Euro
AfD 13,0 Mio. Euro
Die Linke 10,5 Mio. Euro

"Wir haben ein bisschen was zu verlieren", sagt Wolf. "Deswegen haben wir uns auch etwas Besonderes ausgedacht." Der passionierte Bergsteiger macht Wahlkampf mit Kletterturm.

Den hat sein Team für drei Termine gemietet, Kostenpunkt: 2.000 Euro. Alpenvereinsmitglied Wolf selbst steht unten und sichert, während potenzielle Wähler oder deren Kinder weiter oben herumkraxeln. "Dabei kommt man ganz gut ins Gespräch miteinander", sagt Wolf.

Die größten Posten in seinem Budget sind aber andere: Großplakate, die in drei Wellen aufgestellt werden, kosten 20.000 Euro. Für eine Postwurfsendung an alle Haushalte werden 14.000 Euro fällig. Dazu kommen Laternenplakate (5.000 Euro), Flyer (4.000 Euro), Anzeigen im Bezirksblättchen (3.000 Euro) und Social-Media-Kampagnen (2.000 Euro). Macht zusammen rund 50.000 Euro.

Das Geld stammt hauptsächlich von der Partei, einige der Großflächenplakate haben auch Privatleute beigesteuert. Von Unternehmen nimmt die Linke grundsätzlich keine Spenden an, das hat sie sich in ihre Bundessatzung geschrieben.

Linken-Angreiferin in Neukölln: Nur ein Zehntel des Budgets

In Neukölln muss Lucia Schnell, ebenfalls von den Linken, mit einem Zehntel dessen auskommen, was Udo Wolf hat. Großplakate stellt sie nicht in Wellen auf, bei ihr sind es nur drei einzelne, die sie im Bezirk verteilen kann. Eines steht in der Sonnenallee vor dem Arbeitsamt, es trägt den Slogan "Klima retten. Kapitalismus überwinden!"

Die Großplakate haben zusammen 1.000 Euro gekostet, ebenso viel wie die an Laternen aufgehängten Standardplakate und drei einminütige Videoclips. Jeweils 500 Euro wendet Schnell für Flyer, Printanzeigen, Onlineanzeigen und Kundgebungen auf. Unterm Strich stehen bei ihr also 5.000 Euro.

Hoffnungen macht sie sich trotzdem: "Wenn wir es in einem Westbezirk schaffen, dann hier in Neukölln", glaubt sie. Zwar lag ihre Direktkandidaten-Vorgängerin 2017 bei den Erststimmen zehn Prozentpunkte hinter dem Gewinner von der SPD. Aber: Bei den Zweitstimmen war die Linke in Neukölln fast gleichauf mit CDU und SPD.

Grüne Listen-Hoffnung aus Lichtenberg: "Materialschlacht entscheidet nicht"

Auch Laura Sophie Dornheim von den Grünen rechnet sich Chancen aus, obwohl sie als Direktkandidatin aus ungünstiger Position ins Feld startet. 5,9 Prozent der Erststimmen holte ihre Vorgängerin 2017 in Lichtenberg, viel mehr Stimmen konnten die Grünen in dem Ostbezirk noch nie auf sich vereinen.

Aber immerhin: Dornheim steht auf dem sechsten Platz der Berliner Landesliste. Wenn die CSU in Bayern bei eher schlechtem Zweitstimmenergebnis alle ihre Direktkandidaten durchbringt und der Bundestag reichlich mit Überhang- und Ausgleichsmandaten aufgefüllt wird, sieht es ganz gut für sie aus.

Mit dem frisch gestillten Baby im Kinderwagen und dem Handy am Ohr düst Dornheim nun durch Berlin und liefert auf dem Weg zur S-Bahn exakte Zahlen: 50.412 Euro habe ihr Kreisverband für alle drei Wahlkämpfe insgesamt zur Verfügung, sagt sie – in Berlin werden ja am 26. September auch noch Abgeordnetenhaus und Bezirksverordnetenversammlungen neu gewählt. Davon wird unter anderem eine Wahlkampfmanagerin bezahlt, die auch Dornheim viel Arbeit abnimmt.

Wenn man allerdings nur den Anteil betrachtet, der auf Dornheim ganz persönlich als Bundestagsdirektkandidatin entfällt, dann ist der eher schmal: knapp 1.000 Euro, die die Partei für Laternenplakate (192 Stück à 3,20 Euro) und Flyer gibt, sowie 1.000 Euro, die sie zur freien Verfügung hat.

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480 Euro hat sie davon für ihren Eisdielen-Wahlkampf verbucht, das reicht für 400 Kugeln Eis, für die sie an drei Terminen Gutscheine verteilt. Für 62 Euro wurde die Candybar am Wahlkampfstand mit grünen Fröschen, grünen Schnüren und Apfelringen aufgefüllt. 50 Euro gingen bisher in Onlinewerbung, weitere 100 Euro könnten noch dazukommen. Bleiben rund 300 Euro, die noch nicht verplant sind.

"Das ist nicht viel", sagt sie. "Aber eine Materialschlacht entscheidet den Wahlkampf nicht." Die als Führungskraft in einem Tech-Start-up angestellte Digitalexpertin hofft auf ihre "organische Reichweite": Twitter-Follower, die ihre Botschaften verbreiten, und Medien, die sie zu Themen befragen, von denen sie Ahnung hat.

Herausforderin von der SPD: 44.000 Euro, um Gysi in Treptow-Köpenick zu ärgern

Ana-Maria Trăsnea muss ebenfalls darauf hoffen, über die Landesliste ins Parlament zu kommen. Die SPD-Kandidatin steht in Treptow-Köpenick in Konkurrenz zu Gregor Gysi von den Linken, der vier Mal hintereinander mit großem Abstand das Direktmandat im Wahlkreis gewann.

Vielleicht kann sie ihn ein bisschen ärgern. Dafür kann sie auf ein Budget von 44.000 Euro zurückgreifen. Das Geld stammt aus Parteimitteln, die der Kreis angespart hat, Zuschüssen des Landesparteivorstandes und der Bundespartei sowie aus einigen Kleinspenden.

Bisher ausgegeben hat sie davon erst rund 30.000 Euro, aber der Wahlkampf dauert ja auch noch eine Weile. Ihr Wahlkampfleiter dröselt auf: 1.800 Euro für Social-Media-Werbung, 5.500 Euro für Flyer, 7.600 Euro für zwei Kampagnenfilme, 4.500 Euro für Give-aways, wie zum Beispiel Jutebeutel mit ihrem Konterfei drauf oder Seifenblasendosen mit ihrer privaten Handynummer und dem Slogan "Für das Richtige stehen".

Die Ausgaben für Postsendungen belaufen sich auf 3.200 Euro, damit erreicht Trăsnea aber nicht alle Haushalte im Bezirk. Sie konzentriert sich auf die 18- bis 23-Jährigen. Hinzu kommen 3.100 Euro für eine mittlere dreistellige Anzahl an Laternenplakaten, 350 Euro für Technik und Software, 1.600 Euro für Veranstaltungen und 2.600 Euro für weitere Materialkosten.

Und was stecken die Kandidaten an Eigenkapital in den Wahlkampf?

Was alle eint, die für t-online ihr Budget offengelegt haben: Persönlich investiert niemand große Summen in den Wahlkampf. Einige Hundert Euro sind es über den Daumen gepeilt bei allen. Aber was hier oder dort versickert, lässt sich schlecht nachhalten: Fahrtkosten, die einem niemand abnimmt, mal ein Imbiss für die Teammitglieder, manchmal auch die Kostenübernahme für ein zusätzliches Großflächenplakat.

Eine der Kandidatinnen verweist auf Verdienstausfälle, die entstehen, wenn man Vollzeit für die Partei unterwegs ist. Und auf den Dauerstress, der an der persönlichen Substanz zehrt: "Ruhige Momente sind gerade Mangelware", sagt sie.

Aber: Ob die Zeit nach dem Wahlkampf wirklich entspannter wird? Wenn der Traum vom Mandat Wirklichkeit wird, vermutlich nicht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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